Russland-Amerika-Gipfel:Mit einem Hauch von Eis

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In Moskau muss Obama nicht nur schön reden. Er muss beweisen, dass er hart verhandeln kann - und sendet deshalb vor dem Gipfel vergiftete Liebesgrüße nach Moskau.

Reymer Klüver, Washington

Ist es eine Täuschung? Eine naheliegende Reminiszenz, dem Zielort der Reise geschuldet und dem wichtigsten Thema, das Barack Obama in Moskau erörtern will: der Neuauflage des alten Nuklearraketen-Abkommens mit dem Namen "Start" zwischen den USA und ihrem einstigen weltpolitischen Herausforderer? Jedenfalls wirkte es in der vergangenen Woche auf einmal so, als habe sich ganz von Ferne der Eiseshauch des Kalten Kriegs über den bevorstehenden ersten Besuch des neuen amerikanischen Präsidenten in Russland gelegt.

Moskau bereitet sich auf den Gipfel vor: Für Obama liegt der Moskau-Trip deutlich anders als seine bisherigen Auslandsreisen. (Foto: Foto: Getty)

So schickte Obama per Interview mit der Nachrichtenagentur AP Liebesgrüße an den starken Mann in Moskau, an Premier Wladimir Putin. Der, so gab Obama grantig zu Protokoll, verweile noch "mit einem Bein in den alten Gewohnheiten" und sei nur mit dem anderen in der neuen Zeit angekommen. Auch Michael McFaul, Obamas Mann für Russland im Nationalen Sicherheitsrat, sandte einen Strauß verbaler Unartigkeiten: Bei den Gesprächen werde es keinerlei Handel geben, versicherte er. "Wir werden in keiner Weise unsere sehr engen Beziehungen zu den Demokratien in der Ukraine und in Georgien aufgeben."

Erneuerung der alten Freundschaft

Dabei hatte doch - nicht einmal ein halbes Jahr ist es her - Vizepräsident Joe Biden einen Neuanfang in den unter Präsident George W. Bush zusehends verkorksten Beziehungen zu Russland versprochen. Dem lag eine nüchterne Analyse zugrunde. Die USA sind auf Unterstützung aus Moskau angewiesen: um Iran von der Bombe abzuhalten, um die Truppen in Afghanistan zu versorgen - und das sind nur die drängendsten Probleme. Nun solche Töne? Was ist los?

Für Obama liegt der Moskau-Trip deutlich anders als seine bisherigen Auslandsreisen. In Europa hat er für die Erneuerung der alten Freundschaft geworben. In Kairo hat er die strategische Neuorientierung der US-Außenpolitik gegenüber der islamischen Welt skizziert. In Moskau aber muss er nicht nur schön reden, er muss beweisen, dass er hart verhandeln kann.

Zweifellos, so urteilt der Russland-Kenner Stephen Sestanovich vom Council on Foreign Relations in New York, wolle Obamas Team einen Erfolg bei den Verhandlungen um einen neues Start-Abkommen und einen harmonischen Besuch in Moskau. "Aber sie sind nicht bereit, dafür viele Konzessionen zu machen." Obama werde keine Optionen aufgeben. Er werde die Möglichkeit einer Nato-Erweiterung nicht ausschließen, nicht auf die Raketenabwehr in Polen und Tschechien verzichten.

Leisestes Zeichen von Schwäche

Allerdings werde die US-Seite darauf verweisen, dass bei der Nato-Vergrößerung ohnehin keine Eile bestehe und der Etat für die Raketenabwehr heruntergefahren worden sei. Und Obama wird darauf bestehen, dass Präsident Dmitrij Medwedjew sein Hauptansprechpartner ist. Mehr als acht Stunden sind für die Gespräche mit ihm eingeplant, für das Treffen mit Wladimir Putin lediglich 90 Minuten.

Nicht nur Russland-Experten und Sicherheitspolitiker werden genau beobachten, wie Obama sich schlägt. Vor allem die Republikaner dürften seine Tage in Moskau auf das leiseste Zeichen von Schwäche abklopfen. Zweifellos werden Obamas Berater ihm warnend das Beispiel von John F. Kennedys eingetrichtert haben. Der hatte im Frühjahr 1961, nur wenige Wochen im Amt, beim damaligen Sowjetführer Nikita Chruschtschow während ihres Gipfels in Wien den Eindruck von Unerfahrenheit und Schwäche hinterlassen. Monate später ließ es Chruschtschow zur Kuba-Krise kommen, die die Welt an den Rand eines Atomkrieges führte. Vielleicht wollte Obama mit seinen Äußerungen vor der Reise klar machen, dass er kein Kennedy ist - jedenfalls nicht in dieser Hinsicht.

© SZ vom 6.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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