Förderaffäre in Sachsen:"Außergewöhnlich hohes Maß an rechtswidrigem Handeln"

Lesezeit: 2 Min.

Im Sozialministerium von Petra Köpping (SPD) soll es zu schwerwiegenden Mängeln im Umgang mit Fördergeldern gekommen sein. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Petra Köpping soll die sächsische SPD in die Landtagswahl führen. Doch massive Kritik des Rechnungshofes an der Vergabe von Fördermitteln in ihrem Ministerium bringt sie in die Bredouille.

Von Iris Mayer, Leipzig

Dass Erfolg und Niederlage in der Politik eng beieinander liegen, muss Petra Köpping niemand erklären. Vor zwei Wochen wählten sie Sachsens Sozialdemokraten mit 97 Prozent zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im kommenden Jahr. SPD-Bundeschef Lars Klingbeil lobte die 65-Jährige als richtige Wahl, weil sie mit Zuversicht und Optimismus zwei Eigenschaften verkörpere, die für die SPD entscheidend seien. Und Köpping verkündete ihren Genossen: "In der jetzigen krisengebeutelten Zeit wollen die Menschen Vertrauen und Verlässlichkeit."

An diesem Donnerstag bescheinigte Sachsens Landesrechnungshof Köppings Sozialministerium in einem Sonderbericht auf mehr als 200 Seiten über Jahre schwerwiegende Mängel bei der Vergabe von Fördermitteln im Bereich Integration. Die Prüfer fanden ein System vor, "welches insgesamt keinem rechtsstaatlichen Verwaltungshandeln entsprach".

Das Richtige getan - nur nicht richtig?

Rechnungshofdirektor Gerold Böhmer sprach von einem "außergewöhnlich hohen Maß an rechtswidrigem Verwaltungshandeln", im Bericht werden intransparente Auswahlverfahren, erhebliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Interessenkollisionen und Befangenheitstatbestände beklagt. Anders gesagt: das Gegenteil von Vertrauen und Verlässlichkeit.

Schon im Sommer waren Vorwürfe aus einem Zwischenbericht für die Jahre 2015 bis 2019 publik geworden. Der Rechnungshof fand "korruptionsgefährdete Strukturen" im Ministerium und machte eine Reihe fragwürdiger Förderprojekte aus. Die Bild-Zeitung stürzte sich auf Gay-Sauna-Besuche für schwule Flüchtlinge, zwischenzeitlich schien auch Köppings Spitzenkandidatur gefährdet. Dabei dachten sie in der SPD, dass es nach den 7,7 Prozent bei der Landtagswahl 2019 eigentlich nicht mehr schlimmer kommen kann.

Köpping musste im Landtag Fehler einräumen, gelobte Besserung und feuerte einen Staatssekretär. Der soll Fördermittel entgegen einer ausdrücklichen Weisung an einen Verein vergeben haben, in dem seine Lebensgefährtin engagiert war. Den Vorwurf der Vetternwirtschaft hat Köpping stets zurückgewiesen, die fehlerhafte Vergabe führte sie auf den großen Zeitdruck in der Flüchtlingskrise zurück. Die Polemik der AfD, die in Köppings Ministerium "Clanstrukturen" witterte, konterte sie im Landtag mit den Worten: "Wir haben das Richtige getan. Aber wir haben es nicht immer richtig getan."

"Geld ausgeben ist weder ein Ziel noch ein Erfolg."

Auch am Donnerstag versuchte sich Köpping in der Flucht nach vorn. "Dass die Mängel im Fördervollzug das gesamte Verfahren angreifbar gemacht haben, bedauere ich sehr", ließ sie in einer Erklärung mitteilen. "Wir haben die Prüfung des Rechnungshofes sehr ernst genommen und in den letzten Monaten alles getan, um schnell und umfassend die nötigen Konsequenzen zu ziehen - inhaltlich, organisatorisch und auch personell." Dabei verwies das Ministerium noch einmal auf die schwierige Lage in der Flüchtlingskrise 2015/16, wo binnen Wochen Zehntausende Geflüchtete untergebracht werden mussten. Köpping war damals Integrationsministerin.

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Die Förderrichtlinie für den beanstandeten Bereich der integrativen Maßnahmen hat das Ministerium inzwischen überarbeitet, für die Bewilligung ist nun allein die Sächsische Aufbaubank zuständig. Dies begrüßte zwar auch der Rechnungshof am Donnerstag, allerdings nicht ohne seine fundamentale Kritik zu erneuern.

Dessen Direktor Böhmer sagte, die Prüfer hätten den Eindruck gewonnen, es sei bei der Vergabe von Geldern durch das Sozialministerium eher darum gegangen, wer die Mittel bekommt, statt um die Frage, für welches Ziel sie eingesetzt werden sollten. Doch: "Geld ausgeben ist weder ein Ziel noch ein Erfolg."

Die AfD-Fraktion warf Köpping vor, sie stecke "bis zu den Schultern im Korruptionssumpf". Rechnungshofpräsident Jens Michel machte allerdings klar, dass man keine Hinweise darauf gefunden habe, dass Köpping persönlich zu rechtswidrigem Verhalten aufgefordert habe. Kritik, der Rechnungshof befördere Misstrauen in die Politik, wies Michel zurück: "Die Bürger müssen darauf vertrauen können, dass die Einhaltung von Regeln kontrolliert wird."

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