Krieg in Nahost:Was wird aus der Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien?

Lesezeit: 3 Min.

Die "Future Investment Initiative", eine Art Davos in der Wüste, sollte ein erster Gradmesser sein, wie viel Normalität möglich ist, während der Krieg in Gaza tobt. (Foto: Fayez Nureldine/AFP)

Die saudische Regierung wollte mit Netanjahus Regierung Frieden schließen - und gute Geschäfte machen. Aber der Krieg in Gaza gefährdet ihre Pläne.

Von Bernd Dörries, Kairo

Ein paar Tänzerinnen in silbernen Anzügen wirbelten über die Bühne, auf den Bildschirmen flog eine weiße Taube durch den Saal des Ritz-Carlton in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Vielleicht hatten die Veranstalter der "Future Investment Initiative" das Eröffnungsprogramm am Dienstag nach den Terroranschlägen in Gaza noch umgeplant, vielleicht auch nicht, Frieden ist ja immer gut. Und er schien auch greifbar zu sein, zumindest der Friedensvertrag zwischen Saudi-Arabien und Israel.

Die Realität ist nun aber wieder eine andere, der Krieg im Gazastreifen hat die ganze Region verändert. "Wir wollen nicht, dass die jüngsten Ereignisse alles zunichte machen, also unternehmen wir gemeinsam mit unseren Partnern große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass wir wieder dorthin zurückkehren, wo wir waren", sagte der saudische Finanzminister Mohammed al-Dschadan zum Auftakt. Aber ist es so einfach?

Saudi-Arabien will mehr sein als eine Öl-Tankstelle in der Wüste

Die "Future Investment Initiative" sollte ein erster Gradmesser sein, wie viel Normalität möglich ist, während der Krieg in Gaza tobt. Die Teilnehmerzahl von 6000 Wirtschaftsführern war zumindest ein Erfolg, es habe nur 20 Absagen gegeben, sagt der Veranstalter. Die großen Deals wurden aber nicht verkündet. Das Treffen am Golf sieht sich als eine Art Davos in der Wüste, als Pendant des Weltwirtschaftsforums in der Schweiz, auf dem aber nicht so viel über die globale Lage geredet wird, dafür umso mehr Geschäfte gemacht werden. So stellte es sich der Kronprinz und De-facto-Herrscher von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, zumindest vor. "Die kommende Renaissance in den nächsten 30 Jahren wird im Nahen Osten stattfinden", sagte er auf der Konferenz 2018. Und: "Das neue Europa ist der Nahe Osten."

Mittlerweile ist der Nahe Osten aber eher wieder der alte, was vor allem für Saudi-Arabien schwierig ist. MBS, wie der Kronprinz genannt wird, hatte 2016 seine Reformagenda 2030 für Saudi-Arabien vorgestellt.

Die soziale Öffnung seines Landes und die Diversifikation der Wirtschaft waren die Kernpunkte, das Land wollte mehr sein als eine Öl-Tankstelle in der Wüste. Dem Prinzen schwebte ein modernes Land vor, vieles hat sich seitdem verändert, geradezu Revolutionäres passierte, Frauen dürfen Auto fahren, die Macht der Religionspolizei wurde eingeschränkt, die Jugend darf auf Konzerte und Festivals gehen, Touristen sollen das Land besuchen.

Auch nach außen gab sich MBS in den vergangenen Jahren weit friedfertiger als zu Beginn seiner Herrschaft als Thronfolger: Er näherte sich Iran an, beendete den Konflikt in Katar und versucht den Krieg in Jemen zu befrieden, den er selbst mit gestartet hatte. All das in der Einsicht, dass seine Vision von einem wirtschaftlich starken Saudi-Arabien nur in einem friedlichen Umfeld zu erreichen ist. Weshalb er auch mit der Annäherung an Israel begann.

Viel herausgekommen ist bei den Telefonaten mit den USA und Iran bisher nicht

Fast 800 Milliarden Dollar hat der Staatsfonds des Landes zur Verfügung. Bisher war er vor allem dafür bekannt, Milliarden im Ausland zu investieren, in Fußballklubs und Telekommunikationsfirmen. Die "Future Investment Initiative" soll aber auch erreichen, dass internationale Investoren in Saudi-Arabien investieren, dass Geld ins Land kommt, nicht nur abfließt. Dazu braucht es Frieden. "Wir brauchen Weisheit, wir müssen zusammenarbeiten, um Ruhe zu schaffen und sicherzustellen, dass wir deeskalieren", sagte der saudische Finanzminister Mohammed al-Dschadan. Ob zu dieser Weisheit auch gehört, die Annäherung an Israel fortzusetzen, sagte der Minister nicht.

Nach Umfragen vor dem Krieg in Gaza wollen nur etwa zwei Prozent der Saudis eine Annäherung an Israel, mehr dürften es seitdem nicht geworden sein. Öffentlich hat die Regierung in Riad nach dem Terror der Hamas zwar dazu aufgerufen, wieder stärker eine Zwei-Staaten-Lösung anzustreben. Die diplomatischen Bemühungen, den Konflikt zu entschärfen, verfolgt Saudi-Arabien aber eher passiv.

MBS telefoniert zwar mit US-Präsident Joe Biden und auch den Machthabern in Iran, viel herausgekommen ist dabei aber bisher nicht. Die Nachbarn in Katar haben bei der Befreiung einiger Geiseln bisher die Hauptrolle gespielt, auch Ägypten ist aktiv und sieht eine Chance, wieder ein wenig von seiner alten Stärke zurückzubekommen.

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Saudi-Arabiens Elite mag die Hamas nicht und sieht die eigene Entwicklung dringlicher als das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat - kann das aber angesichts der Haltung der eigenen Bevölkerung nicht allzu laut sagen.

Viel beachtet wurde deshalb die Rede des ehemaligen saudischen Geheimdienstchefs Prinz Turki al-Faisal: "Ich verurteile kategorisch, dass die Hamas zivile Ziele jeglichen Alters oder Geschlechts ins Visier nimmt, wie ihr vorgeworfen wird", sagte er an der Universität, gestand den Palästinensern aber auch zu, dass jede militärisch besetzte Region das Recht habe, sich "auch militärisch" zu verteidigen. Auch Israel und die USA bekamen eine Mitschuld an der derzeitigen Lage. Man kann davon ausgehen, dass Prinz Turki al-Faisal seine Bemerkungen nicht ohne Rücksprache mit Riad machte.

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