Persischer Golf:Streitschlichter China

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Chinas Top-Diplomat Wang Yi (Mitte) am vergangenen Freitag in Peking mit Irans Außenminister Ali Shamkhani (rechts) und Saudi-Arabiens Staatsminister Musaad bin Mohammed Al Aiban (links). (Foto: China Daily/Reuters)

Die nahöstlichen Rivalen Saudi-Arabien und Iran wollen sich nach Jahren der Feindschaft versöhnen.

Von Tomas Avenarius, Berlin

Die Nachricht aus Peking war eine echte Sensation. Die nahöstlichen Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran wollen sich versöhnen, ihre seit Jahren zerrütteten Beziehungen normalisieren. Vermittelt hat diesen Durchbruch im Dauerkrisengebiet am Persischen Golf aber nicht der Westen, sprich Washington als klassischer Hegemon der Region. Geschweige die Europäer. Der Punkt geht an einen in Nahost bisher zurückhaltenden Player: an die Volksrepublik China.

Das erklärt, weshalb die westlichen Reaktionen wenig euphorisch sind. Als Grund für die Annäherung sähen die USA vor allem den inneren und äußeren Druck, unter dem die Regierung in Teheran stehe, nörgelte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. Sofern der Schritt helfe, den Krieg in Jemen zu beenden und dazu beitrage, dass sich Saudi-Arabien nicht mehr gegen von Iran angezettelte Angriffe verteidigen müsse, sei die Annäherung aber zu begrüßen.

Im Nahen und Mittleren Osten klang das ganz anders. Dort herrscht Zustimmung. Und in Peking selbst, wo zwischen Teheran und Riad verhandelt worden war, gab man sich so unbescheiden wie überschwänglich. "Dies ist ein Sieg für den Dialog, ein Sieg für den Frieden und eine wichtige gute Nachricht in einer Zeit großer Turbulenzen in der Welt", sagte laut Reuter Chinas Top-Diplomat Wang Yi.

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Die geopolitischen Auswirkungen des chinesischen Vermittlungserfolges lassen sich bisher schwer abschätzen. Ob es sich wirklich um eine "tektonische Machtverschiebung" zugunsten Pekings und zum Nachteil Washingtons handelt, wird sich zeigen. Die Versöhnungsschritte, von der Wiedereröffnung der seit sieben Jahren geschlossenen Botschaften bis hin zur gemeinsamen Schaffung von Sicherheit am Golf, sind vage. Die Nachbarstaaten, die vom Rohstoffreichtum leben, bekämpfen sich seit Jahren mittels offener oder verdeckter Stellvertreterkriege, ob in Jemen, in Libanon oder Bahrein.

Aufgehängt sind diese Konflikte vordergründig meist an der Religionsfrage. Saudi-Arabien ist Hüter der den Muslimen heiligen Stätten Mekka und Medina und damit eine sunnitische Führungsmacht. Die Islamische Republik Iran als Schiitenstaat geht auf eine "Islamische Revolution" zurück, die den muslimischen Staaten früher mit "Revolutionsexport" gedroht hatte. In Wahrheit geht es aber stets um geostrategische Konkurrenz, die Kontrolle der für den Ölexport wichtigen Wasserstraße am Persischen Golf und um Einfluss in der muslimischen Großregion.

Unabhängig davon, ob und wie rasch die Versöhnung umgesetzt wird, bleibt als Tatsache, dass die Einigung nicht von den USA als langjähriger Vormacht im Nahen und Mittleren Osten vermittelt wurde. "Dies wird - wahrscheinlich zu Recht - als Ohrfeige für die Biden-Regierung und als Beweis dafür interpretiert werden, dass China die aufstrebende Macht ist", so Jeffrey Feltman von der Brookings Institution.

