Abgehörtes Bundeswehr-Gespräch:Eine bombige Geschichte

Lesezeit: 2 min

Der russische Sender RT ist für die Propaganda der Regierung sehr wertvoll - in Deutschland ist er inzwischen verboten. (Foto: Sergei Bobylev/imago images/ITAR-TASS)

Die russische Propaganda weiß die abgehörte Videokonferenz zu nutzen. Der Mitschnitt soll herhalten als Beweis für die angebliche Verwicklung Deutschlands in den Krieg in der Ukraine.

Von Frank Nienhuysen

Es war der Tag, an dem Alexej Nawalny beerdigt wurde, als Margarita Simonjan in der Früh die Aufmerksamkeit auf ein ganz anderes Thema lenken wollte. Sie kündigte etwas "äuuuußerst Interessantes" an, das ihr "Kameraden in Uniform" übergeben hätten. Die Leiterin des russischen Staatssenders RT nutzte dazu ihren persönlichen Telegram-Kanal, der allein knapp eine halbe Million Abonnenten hat. Süffisant versprach sie "eine faszinierende Lektüre und Audiodatei, die ich sehr gern veröffentliche". Dann schrieb sie, dass "ranghohe Bundeswehroffiziere erörtern, wie sie die (Achtung!) Krimbrücke bombardieren".

Wer ihr den brisanten Gesprächsmitschnitt der deutschen Luftwaffenoffiziere übergeben hat, teilte sie natürlich nicht mit. Simonjan wendet sich in ihrem Post unter anderem direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz und fragt, ob es "nicht schon jetzt Zeit ist, dass Russland Deutschland aktiv daran erinnert, wie die Sprengungen russischer Brücken für Deutschland beim letzten Mal geendet haben?"

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Am Tonfall der diversen Posts wird deutlich, dass Russland die vermutlich von einem der russischen Geheimdienste abgehörte Gesprächsrunde nur so verstehen und der Öffentlichkeit präsentieren will: als deutsche Bombardierungspläne. Da ist er also nun, aus Sicht der russischen Führung und nach Einschätzung russischer Militäranalysten: der angebliche Beleg dafür, wie stark westliche Nato-Staaten sich am Krieg in der Ukraine beteiligen.

Angriffspläne auf die Krimbrücke? Ideal für die Propaganda

Die Krimbrücke ist für Russland ein besonders sensibler Punkt. Sie ist nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel von Kremlchef Wladimir Putin persönlich eröffnet worden und war so von vornherein ein sehr symbolisches Bauwerk, das die Krim mit dem russischen Festland verbindet. Strategisch verläuft über die Brücke der Nachschub für die russische Invasionsarmee in der Ukraine. Bereits zweimal wurde sie seit Kriegsbeginn durch Explosionen schwer beschädigt. Dass Moskau jetzt vermeintliche deutsche Zerstörungspläne aufgedeckt hat, hilft ihm in seiner ohnehin verschärften Propaganda gegen den Westen, der angeblich Russland schwächen will.

Am Samstagabend veröffentlichte Simonjans Sender RT auf seiner Internetseite einen Artikel, der mit der Position der AfD beginnt. Parteichef Tino Chrupalla wird zitiert, der Berlin auffordert, der Ukraine keine Marschflugkörper Taurus zu übergeben. Das hat Bundeskanzler Scholz aber ohnehin bereits ausgeschlossen, auch noch einmal nach dem abgehörten Gespräch der Bundeswehroffiziere. RT ist ein russisch kontrollierter Staatssender, der nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine in Deutschland verboten wurde. Für die russische Regierung ist er als Propaganda-Instrument sehr wertvoll.

Von einer "auffallenden Selbstentlarvung" sprach Sergej Lawrow

Kaum hatte Simonjan über das mitgeschnittene Telefonat der deutschen Offiziere berichtet, wurde das Gespräch vom russischen Außenministerium kommentiert, obwohl das Bundesverteidigungsministerium seine Echtheit zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bestätigt hatte. "Die jetzige Bundesregierung verweist auf die Erfahrung des Dritten Reiches", schrieb Sprecherin Maria Sacharowa am Freitagmittag auf ihrem Telegram-Kanal. Außenminister Sergej Lawrow bemerkte, "wie gründlich sie sich auf einen Angriff auf die Krimbrücke und auf andere Objekte vorbereiten". Er sprach von einer "auffallenden Selbstentlarvung".

Allerdings ist die Zeit gerade extrem schnelllebig. Am Sonntag wurden über der Krim angeblich 38 Drohnen von der russischen Verteidigung abgeschossen. Die meisten russischen Zeitungen haben dies gemeldet, die Abhöraffäre spielte da schon keine besonders große Rolle mehr.

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