Regierung - Hannover:Weil kritisiert "Brücken-Lockdown": Hausärzte am Zug

Corona
Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hannover (dpa/lni) - Ministerpräsident Stephan Weil hat dem "Brücken-Lockdown" eine Absage erteilt - trotz stagnierender Inzidenz. "Ein Lockdown ist kein Selbstzweck", sagte der SPD-Politiker am Dienstag. Die Corona-Maßnahmen müssten gut begründet und verhältnismäßig sein. Die Politik dürfe außerdem keine falschen Hoffnungen wecken, dass die Pandemie nach einem weiteren Lockdown endgültig beendet sei. Derweil stehen am Dienstag die Hausärzte in den Startlöchern für die Impfungen und das Land plant die vorsichtige Öffnung von Kommunen. Eine Übersicht über die Entwicklungen:

BRÜCKEN-LOCKDOWN: Ministerpräsident Stephan Weil hat mit Ablehnung auf den von CDU-Chef Armin Laschet vorgeschlagenen "Brücken-Lockdown" reagiert. Er habe "erhebliche Zweifel" an einer solchen Maßnahme, erklärte der SPD-Politiker. Der Vorschlag lasse viele Fragen offen. "Will Ministerpräsident Laschet die Kitas komplett samt Notbetreuung schließen? Will er die Wirtschaft ganz herunterfahren? Wie lange und mit welchem konkreten Ziel sollen die Maßnahmen andauern? Das alles ist ungeklärt", sagte Weil in Richtung seines Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen und kritisierte: "Solche Vorschläge tragen zur Verunsicherung der Menschen bei, helfen uns aber nicht bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens." Und niemand könne ein Interesse daran haben, dass aus Prinzip heraus das gesamte private, wirtschaftliche und öffentliche Leben stillgelegt werde.

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verteidigte den Vorschlag von Laschet gegen Kritik aus der SPD. Wenn andere Alternativen nicht greifen sollten, müsse man "als letzte Notbremse einen wirklich knallharten Lockdown in Betracht ziehen", sagte der CDU-Landesvorsitzende. Einen Widerspruch zu den niedersächsischen Modellprojekten mit Öffnungen von Geschäften, Cafés und Kultureinrichtungen in mehreren Kommunen sehe er darin nicht.

KRANKENHÄUSER: Die Auslastung der Krankenhäuser in Niedersachsen nimmt wieder zu. Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) erklärte, derzeit würden knapp 1100 Covid-19-Patienten stationär behandelt, und etwa jeder vierte von ihnen auf Intensivstationen. "Diese Zahlen sind leicht steigend, aber wir sehen kein exponentielles Wachstum." Hinweise darauf, dass die Krankenhäuser im großen Stil andere Behandlungen verschieben müssen, gebe es bisher nicht, sagte Behrens. Dennoch sei das Virus weiterhin ein "gefährlicher Gegner".

IMPFFORTSCHRITT: Das Warten auf die Impfungen im Land soll im Sommer ein Ende haben. Voraussichtlich Ende Mai werde der Impffortschritt so weit sein, dass die festgelegte Reihenfolge nicht mehr benötigt werde, sagte Behrens. "Dann können wir uns im Grunde zu Beginn des Sommers verabschieden vom Thema Priorisierung." Das Ziel sei es, alle zu impfen, die geimpft werden wollen. Neben den Hausärzten sollten dafür von Mai an auch die Betriebsärzte einbezogen werden.

Anhand der angekündigten Liefermengen könnten in Niedersachsen bis Ende April mehr als 20 Prozent der Menschen die Erst- und rund 7 Prozent die Zweitimpfung erhalten haben. Ende Mai sollen es dann bereits 26 respektive knapp 13 Prozent sein. Das entspräche in etwa einer Verdopplung des aktuellen Impffortschritts in Niedersachsen.

HAUSÄRZTE: Behrens bezeichnete die bevorstehenden Impfungen in Hausarztpraxen als "bescheidenen Anfang". Mangels Impfstoffs gibt es pro Woche zunächst nur 20 bis 50 Dosen pro Praxis. Hausärzte laden ihre impfberechtigten Patienten ab Mittwoch zu Impfungen ein. Die Einbindung der rund 9000 Arztpraxen im Land sei aber auf Dauer ein wichtiger Baustein der Impfkampagne, sagte Behrens. Voraussichtlich würden schon im Mai mehr Menschen beim Arzt geimpft als in den Impfzentren.

INFEKTIONSZAHLEN: Bei der Entwicklung der Infektionszahlen ist nach Einschätzung von Behrens noch keine Entspannung in Sicht. Zwar habe es über Ostern eine Delle mit niedrigeren Zahlen gegeben. Das sei allerdings auch darauf zurückzuführen, dass die Gesundheitsämter und Testlabore an Feiertagen nicht in voller Kapazität gearbeitet hätten. "Insgesamt haben wir noch eine besorgniserregende Situation."

Die landesweite Inzidenz lag am Dienstag bei 97,5. Vor einer Woche lag der Wert noch bei 120,8. Die Inzidenz gibt an, wie viele Ansteckungen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche nachgewiesen wurden gab.

GEIMPFTE: Am Mittwoch werden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Fachminister der Länder darüber beraten, ob vollständig Geimpfte von Testpflichten und weiteren Einschränkungen ausgenommen werden sollen. Derzeit seien für einen solchen Schritt ihrer Meinung nach zwar noch zu wenige Menschen geimpft, sagte Behrens. Die Debatte müsse aber trotzdem geführt werden, um bis zum Sommer eine Lösung zu entwickeln. Voraussetzung für die Erleichterungen sei, dass die Geimpften nicht mehr ansteckend seien und möglichst viele Menschen sich überhaupt impfen lassen könnten. Die Abstands-, Hygiene- und Maskenregeln sollten aber auch für Geimpfte weiter gelten.

ÖFFNUNGEN: Der Cappuccino in der Stadt, der Kinobesuch - die Lockerungen als Modellversuch in niedersächsischen Städten lassen noch auf sich warten. Die vom Land ausgewählten Kommunen peilen frühestens den kommenden Montag an, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Es sei noch viel vorzubereiten. "Jeder kann seinen Start selber definieren", sagte Behrens. "Nur ganz wenige fangen schon in dieser Woche an. Die meisten fangen am 12. April an."

CORONA-REGELN: Die Polizei hat nur vereinzelte Verstöße gegen die Corona-Verordnung während der Osterzeit registriert. Die Menschen hätten sich offensichtlich überwiegend an den Appell gehalten, Kontakte so gering wie möglich zu halten, teilte das Innenministerium mit. Es kam zu etwa 2600 Ordnungswidrigkeitsverfahren, darunter 816 Verstöße gegen die nächtliche Ausgangssperre. Landesweit zählten die Beamten mehr als 4230 Gefährderansprachen und sprachen über 1190 Platzverweise aus - 259 davon wegen der nächtlichen Ausgangssperre.

UMGANG MIT ASTRAZENECA: Wer unter 60 Jahre alt ist und nach der ersten Astrazeneca-Impfung noch auf die zweite Dosis wartet, soll stattdessen bei der Zweitimpfung nun einen anderen Impfstoff erhalten. Das betreffe etwa 180 000 Menschen im Land, sagte Behrens: "Inzwischen ist es wissenschaftlich gesichert, dass das auch zum vollen Schutz führt." Die Termine für diese Zweitimpfungen sollen in Kürze vergeben werden - voraussichtlich für die Zeit vom 4. Mai an.

© dpa-infocom, dpa:210406-99-99503/3

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