Rein praktisch hätten die USA allerdings gar nicht vermitteln können zwischen Saudis und Iranern

So kann Peking, das in der Region bisher auf Handel, Energie und andere wirtschaftspolitische Hebel gesetzt hatte, einen politischen Erfolg verbuchen. Da das gegenseitige Verhältnis zwischen der Volksrepublik und den USA sich gleichzeitig kontinuierlich verschlechtert, muss der Verhandlungserfolg fast zwangsläufig als Meilenstein für China gewertet werden. Erklären lässt sich dies zuerst einmal mit dem seit Jahren konsequent betriebenen Rückzug Washingtons aus Nahost. Die Wegsteine reichen vom wenig erfolgreichen Ende des langjährigen US-Einsatzes im Irak - der US-Einmarsch samt dem Sturz Saddam Husseins jährt sich gerade zum 20. Mal - bis hin zum chaotischen Abzug aus Afghanistan im August 2021.

Rein praktisch hätten die USA allerdings gar nicht vermitteln können zwischen Saudis und Iranern. Washington und Teheran unterhalten seit Jahrzehnten keine Beziehungen. Der Streit um das iranische Atomprogramm und die Kündigung des 5+2-Atomabkommens durch Donald Trump hat die beiden noch weiter entfremdet. China hingegen ist jüngst eine engere Bindung mit Iran und Russland eingegangen: in der Haltung zum Ukraine-Krieg, der Nicht-Beteiligung am Sanktionsregime gegen Moskau und der Frage möglicher Technologien oder Waffenlieferungen.

All diese Entwicklungen geschehen vor dem Hintergrund des seit Jahren schwindenden US-Einflusses in Nah- und Mittelost. Saudi-Arabien war wegen seiner Ölreserven jahrzehntelang die "Tankstelle" der USA, stand unter Washingtons Schutz. Inzwischen sind die Amerikaner aber nicht mehr auf saudisches Öl angewiesen, nutzen eigene Energiereserven. Die Saudis beliefern nun den chinesischen Markt und andere asiatische Abnehmer. Seit der faktischen Machtübernahme des saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman 2017 hat sich das Verhältnis zu Washington weiter abgekühlt.

Ob die Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Iran zum Ende des Jemen-Kriegs führen wird, ist offen

Vor dem Hintergrund der gleichzeitig wachsenden Furcht vor einer möglichen Atommacht Iran suchen arabische Staaten wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nun einerseits Sicherheit, indem sie massiv aufrüsten. Die VAE haben inzwischen eine sehr schlagkräftige Armee, Saudi-Arabien steht in den internationalen Rüstungsstatistiken an achter Stelle, hinter Deutschland.

Zu dieser arabischen Politik gehören auch die Normalisierungsbemühungen gegenüber Israel, die die VAE und Bahrein durch die "Abraham-Accords" eingegangen sind. Israel droht Teheran mit einem Militärschlag gegen das Nuklearprogramm und fordert die Unterstützung des zögerlichen Washington ein. Gleichzeitig suchen die Golfstaaten diplomatische Lösungen im Umgang mit Iran. Dazu gehört nun die von China vermittelte "Versöhnung" zwischen Saudis und Iranern.

Ob die angekündigte Normalisierung zu einem wirklichen Ende des Jemen-Kriegs führen wird, ist ebenfalls offen. Die Saudis sind den von Iran ausgerüsteten Huthi-Rebellen in all diesen Jahren trotz ihrer modern bewaffneten Streitkräfte nicht Herr geworden, um den von ihnen gemeinsam mit den VAE begonnenen Krieg zu ihren Konditionen zu beenden. Der Krieg dauert seit acht Jahren an, flackert trotz aller Friedensbemühungen immer wieder auf. Es gab bereits 377.000 Opfer. Mehr als 20 Millionen Menschen leben von Nothilfe, denn der Konflikt wird von einer Hungerkatastrophe in dem bitterarmen südarabischen Land flankiert.

Riad betrachtet Jemen als südlichen Hinterhof und wollte die Vorherrschaft der von Iran gestützten Huthi-Miliz nicht dulden. Die Huthis, Anhänger einer schiitischen Splitterreligion, hatten sich nach den Bürgerkriegs-Wirren in der Folge des "Arabischen Frühlings" unerwartet in der Hauptstadt Sanaa festgesetzt. Sie beherrschen aber nur Teile des riesigen Landes.

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