Justizreform in Israel:Scholz' Warnung an Netanjahu

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"Unser Wunsch ist es, dass unser Wertepartner Israel eine liberale Demokratie bleibt": Bundeskanzler Scholz (r.) am Donnerstag neben Premier Netanjahu. (Foto: Chris Emil Janssen/imago)

Zu Hause tobt der Kampf um die Zukunft der Demokratie. Auch in Berlin muss sich Israels Ministerpräsident Kritik anhören: Der Bundeskanzler sorgt sich um die Zukunft der israelischen Demokratie.

Von Daniel Brössler, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor einem Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewarnt, zugleich aber die besondere Verantwortung Deutschlands für den jüdischen Staat betont. "Unser Wunsch ist es, dass unser Wertepartner Israel eine liberale Demokratie bleibt", sagte Scholz am Donnerstag nach einem Gespräch mit Netanjahu in Berlin.

Er stellte allerdings klar, dass das im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien verankerte Bekenntnis Deutschlands zur Verantwortung für die israelische Sicherheit davon nicht berührt wird. "Die Sicherheit Israels ist unsere Staatsraison. Dafür steht diese Bundesregierung und darauf kann Israel sich verlassen", sagte er. Netanjahu wies die Kritik an der von seiner national-religiösen Regierung gegen massive Proteste durchgesetzten Justizreform zurück. "Israel war, ist und bleibt eine liberale Demokratie", sagte er.

Erkennbar suchte Scholz während des ersten Besuches Netanjahus nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten die Balance zwischen vergleichsweise deutlichen Ermahnungen und der Betonung unverändert besonderer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Am Vormittag besuchte er mit Netanjahu im Berliner Grunewald das Mahnmal "Gleis 17" für die etwa 10 000 während der Naziherrschaft aus Berlin in Arbeits- und Konzentrationslager deportierten Juden. Die Freundschaft Deutschlands und Israels sei nach den Verbrechen der Nationalsozialisten ein "kostbares Geschenk", sagte Scholz. Aus der Vergangenheit erwachse eine "immerwährende Verantwortung für die Zukunft".

Netanjahu verteidigt sich - und geht die Opposition an

Ungewöhnlich deutlich forderte Scholz Netanjahu aber auch auf, auf die Kritiker der Justizreform zuzugehen, die vor einem Abdriften des Landes in ein autoritäres System warnen. "Als Freunde Israels und demokratische Wertepartner verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam und, das will ich nicht verhehlen, mit großer Sorge", sagte er. Die Unabhängigkeit der Justiz sei ein hohes Gut. Als "wertvoll" bezeichnete er die Kompromissvorschläge von Präsident Izchak Herzog. Herzog hatte am Mittwochabend in einer Ansprache eingeräumt, Veränderungen in der Machtverteilung zwischen den drei Gewalten seien zwar notwendig. Dazu sei jedoch ein breiter Konsens nötig.

Während die Opposition darauf mit Zustimmung reagiert hatte, betonte Netanjahu auch in Berlin noch einmal, dass seine Regierung an den Plänen festhalten wolle. Sie sollten nur die Balance zwischen den Gewalten wiederherstellen. "Eine unabhängige Justiz ist keine allmächtige Justiz", sagte er. Israelische Richter verfügten über eine Machtfülle wie es sie in keiner anderen Demokratie gebe. Der Opposition warf Netanjahu vor, keine einvernehmliche Lösung zu wollen. "Es gibt keinen Wunsch, eine gemeinsame Lösung zu finden. Es gibt den Wunsch, einen Moment der Krise zu finden", sagte er. Dessen ungeachtet äußerte Scholz Zuversicht, die er "nicht zurückhalten" wolle. Auf die Frage, ob das deutsche Bekenntnis zur israelischen Sicherheit auch für ein weniger demokratisches Israel gelte, sagte er: "Die Sicherheit Israels ist unsere Staatsraison - selbstverständlich."

Auch in Berlin demonstrieren Kritiker gegen die Justizreform

Die Bundesregierung ist seit Wochen alarmiert wegen der Entwicklung in Israel. Beim Besuch ihres israelischen Kollegen Eli Cohen hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien als eines der verbindendenden Elemente zwischen Deutschland und Israel gewürdigt. Es sei überdies "immer ein Aushängeschild Israels" gewesen. Pläne, die Todesstrafe einzuführen, bezeichnete sie als "großen Fehler". Am Donnerstag gab es sowohl in Tel Aviv als auch in Berlin - allerdings weitgehend außer Sichtweite Netanjahus - Demonstrationen gegen die israelische Justizreform. Netanjahus rechts-religiöse Regierung will ihr Vorhaben bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen.

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Netanjahu erneuerte während seines Besuches in Berlin seine Warnungen vor den Atomwaffenplänen des iranischen Regimes. Ein atomar bewaffneter Iran stelle eine Gefahr für Israel und die Welt dar. Wenn es möglich sei, wolle Israel zusammen mit seinen Partnern eine atomare Bewaffnung Irans verhindern. Notfalls werde es aber auch alleine handeln. "Israel wird tun, was es tun muss," sagte er. Scholz forderte Teheran auf, sein "destruktives Treiben" in der Region zu beenden.

Israel und Deutschland eine die Sorge darüber, "dass Iran neue Schritte der Eskalation gegangen ist und eine sehr hohe Anreicherung von Uran betrieben hat". Eine diplomatische Lösung habe oberste Priorität. Ausbauen wollen Israel und Deutschland ihre Rüstungszusammenarbeit. Scholz bekräftigte den festen Willen Deutschlands, das israelische Luftabwehrsystem Arrow 3 anzuschaffen.

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