CDU in Sachsen:Abgestraft, aber erleichtert

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  • Dass die CDU in Sachsen stärkste Kraft geworden ist, verdankt sie auch ihrem Ministerpräsidenten Miachel Kretschmer.
  • Mit der Regierungsbildung steht dessen härteste Aufgabe aber noch an.
  • Koalitionen mit AfD und Linken hatte Kretschmer ausgeschlossen. Ein Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen wäre theorethisch möglich.

Von Ulrike Nimz, Dresden

Kurz vor 18 Uhr wird die Luft knapp im Landtagsrestaurant. Die sächsische CDU hat zur Wahlparty ins "Chiaveri" geladen, und drinnen sind die Menschen nasser als all jene, die draußen auf der Terrasse im Nieselregen warten. Seit Stunden grollt der Donner über Dresden, aber den Jubel übertönen, als der Ministerpräsident die Bühne betritt - das schafft das Gewitter dann doch nicht. "Das freundliche Sachsen hat gewonnen", ruft Michael Kretschmer. Und: "Dies ist ein wirklich guter Tag für unser Land."

Lange war nicht klar, ob Sachsens CDU einen Grund zum Feiern haben würde. "Ich traue keinen Umfragen", hatte Kretschmer noch am Freitag gesagt, beim großen Wahlkampfendspurt der sächsischen CDU in Leipzig. In den Reihen der Partei herrschte eine Mischung aus banger Erwartung und Erleichterung. Weil es nun erst einmal ein Ende hatte mit Flyer verteilen und Bier vor dem Mittagessen. Und weil Kretschmers Partei auf den letzten Metern an Boden gut gemacht hat. Auf der Bühne im Nikolaikirchhof spielte eine Band prophetische Popsongs: "Let's stick together" und: "Stand by me".

Der Erfolg der CDU in Sachsen ist auch Kretschmers Erfolg

Sachsens Ministerpräsident wird bleiben. Er hat sein Direktmandat im Heimatwahlkreis Görlitz 2 gewonnen, aber die AfD hat ihr Ergebnis von 2014 fast verdreifacht. Die Zeiten der absoluten Mehrheiten sind schon länger vorbei für Sachsens Union, die der Zweier-Koalitionen wohl auch: Eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linken hat der Ministerpräsident ausgeschlossen; und obwohl Kretschmer der beliebteste Politiker des Landes ist, und das Ergebnis von 32,1 Prozent nach dem Bundestagswahldesaster auch als persönlicher Erfolg gelten muss - die Wähler haben seine Partei abgestraft. Das Hauptproblem nach 29 Jahren CDU-Regentschaft ist ja, dass alle Fehler, die nun ausgebügelt werden sollen, selbst gemacht wurden. Es fehlt an Polizisten, Lehrern, Tarifbindung in Sachsen. Dann sind da noch Pegida, ein Rechtsextremismus, der ins Bürgerliche reicht, und eine Union, die das lange nicht sehen wollte.

Martin Dulig zum Beispiel bekam von Unbekannten eine Spielzeug-Maschinenpistole nach Hause geschickt. Am Tag vor der Wahl stand der sächsische SPD-Chef im Leipziger Clara-Zetkin-Park. "Fünf Minuten Dulig" heißt das Format, in dem er seinen Zuhörern die wichtigsten Wahlkampfziele der Partei erläutert. Eigentlich steht Dulig dabei auf einem roten Podest; es soll an die berühmte Speakers' Corner am Hyde Park erinnern. Aber Leipzig ist nicht London und vor allem: bei 30 Grad im Schatten lieber am See. Nur ein paar Versprengte waren in den Musikpavillon gekommen. Sachsens Wirtschaftsminister sprach trotzdem, als wäre der Biergarten voll: Gemeinschaftsschule, Landesverkehrsgesellschaft, Grundrente. Nur das Podest blieb unbenutzt. Es wäre auch die falsche Symbolik für eine Partei, die nach diesem Wahltag offiziell einstellig ist. Größere Verluste hat nur die Linke eingefahren. Die FDP verpasst wohl den Sprung in den Landtag.

Auch in Sachsen haben Gründe und CDU wenig gemeinsam

Am Ende seiner Rede warb Dulig für eine Kenia-Koalition: "Wir kennen die Umfragen. Gibt es eine Mehrheit für CDU, SPD und Grüne? Oder rutscht dieses Land nach rechts und wird unregierbar?"

Um zu ergründen, wie es in Sachsen nach dieser Wahl weitergehen könnte, wenn es nicht mehr für Schwarz-Rot reichen sollte, hilft ein Blick ins Nachbarland. Bei der Landtagswahl im März 2016 erhielt die AfD in Sachsen-Anhalt aus dem Stand 24,3 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokraten halbierten sich. Ergebnis war Deutschlands erste Kenia-Koalition; ein Zweckbündnis, das eher knirschend regiert. Ob im Kampf gegen den Borkenkäfer, bei Kohleausstieg oder Asylfragen - vor allem CDU und Grüne geraten immer wieder aneinander. Zuletzt stellte die "Denkschrift" zweier CDU-Abgeordneter das Bündnis auf die Probe. Es müsse der Partei gelingen, das "Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen", heißt es in dem Papier. Der CDU-Führung gelang es, den Vorstoß wieder einzufangen. Die Forderung des SPD-Landesvorstandes nach einer deutlicheren Distanzierung wies man per Pressemitteilung zurück. Betreff: "Einfach mal die Klappe halten."

Die Werte-Union richtete eine eigene Wahlparty aus

Auch in Sachsen haben Grüne und CDU wenig gemeinsam. Im Pendler- und Braunkohleland Sachsen setzte Ministerpräsident Kretschmer im Wahlkampf auf demonstrative Distanz, nannte die Grünen "Verbotspartei", verglich sie mit der AfD. Die Grünen warfen der Union im Gegenzug mangelnde Abgrenzung nach rechts vor.

Werner Patzelt, Politikwissenschaftler, Co-Autor des Regierungsprogramms der CDU und Mitglied der konservativen Werte-Union, zählt zu jenen, die glauben, dass ein Kenia-Bündnis auf lange Sicht nicht nur die AfD stärke, sondern auch die eigene Partei zerreißen würde: "Jede Koalition mit den Grünen ist der Todeskuss für die CDU". Nur wenige hundert Meter vom Landtag entfernt, richtete die Werte-Union am Sonntag in Dresden eine eigene Wahlparty aus. Die nächste Herausforderung wartet schon auf Sachsens Union: Sie heißt Regierungsbildung.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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