Religion:Empörung über Taliban-Auftritt in Kölner Moschee

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Das Minarett einer Moschee wird von der Sonne angestrahlt. (Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild)

Ein Vertreter der afghanischen Taliban tritt in Deutschland auf. Das stößt auf scharfe Kritik. Bundesinnenministerin Faeser fordert Aufklärung. Offen ist, wie der Taliban-Funktionär einreisen konnte.

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Berlin/Köln (dpa) - Nach dem Auftritt eines afghanischen Taliban-Funktionärs in einer Kölner Moschee fordern Politiker Aufklärung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte die Veranstaltung heftig. „Der Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen“, sagte die SPD-Politikerin am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten.“ Das Auswärtige Amt (AA) identifizierte den Mann als Abdul Bari Omar. Er ist Leiter der afghanischen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde.

Weiter sagte Faeser, die Taliban seien für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Taliban-Funktionäre hätten in Deutschland „absolut nichts zu suchen“. Die zuständigen Behörden gingen dem Fall intensiv nach. Vom Dachverband Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), dem die Kölner Moschee angehört, erwarte man „eine vollständige und sehr schnelle Aufklärung, wie es zu dem Auftritt in Köln kommen konnte“.

Die Ditib hatte sich von dem Auftritt in dem Gebetshaus im Stadtteil Chorweiler distanziert. Ein Kulturverein habe die als religiös angekündigte Veranstaltung am Donnerstag organisiert und sich dabei nicht an eine vertragliche Vereinbarung gehalten.

Der Sprecher der islamistischen Taliban, Sabihullah Mudschahid, schrieb am Freitag auf X über die Veranstaltung in Köln, Omar habe in Deutschland bei einem Treffen von Afghanen eine Rede gehalten und auf ihre Fragen geantwortet. „Er sagte den Teilnehmern, dass im Land Sicherheit herrsche, der Wiederaufbau im Gange sei und wir uns alle am Wiederaufbau des Landes beteiligen und unser Kapital für die Entwicklung des Landes verwenden sollten.“

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, nannte es „unerträglich“, dass ein Taliban-Funktionär „in Deutschland einen Vortrag hält und seine unmenschliche Ideologie verbreiten kann“. Es sei „ein weiteres Armutszeugnis“ für die Bundesregierung, dass der Mann habe einreisen können.

Auch die nordrhein-westfälische Staatskanzlei verurteilten den Auftritt des Taliban-Funktionärs. „Dass Mitglieder einer radikalen Organisation wie die Taliban ihre Ideologien ungefiltert auf deutschem Boden verbreiten, ist ein unsäglicher Vorgang“, sagte ein Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zu Einzelheiten zur Einreise aus Afghanistan verwies eine Sprecherin des NRW-Ministeriums an die Bundesbehörden.

Das Bundesinnenministerium hatte nach Angaben eines Sprechers vorab keine Kenntnis von dem Auftritt. Man habe die öffentlichen Äußerungen der Ditib dazu zur Kenntnis genommen und werde dort auf weitere Klärung dringen, sagte er der dpa. „Alles Weitere im Zusammenhang mit dem Auftritt ist Gegenstand laufender Prüfungen.“ Das Auswärtige Amt teilte bereits am Freitag auf der Plattform X mit, die Reise sei dem AA nicht angekündigt worden und dem Mann vor seiner Einreise nach Deutschland kein Visum erteilt worden. Am Samstag schrieb das AA auf X, der Taliban-Vertreter sei „offensichtlich über ein anderes Schengen-Land eingereist“. Sein Auftritt in Deutschland „ist abscheulich und die Behörden gehen dem nach“.

Auf der Plattform kursierten Screenshots eines englischsprachigen Schreibens von afghanisch-deutschen Diaspora-Gruppen, Menschenrechts- und Frauenrechtsaktivisten, das demnach unter anderem an das Bundesinnenministerium und das Bundestagsbüro von Außenministerin Annalena Baerbock verschickt wurde.

Absender ist ein Netzwerk mit dem Namen „European Organisation for Integration“ (EOI) mit Sitz in Berlin und Mitgliedern in verschiedenen europäischen Ländern, das seine Vision mit den Worten „Gleichberechtigtes Zusammenleben in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft“ beschreibt. In dem Schreiben wird davor gewarnt, dass mehrere Taliban-Vertreter im Oktober zu unterschiedlichen Anlässen nach Deutschland kommen wollten. Omar wird nicht namentlich genannt. EOI bestätigte der dpa die Echtheit des Textes, der zuerst am 27. September versandt worden sei. Die Vorsitzende, Patoni Teichmann, warf Innenministerium und Außenamt vor, den Hinweisen nicht engagiert genug nachgegangen zu sein.

Das Auswärtige Amt reagierte auf Vorwürfe im Zusammenhang mit dieser Warnung wie folgt: „Der genannte „Brief“ warnte vor einer von der Zivilgesellschaft geplanten „Dialogveranstaltung“, die das AA weder unterstützt noch gutgeheißen hat und die von den Initiatoren abgesagt wurde. Das war vor dem abscheulichen Kölner Vorfall.“

Die Freien Wähler NRW kritisierten mit Blick auf das Schreiben eine „Untätigkeit der Behörden“. Bei dem Schreiben mit dem allgemein warnenden Charakter hätte es mehr Wachsamkeit geben müssen, sagte der Vorsitzende Freien Wähler Mittelrhein, Thorsten Ilg, am Sonntag.

Auch bei einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO, die vom 6. bis 8. November in Den Haag stattfand, war ein Taliban-Funktionär dabei, bei dem es sich nach niederländischen Medienberichten ebenfalls um Omar handeln soll. Es werde nun untersucht, wie das möglich war, teilte der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers am Samstag über X mit.

Der Minister hatte sich bei der Konferenz auch mit dem Taliban-Vertreter fotografieren lassen. Das Foto war bereits vor rund eineinhalb Wochen über X verbreitet worden, doch in den Niederlanden war es erst jetzt nach dem Wirbel über den Vorfall in Köln bekannt geworden. Kuipers bedauerte das gemeinsame Foto. Er habe nicht gewusst, um wen es sich handelte. „Selbstverständlich will ich auf keinster Weise assoziiert werden mit diesem schrecklichen Regime: Ich stehe hinter den Menschenrechten und besonders Frauenrechten.“

© dpa-infocom, dpa:231118-99-994331/7

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