Reaktionen auf die Landtagswahlen:Merkel, Steinmeier und die Aggressivität

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Nach den herben Verlusten verteidigt die CDU sich und die Kanzlerin: Ihre Wahlkampfstrategie sei "vollkommen richtig". Doch SPD-Kandidat Steinmeier spürt "Rückenwind".

Stur geradeaus: Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel lehnt Forderungen aus ihrer Partei nach einer Korrektur ihrer Wahlkampfstrategie ab. Im Präsidium hätten die Teilnehmer an diesem Montag übereingestimmt, "dass wir vollkommen richtig liegen", sagte Merkel am Montag in Berlin. "Wir waren uns vollkommen einig." Sie verwies auf das im Juni beschlossene Wahlprogramm von CDU und CSU. Das müsse man nicht jeden Tag ergänzen. Darin enthalten sei auch die Aussage, eine Koalition mit der FDP anzustreben.

Angela Merkel lehnt Forderungen aus der CDU nach einer Korrektur ihrer Wahlkampfstrategie ab. (Foto: Foto: AP)

Auch an ihrem persönlichen Stil will sie nichts ändern. "Ich werde nicht in Lagern denken, sondern um die Menschen werben. Deshalb werde ich auch nicht aggressiver werden, sondern Argumente vorbringen." Zugleich kündigte sie an, als Reaktion auf die Wahlerfolge der Linkspartei das Thema soziale Gerechtigkeit betonen zu wollen. Dies spiele für die Menschen "eine sehr zentrale Rolle". Es gehe um "Zusammenhalt und Miteinander in unserem Land". Deswegen wolle sie beispielsweise dafür sorgen, dass bestimmte Themen wie "exorbitante Boni" für Manager auf der Tagesordnung blieben.

Schlüsselthemen auch im Bundestagswahlkampf seien "Wachstum und Arbeit", sagte die CDU-Chefin weiter. Sie sei überzeugt, dass die Konzepte der Union dafür die richtigen seien.

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff verteidigte die Wahlkampfstrategie der CDU für die Bundestagswahl und sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man aktiver werden kann als Angela Merkel." Er hält das Rennen noch für offen. "Wir müssen die hohen Sympathiewerte der Kanzlerin in Wählerstimmen ummünzen", sagte er. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers glaubt aber "nicht, dass die Leute einen aggressiven Wahlkampf wollen". Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sagte gleichwohl, dieses "Wahlergebnis am Wochenende ist ein Weckruf". CSU-Chef Horst Seehofer appellierte an die Union, mit Vollgas in den Bundestagswahlkampf zu gehen und jetzt "ein klares inhaltliches Profil" zu zeigen.

Der Wahlsonntag habe gezeigt, dass "die Bundestagswahl noch längst nicht gewonnen ist, aber wir eine sehr realistische Chance haben, auf Bundesebene Schwarz-Gelb zustande zu bringen", sagte Seehofer. "Aber das kriegt man nicht so nebenher, dafür muss man schon hart arbeiten."

Die Ministerpräsidenten von Thüringen und dem Saarland, Dieter Althaus und Peter Müller (beide CDU), schlossen aus, dass die Art der Wahlkampfführung der Bundespartei zu ihren Verlusten geführt habe. Mit Gedanken an einen Rücktritt spiele keiner. Althaus sagte zu sueddeutsche.de: "Warum sollte ich an Rücktritt denken? Ich habe die Aufgabe, zu führen."

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Die CDU hat ihre absolute Mehrheit bei den Wahlen in Thüringen verloren, während Linke und SPD zulegen. FDP und Grüne schaffen nach 15 Jahren erstmals wieder den Einzug in den Landtag. Der Wahlabend in Bildern.

