Neue Vorwürfe:Das sind die zentralen Vorwürfe in Österreichs Korruptionsaffäre

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Er war Ausputzer, Strippenzieher. Und irgendwann der, der zurücktreten musste. Das ganze Vernehmungsprotokoll von Thomas Schmid liest sich wie der Aufstand eines Gedemütigten. (Foto: Eibner-Pressefoto/EXPA/Schroetter/imago)

Ein früherer Vertrauter belastet Altkanzler Kurz und die ÖVP schwer. Auch Boulevardzeitungs-Manager und ein Multimillionär geraten unter Druck. Ein Überblick.

Von Léonardo Kahn

Das politische Österreich ist mal wieder in heller Aufregung. Und verantwortlich dafür ist Thomas Schmid. In der Korruptionsaffäre um Altkanzler Sebastian Kurz und die Österreichische Volkspartei (ÖVP) hat der ehemalige Vorsitzende der staatlichen Beteiligungsagentur ÖBAG und Generalsekretär im Finanzministerium schwere Vorwürfe erhoben - gegen seinen früheren Verbündeten Kurz, die ÖVP und nicht zuletzt sich selbst.

In insgesamt 15 Vernehmungstagen hat Schmid über den Sommer hinweg heimlich mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kooperiert. Offenbar wusste nicht einmal sein eigener Anwalt Bescheid. Daraus ist ein 454 Seiten langes Vernehmungsprotokoll der WKStA entstanden, das nun in österreichischen Medien seziert wird. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Causa Kurz

Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz während des ÖVP-Bundesparteitags in Graz am 14. Mai 2022. (Foto: Georges Schneider/IMAGO/photonews.at)

Der ehemalige Bundeskanzler Kurz soll Schmid persönlich aufgefordert haben, Steuergeld für Parteizwecke einzusetzen, indem das Finanzministerium für die ÖVP Umfragen finanzierte. Schmids Aussagen zufolge soll Sebastian Kurz das sogenannte "Österreich-Beinschab-Tool" initiiert haben. 2016, damals noch Außenminister, habe Kurz ihm "den Auftrag gegeben, ein solches ,Tool' ... aufzubauen", das den jungen Politiker an die ÖVP-Parteispitze und ins Kanzleramt befördern sollte, gab Schmid laut Protokoll an: "Mir ist ganz wichtig, zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe."

Bei dem "Österreich-Beinschab-Tool" handelte es sich um mit Steuergeldern aus dem Finanzministerium finanzierte Umfragestudien der Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Diese hat bereits vor Monaten ausgesagt, dass die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ihr Aufträge für diverse Studien für das Finanzministerium vermittelt habe.

Nachdem Ermittler im Herbst 2021 Hunderttausende Chats bei Schmid sichergestellt hatten, die Hinweise auf Betrug, Bestechlichkeit und Bestechung des Kreises rund um Kurz enthielten, soll dieser Schmid bei einem geheimen Treffen aufgefordert haben, alle Schuld auf sich zu nehmen. "Ich müsse jetzt eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wonach er nichts von all (diesen) Vorwürfen wisse", sagte Schmid laut Protokoll der WKStA.

Kurz' Anwalt Werner Suppan weist die Aussagen Schmids zurück. Dieser hoffe auf einen Kronzeugenstatus, "indem er alle anderen anpatzt und beschuldigt". Die Beschuldigungen "sind falsch und das wird auch noch bewiesen werden."

Die Vorwürfe belasten den Altkanzler schwer. Erst am Samstag hatte Kurz dem Sender ORF2 ein Interview gegeben, in dem er behauptete, von der Justiz verfolgt zu werden. Kurz sagte, er freue sich auf das Ende der Ermittlungen - nicht wissend, dass sein Mitstreiter Thomas Schmid seit April mit der Staatsanwaltschaft kooperierte.

Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn bewahrheiten, drohen Kurz offenbar bis zu zwei Jahre Haft. Und auch die Zukunft der ÖVP, die sich gern als Anti-Korruptionspartei inszeniert, steht auf dem Spiel.

Causa Sobotka

Wolfgang Sobotka (ÖVP), damals österreichische Innenminister, verfolgt am 31.01.2017 in Wien die Sitzung des Nationalrates im Parlament. (Foto: Roland Schlager/dpa)

Auch der amtierende Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wird durch Schmids Aussagen belastet. Als Schmid im Finanzministerium tätig war, soll Sobotka ihm interveniert haben, damit keine Steuerprüfungen bei den ÖVP-nahen Stiftungen Alois-Mock und Erwin-Pröll geführt werden; um welche parteinahe Stiftung es sich handelte, erinnerte Schmid nicht mehr. Es sei dann "im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden".

Sobotka streitet die Anschuldigungen ab. Im Interview mit der Nachrichtenagentur APA spricht der Nationalratspräsident von "Anschwärzen". "Wenn jemand anscheinend seit Monaten krampfhaft versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, dann ist ihm jedes Mittel recht, um mildernde Umstände bei der Strafbemessung zu erreichen. Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger ist maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert. Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück", sagt Sobotka.

Causa Benko

Niemand bleibt verschont von diesem Beben. Als Erstes traf es den Immobilienmilliardär René Benko, bei dessen Holding am Dienstag eine Hausdurchsuchung stattfand. (Foto: imago stock&people)

Im Protokoll der WKStA werden unter anderem Österreichs Boulevardmedien-Manager, die Herausgeber der Österreich-Gruppe Wolfgang und Helmuth Fellner, sowie die Millionäre Siegfried Wolf und René Benko beschuldigt. Bei letzterem gab es wegen der Korruptionsvorwürfe am Dienstag eine Hausdurchsuchung.

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Der Multimillionär Benko habe, so Schmid, 2016 versucht, diesem mit einem Stellenangebot bei seinem Immobilienunternehmen Signa Holding zu bestechen - mit einem Jahresgehalt von 300 000 Euro plus Bonuspauschaule. Außerdem habe der Immobilienunternehmer den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium in Edelrestaurants, in seine Luxus-Chalets und auf seine Yacht eingeladen. Dafür sollte Thomas Schmid ihm bei seinem Bauprojekt, der Luxusstraße Goldenes Quartier in Wien, Steuererleichterungen ermöglichen.

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