Corona:Schwarze in der Zwickmühle

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Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wie sich die Union in der Pandemie-Politik selbst in eine Notlage manövriert und nur mühsam wieder herausgefunden hat.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die Union gibt in diesen Tagen ohnehin kein gutes Bild ab. Die CDU weiß noch nicht, wer sie künftig führen wird. Die meisten Abgeordneten müssen erst lernen, wie Opposition funktioniert. Und der christdemokratische Teil der Bundesregierung erlebt, dass er zwar noch geschäftsführend im Amt ist, aber im Parlament keinen Rückhalt mehr hat. Das alles ist für die CDU schon schlimm genug. Aber jetzt hat sich die Union auch noch beim wichtigsten Thema der vergangenen Jahrzehnte in eine Zwickmühle manövriert: bei der Bekämpfung der Pandemie.

Die Unionsfraktion hält die von den künftigen Ampel-Koalitionären beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz für unzureichend - ihr wäre es lieber, die epidemische Lage von nationaler Tragweite würde nicht am 25. November auslaufen, sondern verlängert werden. Deshalb stimmten die Abgeordneten von CDU und CSU am Donnerstag gegen das Infektionsschutzgesetz. Und deshalb ließ Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst im ZDF-Morgenmagazin demonstrativ offen, ob die CDU-geführten Bundesländer an diesem Freitag das Ampel-Gesetz im Bundesrat billigen werden.

Dieses Verhalten der Union wäre glaubwürdiger, wenn sie nicht nur im Bundestag einen schärferen Anti-Corona-Kurs verlangen würde, sondern auch in den von ihr regierten Bundesländern rechtzeitig schärfere Maßnahmen durchgesetzt hätte. Das Verhalten von Hendrik Wüst ist aber auch taktisch unklug. Denn die CDU-geführten Länder werden es sich gar nicht erlauben können, im Bundesrat gegen das geänderte Infektionsschutzgesetz zu stimmen.

Im Bundesrat ist die Union noch eine Macht

Denn im Bundesrat ist die Union noch eine Macht, ohne Stimmen aus von ihr regierten Bundesländern gibt es dort keine Mehrheit. Wenn das neue Infektionsschutzgesetz scheitert, gibt es aber überhaupt keine geeignete Regelung zur Bekämpfung der Pandemie mehr. Denn die bisherige rechtliche Grundlage, die epidemische Notlage, läuft am 25. November automatisch aus. Die Union müsste sich dann also des Vorwurfs erwehren, Bund und Ländern den Instrumentenkasten zur Bekämpfung der Pandemie weggenommen zu haben.

Normalerweise kommt es in derartigen Situationen zu einem Kompromiss. Aber in diesem Fall kann der Gesetzestext schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr geändert werden. Selbst wenn die Bundesregierung oder der Bundestag unmittelbar nach einer Ablehnung des Gesetzes durch den Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen würde, könnte dieser wegen der geltenden Fristen erst am 25. November zusammenkommen. Bisher hat sich der Ausschuss noch nicht einmal konstituiert. Und selbst wenn sich der Vermittlungsausschuss am 25. November auf einen Kompromiss verständigen sollte, wäre der Weg noch nicht zu Ende. Das geänderte Gesetz müsste dann noch einmal durch den Bundestag und den Bundesrat. All das ist vor dem Auslaufen der epidemischen Notlage nicht zu schaffen.

Am Donnerstagabend zeichnete sich deshalb, dass die unionsregierten Länder das Ampel-Gesetz im Bundesrat trotz ihrer Zweifel durchwinken werden. Wüst sagte in der Pressekonferenz nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, Olaf Scholz habe zugesagt, dass es am 9. Dezember ein weiteres derartiges Treffen geben solle, bei dem überprüft werde, ob die jetzt vorgesehenen Maßnahmen ausreichen. Am 9. Dezember wird der Sozialdemokrat vermutlich schon Bundeskanzler sein.

Er werde "im Lichte der Ergebnisse" dieses Donnerstags nun die Abstimmung in seiner Landesregierung suchen und dabei sicher "eine gemeinsame Linie finden", sagte Wüst. Konkreter wollte er in der Pressekonferenz nicht werden. Noch später am Abend teilte er aber mit, dass Nordrhein-Westfalen das Infektionsschutzgesetz nun billigen werde.

Auch die Ministerpräsidenten von Bayern und Schleswig-Holstein, Markus Söder und Daniel Günther, kündigten am Abend an, dass sie dem nur wenige Stunden zuvor von der Unionsfraktion vehement abgelehnten Gesetz jetzt zustimmen wollten. Und so dürften sich an diesem Freitag genügend unionsregierte Länder finden, die dem Ampel-Gesetz doch noch zur nötigen Mehrheit verhelfen.

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