Sachsen:Generationswechsel im Erbhof

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Sachsens CDU-Generalsekretär Kretschmer soll Tillich als Ministerpräsident beerben. (Foto: Arno Burgi/dpa)
  • Michael Kretschmer ist 42 Jahre alt, er wäre nach seiner Wahl der jüngste Ministerpräsident Deutschlands.
  • Wegen seiner Erfahrung und seiner politischen Herkunft wäre auch Bundesinnenminister de Maizière für die Nachfolge Tillichs in Frage gekommen.
  • Aber auch Kretschmer ist kein Novize, er ist bereits seit 2005 Generalsekretär der Landes-CDU.

Von Cornelius Pollmer, Dresden, und Robert Roßmann, Berlin, Berlin/Dresden

Noch am Wochenende hatte es so ausgesehen, als versuche die sächsische CDU auch ihre gegenwärtige Krise in gewohnter Weise zu bewältigen: mit sehr ruhiger Hand und einem mindestens merkwürdigen Machtanspruch. Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte die zehn sächsischen Landräte, allesamt Mitglieder der CDU, am Samstag zu einer Aussprache geladen, nicht etwa in die Parteizentrale, sondern in die Staatskanzlei.

Dass der Druck aus der eigenen Partei auf Tillich nach deutlichen Verlusten bei der Bundestagswahl enorm war, wurde bei diesem Treffen einmal mehr deutlich. Hingegen deutete sich dabei bestenfalls an, in welcher Weise Tillich auf diesen Druck reagieren würde: Obwohl es bei dem Treffen auch um eine bessere Finanzversorgung der Kommunen ging, saß nicht etwa der zuständige Minister Georg Unland mit am Tisch, sondern Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, der Tillich nun als Ministerpräsident beerben soll.

Das Wort vom "Erbhof" war denn am Mittwoch auch schnell in der Welt, als Tillich Kretschmer vorgeschlagen hatte. Wegen seiner Erfahrung und seiner politischen Herkunft wäre auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für die Nachfolge in Frage gekommen. Der frühere Landeschef Kurt Biedenkopf hatte ihn erst vor zwei Wochen in einem Interview mit der Zeit für das Amt empfohlen.

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De Maizière war in Sachsen Chef der Staatskanzlei sowie Finanz-, Innen- und Justizminister. Im Bundestag sitzt er als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Meißen. Er hat aber dem Vernehmen nach Freude an der Bundespolitik und sieht dort trotz der Konkurrenz mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) um das Amt des Bundesinnenministers noch eine Perspektive für sich.

Kretschmer hatte auf einen Listenplatz verzichtet

Außerdem hatte nicht nur die Sachsen-CDU insgesamt, sondern auch de Maizière persönlich bei der Bundestagswahl verloren. In seinem Wahlkreis büßte die CDU 19 Prozentpunkte ein, die AfD gewann mehr als 25. Nur wegen eines besseren Erststimmenergebnisses konnte de Maizière sein Mandat noch einmal direkt gewinnen. Dabei hätte er mit seinem konservativen Profil und seiner Funktion als Innenminister wie kaum ein anderer in der Lage sein müssen, die Rechtspopulisten einzudämmen. Zudem wünschte sich die Spitze der Sachsen-CDU jetzt einen klaren Generationswechsel. De Maizière ist 63 und damit sogar fünf Jahre älter als Tillich. Michael Kretschmer ist 42 Jahre alt, er wäre nach seiner Wahl der jüngste Ministerpräsident Deutschlands.

Über Kretschmer sagte Tillich am Mittwoch, er sei trotz dieses jungen Alters erfahren. Das lässt sich schon in seinen bloßen biografischen Daten lesen: Seit 2005 ist Kretschmer Generalsekretär der sächsischen CDU, von 2009 an war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bei der Bundestagswahl Ende September hatte Kretschmer auf einen Listenplatz verzichtet, das Direktmandat in seiner Heimat im östlichsten Sachsen ging dann aber an die AfD.

In der Unionsfraktion in Berlin gab es über das Ausscheiden Kretschmers ehrliches Bedauern. Und bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Niederlage zeigte sich Kretschmer nicht etwa wütend oder gebrochen, sondern einfach perplex - und bat um etwas Zeit, sich zu sammeln und sich Gedanken über seine Zukunft zu machen.

Dies hat sich nun erledigt. Welche inhaltlichen Positionen Kretschmer nach einer Wahl zum Ministerpräsidenten vertreten wird, bleibt abzuwarten. In Sachsen ist er vor allem als oft geschickter, etwas drastischer Kommunikator bekannt, dem Mehrheitsfähigkeit zuweilen über Inhalt geht. Bis zum Dezember wird er vor allem die mitregierende SPD für sich gewinnen müssen.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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