Rohstoff-Fund in Afghanistan:Der Schatz im Felsenmeer

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Dass Afghanistan reich an Rohstoffen ist, lässt sich in jedem Standardwerk nachlesen. Doch um sie abzubauen, bräuchte man ein stabiles Land - ein Kriegsgrund für die USA sind sie nicht.

Stefan Kornelius

Kuwait, Kosovo, Kongo, Irak, Afghanistan: Wofür genau ein Krieg geführt wird, ist nicht selten eine Sache der Interpretation. Freiheit, Demokratie, Menschenrechte - das sind hehre Ziele. Die Charta der Vereinten Nationen nennt den besten Grund: Selbstverteidigung gegen einen Aggressor. Aber dann gibt es auch noch Macht, Gier, Kontrollsucht und natürlich Rohstoffe - Öl, Gas, Wasser, Bodenschätze. Die beliebteste Konspirationstheorie gegen die USA funktioniert so: Alle Waffenzüge Amerikas waren nur dem einen Ziel untergeordnet, nämlich die Versorgung des Landes und seiner unersättlichen Industrie mit Rohstoffen zu sichern.

Das beliebteste Vorurteil gegen die USA: Man kämpft nur da, wo es Rohstoffe zu holen gibt. (Foto: ap)

Das ist natürlich Unfug, weil die USA dann nichts im Kosovo zu suchen gehabt hätten, ebenso wenig in Haiti, und weil das Land dann niemals die Kontrolle über den Irak aus der Hand geben dürfte. Nun meldet der geologische Dienst der US-Regierung, dass in Afghanistan Bodenschätze im Wert von einer Billion Dollar schlummerten. Die Nachricht wird all jene elektrisieren, die schon immer hinter der Vertreibung der Taliban wirtschaftliche Interessen vermuteten.

Allein: Die Freunde einer Rohstoff-Konspiration müssen enttäuscht werden. Was die USA als Sensation verkaufen, lässt sich in jedem landeskundlichen Standardwerk zu Afghanistan nachlesen. Selbst der Geheimdienst CIA berichtet in seiner afghanischen Faktensammlung über den Rohstoffreichtum. Warum also jetzt diese Aufregung? Weil das US-Kommando in Kabul gute Nachrichten braucht, um der grassierenden Afghanistan-Müdigkeit entgegenzuwirken. Und weil es tatsächlich neue geologische Erkenntnisse gibt, die in dieser Genauigkeit bisher eben nicht vorlagen. Eine ähnlich sensationelle Entdeckung hat der geologische Dienst der USA übrigens schon im August 2006 veröffentlicht. Auch damals war die Aufregung groß.

Bekannt sind allerdings auch die Gründe, warum Afghanistan von seinem Rohstoffreichtum nicht profitieren kann. Da ist vor allem die Geographie. Der Reichtum ist nur schwer zu erschließen. Afghanistan ist ein steinernes Labyrinth, unzugänglich, harsch, feindselig. Es fehlen Straßen, Werkzeuge, Fachleute, weiterverarbeitende Industrien. Vor allem aber fehlt der Frieden.

Wer Rohstoffe ausbeuten will - ob im Irak oder in Afghanistan - braucht stabile Verhältnisse. Die aber konnten nicht mal die Taliban in ihrer Herrschafts-Zeit garantieren, weshalb die mythenumrankte Pipeline von Turkmenistan ans Arabische Meer auf absehbare Zeit nicht verwirklicht werden kann. Das Gas aus dem kaspischen Becken würde durch Herat und Kandahar in den Osten Pakistans fließen. So viel Geld lässt sich mit der Pipeline gar nicht verdienen, wie es bräuchte, um alle Begehrlichkeiten entlang der Route in den Griff zu bekommen. So ist der Rohstoffreichtum nur ein weiteres Element in der Tragödie Afghanistans. Ein bedeutender Kriegsgrund aber ist er nicht.

© SZ vom 15.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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