Russland und Ukraine:Nato-Mitglied Rumänien bekommt den Krieg zu spüren

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Rumänische Armeeangehörige errichten Schutzräume rund um das Dorf Plauru im Donaudelta. (Foto: Rumänisches Verteidigungsministerium/AP)

Der russische Beschuss ukrainischer Häfen im Donaudelta zieht zunehmend auch die rumänische Bevölkerung in Mitleidenschaft. Bukarest beginnt mit dem Bau von Schutzräumen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Am Mittwoch gegen 11.30 Uhr am Vormittag entdeckte eine Hubschrauberbesatzung der rumänischen Luftwaffe in der Nähe von Nufăru im Donaudelta, mehr als 20 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, etwas, das aus der Luft aussieht wie die meterweit verstreuten Reste einer Drohne. Man habe umgehend von der Luftwaffenbasis in Otopeni ein Spezialteam entsandt, um den Fund zu untersuchen, teilte das Verteidigungsministerium in Bukarest daraufhin mit.

Und es verschickte auch gleich noch die Mitteilung, dass die russische Armee in der Nacht zum Mittwoch einmal mehr ukrainische Häfen nahe der rumänischen Grenze beschossen habe. Man habe daraufhin zwischen 0.45 und fünf Uhr morgens die Alarmstufe für die Region erhöht. Das Verteidigungsministerium verurteile "die neue Serie von Angriffen der Russischen Föderation auf die Infrastruktur und die Bevölkerung in den ukrainischen Donauhäfen scharf", hieß es weiter.

Schon zum dritten Mal binnen zwei Wochen werden hier Drohnenteile gefunden

Am Donnerstagabend dann wurde bekannt, dass Rumänien die Beschränkung des Luftraums an der Grenze zur Ukraine ausgeweitet hat - in einer Zone, die bis zu 30 Kilometer ins Landesinnere reicht, dürfen nur noch staatliche Flugzeuge und Rettungshubschrauber fliegen. Nach Kriegsbeginn hatte die Regierung den Luftverkehr entlang der Grenze schon eingeschränkt, allerdings nur acht Kilometer landeinwärts.

Es war der dritte Drohnenfund auf der rumänischen Seite des Donaudeltas allein in den vergangenen zwei Wochen. Mittlerweile kann Bukarest nicht mehr leugnen, dass sich zu einer Bedrohung auswachsen könnte, was man gern verschweigen würde. Es handele sich hier mit Sicherheit nicht um Angriffe der russischen Armee auf Rumänien, betonte Premierminister Marcel Ciolacu eilig. "Beruhigt euch, liebe Leute, es besteht keine Gefahr."

Ende vergangener Woche waren Drohnenreste nahe dem rumänischen Grenzdorf Plauru gefunden worden, doch Bukarest dementierte tagelang. Präsident Klaus Johannis verstieg sich sogar zu der Erklärung, "kein Stück, keine Drohne, kein Teil einer Waffe" sei auf rumänischem Gebiet gelandet.

Der russische Botschafter wurde einbestellt, eine Protestnote versandt

Doch als lokale Medien Fotos der russischen Drohnen posteten und die ukrainische Regierung ebenfalls Beweise dafür veröffentlichte, dass Rumänien indirekt vom Beschuss betroffen sei, machte das Verteidigungsministerium in Bukarest eine Kehrtwende: Ja, wurde nun bestätigt, offenbar seien Drohnenteile gefunden worden. Der russische Botschafter wurde einbestellt, eine Protestnote nach Moskau versandt.

Seit Mitte der Woche lässt die Regierung in der Region rund um Plauru von 50 Soldaten erste Schutzräume aus Betonplatten und Sandsäcken aufbauen und rät der Bevölkerung, sich in diese zurückzuziehen oder aber zu Hause zu bleiben, wenn die russische Armee wieder eine Angriffswelle fliege. Die Bunker würden aber nicht aufgrund einer realen Gefährdung für die Bevölkerung errichtet, hatte Premierminister Ciolacu auf einer Pressekonferenz am Mittwoch betont, "sondern weil sich die Menschen unsicher fühlen".

Kein Wunder. Seit Juli, seit Moskau sich einer Verlängerung des Getreidedeals zur Verschiffung der ukrainischen Ernte durch das Schwarze Meer verweigert, beschießt die russische Armee die ukrainischen Häfen an der Donau in Ismajil und Reni, fast täglich werden Silos in Brand gesteckt, Hafenanlagen zerstört. Denn Kiew sieht sich nun gezwungen, sein Getreide verstärkt auf der Donau zu transportieren.

Wie soll die Nato reagieren?

Die Grenze zum Nato-Mitglied Rumänien verläuft hier streckenweise mitten durch den Fluss. Und Rumänien wird in Mitleidenschaft gezogen. In den grenznahen Dörfern ist der nächtliche Luftalarm aus der kriegsgeplagten Ukraine deutlich zu hören. Gut zu hören sei auch das Surren der Drohnen, die nach ihrem Start über dem Schwarzen Meer noch über rumänisches Territorium fliegen, berichtet der Sender G24Media. Die Reste abgeschossener oder abgestürzter Drohnen, die mit Raketen oder Brandsätzen bestückt sein können, gehen mittlerweile auch südlich der ukrainischen Grenze nieder und verunsichern dort die Bevölkerung.

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Bereits im vergangenen Jahr war an der polnisch-ukrainischen Grenze eine Drohne niedergegangen, allerdings keine mit Sprengstoff bestückte. Eine Rakete, bei deren Einschlag im polnischen Dorf Przewodów zwei Menschen ums Leben kamen, stammte von der ukrainischen Flugabwehr, wie sich später herausstellte. Wie in Polen stellt sich nun in Rumänien, nur noch drängender, die Frage, wie die Allianz auf die Zunahme dieser Vorfälle reagieren soll. Die Gefahr, dass die Nato in den russischen Angriffskrieg hineingezogen wird, steigt nicht zuletzt aus rumänischer Sicht mit jedem Angriff auf die Südwestukraine. Premierminister Ciolacu verbreitet bis auf Weiteres Zuversicht: Alles, sagte er am Mittwoch, sei "unter Kontrolle".

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