Auch die SPD hat Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten im Saarland und in Thüringen angemeldet. "Wir wollen den Ministerpräsidenten stellen", sagte Parteichef Franz Müntefering. Zwar werde seine Partei sich Angeboten der bisherigen CDU-Ministerpräsidenten für Sondierungsgespräche "nicht verweigern", doch Müntefering gab klar eine Präferenz für ein Bündnis mit Grünen und Linken zu erkennen.

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Die Sachsen-CDU hat das erhoffte Signal vor der Bundestagswahl gesetzt. Im Freistaat sind die Weichen für eine schwarz-gelbe Koalition gestellt worden. Die Christdemokraten können weiterregieren und werden sich aller Voraussicht nach die deutlich erstarkte FDP mit ins Boot holen - anstelle des ebenfalls möglichen bisherigen Koalitionspartners SPD.

Zunächst werde die SPD dabei jeweils die Zusammenarbeit mit den Grünen suchen. "Zusammen mit den Linken würde das reichen", fügte Müntefering hinzu. Die SPD werde ohne Heimlichtuerei und "mit aller Ruhe" herangehen. Einen Ministerpräsidenten der Linken, die in Thüringen stärker als die SPD ist, werde seine Partei aber nicht mitwählen.

Mit Blick auf den Bundestagswahlkampf äußerte sich Müntefering "zuversichtlich und entschlossen". Die Landtagswahlen hätten gezeigt, dass sich "in den Wahlkämpfen etwas verändern kann" und zwar bis zuletzt. "Der Bonus von einem Amtsinhaber, die Attitüde, wählt mich, weil ich da bin, reicht nicht", sagte er mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Es gibt die Chance, dass wir gewinnen", unterstrich Müntefering den Anspruch seiner Partei auf das Kanzleramt.

Dabei brachte er erneut die Möglichkeit einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen ins Gespräch, was die FDP aber ablehnt. Eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene schloss Müntefering für die Zeit bis 2013 aus. Als Hindernis dafür nannte er neben unüberbrückbaren Differenzen etwa in der Außenpolitik auch den Parteichef der Linken, den früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach von "Rückenwind" für seine Partei im Bundestagswahlkampf. "Zwei Dinge sind klar: Dramatische Verluste bei der Union, Schwarz-Gelb wird nicht gewollt", sagte Steinmeier der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner betonte, die SPD müsse "noch mal vier Wochen hart arbeiten", um Schwarz-Gelb auf Bundesebene zu verhindern.

Linkspartei-Chef Lothar Bisky hingegen schloss eine mögliche rot-rote Koalition nach der Bundestagswahl am 27. September nicht aus. "Das hängt davon ab, was durchsetzbar ist", sagte Bisky. Nach den Wahlen in drei Bundesländern sieht sie sich gestärkt und auf Augenhöhe mit der SPD.

"Wir sind bereit, in Thüringen zu regieren", sagte Bisky. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie lieber unter die Fittiche von Ministerpräsident Althaus schlüpfe oder mit der Linken regieren wolle. Aber wer denke, die Linke krieche zu Kreuze, weil die SPD ankomme, der irre sich.

Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete das Abschneiden der Grünen bei den Landtagswahlen als großen Schritt nach vorn. "Das gibt uns richtig Rückenwind für die Bundestagswahl", sagte sie. Die Union habe eine schallende Ohrfeige erhalten. Das zweite wichtige Signal vom Sonntag sei daher: "Die CDU muss raus aus ihrem Schlafwagen und die Tarnkappe runternehmen." Jetzt gehe es um Inhalte.

Die FDP hat nach der Wahlschlappe der Union im Bund eine deutliche Positionierung verlangt. Die Ergebnisse hätten gezeigt, "Klarheit muss sein", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Die FDP habe hingegen ein "ganz tolles Wahlergebnis" erzielt. Er betonte, wenn es in Sachsen zu einer schwarz-gelben Koalition komme, "werden 60 Millionen Menschen inzwischen von Schwarz-Gelb regiert". Dies sei ein Trend.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/bavo/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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