Nicht zum ersten Mal hat Lutz Bachmann, der Gründer der Dresdner Pegida-Märsche, sich mit angeblich besonders guten Kontakten in Sicherheitskreise in Szene gesetzt. Es war der 19. Dezember 2016, kurz nach dem tödlichen Anschlag des Tunesiers Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt, da twitterte Bachmann: "Interne Infos aus Berliner Polizeiführung: Täter tunesischer Moslem."
Erst einen Tag später sprach die Polizei offiziell von Amri als Verdächtigem. Und nun wieder? Am Dienstagabend hat Lutz Bachmann den frisch ausgestellten Haftbefehl gegen einen der beiden mutmaßlichen Chemnitzer Messerstecher in sozialen Medien verbreitet, einen 22-jährigen Iraker.

Ausschreitungen in Chemnitz:"Uns fehlt im Osten eine ganze Generation"
Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping kritisiert nach den Ausschreitungen in Chemnitz den geringen Widerstand durch die Zivilgesellschaft. Politiker allein könnten den Kampf gegen Rechtsextremismus nicht führen.
Dessen Tat nahm ein rechter Mob in der Stadt zum Anlass, Menschen zu jagen. Das Dokument trug den Briefkopf des Amtsgerichts Chemnitz, die Unterschrift des Richters, das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft. Was die Frage aufwirft: Wer steckt Bachmann heimlich solche Interna zu?
Klar ist: Das Veröffentlichen eines Haftbefehls ist strafbar
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat am Mittwoch angekündigt, sich auf die Suche nach der undichten Stelle machen zu wollen. Das wird aber schwierig. Der Kreis derer, die infrage kommen, ist groß. Das liegt an dem weiten Weg, den ein Haftbefehl nimmt. Er wird von der Staatsanwaltschaft bei Gericht beantragt, danach kommt er vom Gericht zurück an die Staatsanwaltschaft. Diese gibt ihn weiter an die zuständige Dienststelle der Polizei, hier war dies die Polizeidirektion Chemnitz.
Auch die Justizvollzugsanstalt bekommt eine Ausfertigung, und natürlich auch der betroffene Tatverdächtige über seinen Anwalt oder seine Anwältin. Ein Haftbefehl wird traditionell auf Papier verschickt, er wird nicht als Scan in Datenbanken hinterlegt. Trotzdem wandert er durch viele Hände, dazu zählen auch Gerichtsbedienstete und Sekretärinnen. Und betrachtet man das von Lutz Bachmann geteilte Bild, wird auch klar: Es ist kein Scan. Es ist ein Foto. Ein solcher Schnappschuss mit dem Smartphone ist schnell gemacht.
Weniger schwierig dürfte es allerdings sein, Bachmann strafrechtlich zu belangen. Solange ein Verdächtiger wie der 22-jährige Iraker sich noch nicht vor Gericht verteidigen konnte, soll er in der Öffentlichkeit nicht vorverurteilt werden, deshalb ist das Veröffentlichen eines Haftbefehls strafbar nach Paragraf 353d des Strafgesetzbuchs. Nach dem Amri-Attentat im Jahr 2016 war Bachmann zurückgerudert: "Liebe Presse, ich gebe es zu, ich hatte natürlich nur meine Glaskugel und keinen Informanten!" Das wird ihm diesmal nicht gelingen.