Sachsen:Kretschmer fordert "harten Wellenbrecher"

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"Harter Wellenbrecher": Die bisherigen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung in seinem Bundesland reichen nach Einschätzung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht aus. (Foto: Robert Michael/dpa)

Sachsen plant neue Corona-Beschränkungen, der Regierungschef will aber zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden. Offen ist, ob er noch einmal zu einer nächtlichen Ausgangssperre greift.

Von Antonie Rietzschel, Dresden

Michael Kretschmer hat traurige Routine darin, die Dramatik der Corona-Pandemie im Freistaat Sachsen zu erklären. Als er am Mittwochabend bei Youtube zu einer "Stunde der Wahrheit" einlädt, überlässt er es Wissenschaftlern und Ärzten, Inzidenzkurven zu erläutern, die Unvernunft Ungeimpfter zu kommentieren - und schärfere Maßnahmen zu fordern: zum Beispiel Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, der eindringlich zum Umsteuern aufruft.

Es war eine eindrückliche Runde. Und es schien, als habe Kretschmer die Sachsen auf die Schlagzeile vorbereiten wollen, mit der am Donnerstagmorgen eine Lokalzeitung aufmachte: "Neue Lockdown-Pläne in Sachsen: Kretschmer will Schließungen für alle." In einer Sitzung des CDU-Fraktionsvorstands soll der Ministerpräsident Verschärfungen angekündigt haben, die Geimpfte und Ungeimpfte gleichermaßen treffen würden: die Schließung von Bars und Diskotheken, das Verbot von Großveranstaltungen.

Dass die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichen, davon sind auch die Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne überzeugt. Dennoch war besonders die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Franziska Schubert, ziemlich geladen: "Die Politik hat ein Versprechen gegeben: Mit der Impfung wird wieder mehr möglich sein. Und das Versprechen sollte gehalten werden", sagte sie vor der Sitzung des Sächsischen Landtages. Als der Ministerpräsident dann im Plenum vor die Abgeordneten trat, sprach er das Wort Lockdown nicht aus, redete lieber von einem "harten Wellenbrecher" für zwei bis drei Wochen. In seiner Rede gab er Schubert aber ausdrücklich recht. Es müssten Unterschiede gemacht werden, zwischen Geimpften und Ungeimpften.

Die Inzidenz bei Letzteren liegt in Sachsen bei über 1700. Die Krankenhäuser haben längst die Überlastungsstufe erreicht, 90 Prozent der mit Covid-19 infizierten Patienten auf den Intensivstationen sind nicht gegen das Virus immunisiert. Vor zwei Wochen hatte Sachsen eine verpflichtende 2-G-Regelung für Restaurants und Veranstaltungen eingeführt, um den Druck auf die Ungeimpften zu erhöhen. Einige Wirte setzen die Regelungen nur ungenügend um oder schließen Gaststätten einfach ganz. Immer wieder gibt es Klagen, Polizei und Ordnungsamt würden nicht ausreichend kontrollieren. Vor mobilen Impfstationen bilden sich zwar lange Schlangen, doch die meisten kommen zur Auffrischung. Die Impfquote liegt immer noch bei 57 Prozent, der niedrigste Wert in Deutschland.

Die Hoffnung, dass sie sich erhöht, haben viele in der Koalition aufgegeben - damit bleibt kaum Spielraum, um die Zahl der Infektionen zu verringern. Das SPD-geführte Sozialministerium arbeitet gerade Konzepte aus, über die das Kabinett am Freitag beraten will. Einige Eckpunkte sind bereits bekannt, etwa die Ausweitung der 2-G-Regel im Einzelhandel oder die Einführung von 3G am Arbeitsplatz. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass es tatsächlich Pläne gibt, Veranstaltungen komplett abzusagen. Außerdem sind abendliche Ausgangsbeschränkungen im Gespräch. Ob auch für Geimpfte, wird Gegenstand heftiger Diskussionen sein.

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