Russlands Geschäfte:Viel Geld für Moskau

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Öltankschiffe im Schwarzen Meer nahe der Bosporusstraße in Istanbul, Türkei. (Foto: Emrah Gurel/DPA)

Die EU-Sanktionen wirken und werden ausgedehnt. Allerdings gäbe es finnischen Forschern zufolge noch mehr Wege, Russland die Kriegsfinanzierung zu erschweren.

Von Björn Finke und Florian Hassel, Belgrad/Brüssel

Die EU hat die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine am Freitag um ein halbes Jahr bis 31. Juli verlängert. Doch trotz Sanktionen der sieben führenden Industrieländer (G7), der übrigen EU und Australiens verdient Russland weiter Milliarden mit dem Verkauf von Öl, Gas, Kohle und Raffinerieprodukten. Seit dem Angriff am 24. Februar 2022 kassierte Russland dem finnischen Forschungszentrum für Energie und saubere Luft (CREA) zufolge im Ausland 276 Milliarden Euro - mit 136 Milliarden entfiel knapp die Hälfte davon auf EU-Länder.

Sanktionen und Preiseinbrüche kosteten Russland zwar täglich geschätzt 160 Millionen Euro, doch nehme Russland mit Öl und Gas pro Tag noch immer rund 640 Millionen Euro ein, so die finnischen Forscher. Der Kreml bezahlt damit den Krieg gegen die Ukraine: 2023 will Moskau umgerechnet fast 150 Milliarden Euro für Armee, Geheimdienst, Nationalgarde und Polizei ausgeben - knapp ein Drittel der Staatsausgaben.

Russland verdient weniger

Die Forscher sehen Spielraum für weitere Sanktionen, um Moskaus Öl- und Gaseinnahmen um zusätzlich 200 Millionen Euro täglich zu verringern. Bereits seit 5. Dezember gilt in der EU ein Einfuhrverbot für russisches Öl auf dem Seeweg. Russlands Ölexporte per Tanker fielen daher im Dezember um mehr als ein Zehntel, überschlug das US-Institut für strategische internationale Studien (CSIS).

Russlands Produktion ist weitgehend stabil, doch verdient es weniger mit Öl und Gas - wegen zuletzt niedrigerer Energiepreise, die aus Angst vor einer Rezession vor allem beim großen Importeur China sanken. Zudem haben die G7, die EU und Australien einen Preisdeckel für russische Ölexporte in den Rest der Welt beschlossen. Der gilt ebenfalls seit 5. Dezember und liegt bei 60 Dollar pro Barrel Öl (159 Liter). De facto wird Russland sein Rohöl im Moment ohnehin nur zu Preisen los, die deutlich unter dem Deckel liegen. Diese Preisobergrenze senkt die Einnahmen Putins also nicht, sondern soll eher verhindern, dass der Kreml künftig von möglichen Preissteigerungen auf dem Weltmarkt profitiert. Trotzdem bilanziert das CSIS: "Embargo und Preisobergrenze haben ein Kernziel erreicht: tiefe Preisnachlässe für russisches Öl zu institutionalisieren."

Die nächste Stufe der Sanktionen tritt am 5. Februar in Kraft. Dann sind auch russische Lieferungen von raffinierten Produkten wie Diesel in die EU verboten. Zugleich wird der Preisdeckel für Exporte Russlands in den Rest der Welt auf solche Produkte ausgeweitet. Die Höhe des Limits ist noch unklar. Am Freitag diskutierten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten dies in Brüssel. Ein Entwurf der EU-Kommission, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, setzt den Deckel für Diesel bei 100 Dollar je Barrel, für billigere Raffinerie-Produkte wie Motoröl bei 45 Dollar. Derzeit wird Diesel in Europa für 130 Dollar je Barrel gehandelt.

Den Wegfall russischer Diesel-Lieferungen wird die EU ausgleichen müssen, indem mehr von Raffinerien in den Vereinigten Staaten, Nahost, Indien oder China gekauft wird. Die Preise für Verbraucher könnten daher steigen.

Die EU importiert noch Öl durch Pipelines

Trotz Embargos verkaufte der Kreml allerdings auch im Januar weiter Öl in die EU. Das hat mehrere Gründe: So betrifft der Importstopp kein Öl, das via Pipeline oder Bahn kommt, es geht nur um Tankschiffe. Und auch dieses Importverbot für den Seeweg hat Lücken: So darf Bulgarien bis Ende 2024 russisches Öl einführen. Dennoch deckt der Bann fast 90 Prozent der früheren Öl-Exporte Russlands in die EU ab. Dem Schwarzmeerinstitut für strategische Studien zufolge wurde das Embargo seit 5. Dezember aber auch durch Schiffe griechischer Reeder verletzt, die russisches Öl in griechischen Häfen, im spanischen Cartagena oder im italienischen Milazzo entluden. Weitere Schiffe seien unterwegs.

Zudem verkauft Russland Öl und Gas etwa an Indien und China, die Türkei und Südkorea, wenn auch mit Preisnachlässen. Allein im Januar steigt etwa in den russischen Ostseehäfen Primorsk und Ust-Luga die auf 4,7 Millionen Tonnen gefallene Öl-Ausfuhr auf voraussichtlich 7,1 Millionen. Mehr als zwei Drittel gehen nach Indien, "seit einigen Monaten ein Top-Käufer russischen Brennstoffes", berichtet die Agentur Reuters, es fülle das Vakuum durch weggefallene EU-Käufer.

Russland hat sich vorbereitet

Als Hebel für den Preisdeckel bei Öl-Exporten in den Rest der Welt nutzen die G7 und die EU Reeder und Versicherungskonzerne. Demnach dürfen sich westliche Reeder mit ihren Tankschiffen sowie Schiffsversicherer nur dann an dem Transport beteiligen, wenn der russische Rohstoff billig genug verkauft wurde. Doch hat sich Russland vorbereitet. CSIS zufolge kaufte Russland 2022 mehr als 100 Öltanker zu. Und Hunderte andere seien an oft unbekannte Firmen verkauft worden, darunter wohl russische Tarnfirmen. Zudem verließen immer mehr Schiffe russische Häfen ohne Zielangabe. Auch das Umladen auf hoher See nehme zu, um die Herkunft des Öls zu verschleiern.

CREA sieht gleichwohl Möglichkeiten, die Einnahmen des Kreml empfindlich zu verringern. So könnte der Preisdeckel für russische Öl-Exporte von 60 auf 25 bis 35 Dollar pro Barrel gesenkt werden. Der Verkauf von Öltankern solle kontrolliert, Verbote für technisch veraltete Schiffe und solche ohne ausreichende Versicherung sollten beschlossen werden. Weitere Schritte seien Einfuhrverbote per Pipeline in die EU.

Auch das CSIS wertet die Sanktionen gegen Russland positiv. Aber mit der Zeit und wenn die Weltkonjunktur anziehe, "werden Russland, seine Käufer und verschiedene Zwischenhändler wahrscheinlich Wege finden, um die Preisobergrenzen zu unterlaufen".

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