Proteste im Jemen:Tage der Wut

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Vom Sturz der tunesischen Diktatur inspiriert gehen auch die Menschen im Jemen gegen ihre Regierung auf die Straße. Präsident Ali Abdullah Salih hatte versucht, sich für unbeschränkte Zeit zum Staatsoberhaupt zu erklären.

Rudolph Chimelli

Die Aufforderung war eindeutig. "Ben Ali ging nach 20 Jahren", riefen Demonstranten am Donnerstag in den Straßen der Hauptstadt Sanaa. "Im Jemen sind 30 Jahre genug." Sie meinten den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih, der seit 32 Jahren das ärmste Land der arabischen Welt regiert, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Probleme immer größer werden.

Tunesien, Ägypten und nun auch im Jemen: Mehrere zehntausend Demonstranten forderten den Rücktritt ihrer Regierung. (Foto: REUTERS)

Die Zahl der Demonstranten wurde auf mehrere zehntausend geschätzt; sie forderten den Rücktritt des Regimes, demokratische Reformen, ein Ende der Korruption und endlich freie Wahlen. Ihre friedlichen Kundgebungen fanden vor der Universität und an drei anderen Stellen Sanaas statt. Aber auch Salihs regierender "Allgemeiner Volkskongress" konnte für eine Gegenkundgebung mehrere tausend Sympathisanten mobilisieren.

Die vom Sturz der tunesischen Diktatur inspirierte Bewegung hatte am Dienstag Schubkraft bekommen, als die im Bündnis "Treffen Vereinigter Parteien" (JMP) zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen sich an die Spitze stellten. "Die Zeit ist reif für einen massiven Protest gegen das bestechliche und unterdrückerische Regime", sagte Abdul Malik al Mutawakil, einer der JMP-Sprecher. Die Oppositionsparteien müssten jetzt die Führung der Volksbewegung übernehmen.

Mit der Polizei stießen die Demonstranten in Sanaa bislang nicht zusammen. "Jemen ist nicht Tunesien", sagte Innenminister Motahar Raschad al-Masri, "sondern eine Demokratie." Dem Sender al-Dschasira erklärte der Minister, die Ordnungskräfte würden sich zurückhalten, einerlei wie groß die Demonstrationen seien - solange diese gewaltlos blieben.

Auslöser der Proteste war eine von der Regierungspartei im Parlament eingebrachte Verfassungsänderung, die die bisherige Beschränkung auf zwei Amtsperioden für den Präsidenten aufheben soll und ihm die Möglichkeit geben würde, sich für unbeschränkte Zeit zum Staatsoberhaupt zu erklären. Salih wird auch nachgesagt, er wolle die Macht an seinen ältesten Sohn Ahmed weitergeben, der die Eliteformationen der Präsidentengarde befehligt.

Beides hatte Salih bereits am Sonntag in einer Fernsehansprache dementiert und als "grobe Verleumdung" der Opposition bezeichnet. Er werde gehen, wenn seine gegenwärtige Amtszeit im Jahre 2013 ablaufe. Auch eine Erbfolge werde es nicht geben. Diese Zusicherung war nicht Salihs einzige Konzession. In dieser Woche versprach er, die Bezüge von Soldaten und Beamten zu erhöhen.

Gemessen am Sozialprodukt hat der Jemen eines der höchsten Militärbudgets der Welt. Doch die Soldaten, auf deren Loyalität das Regime nicht verzichten kann, sind niedrig bezahlt und schlecht ausgerüstet. Ihr Sold werde um umgerechnet etwa 17Euro angehoben, hieß es - eine für den Jemen ansehnliche Summe.

Die Sicherheitslage im Jemen ist seit vielen Jahren schlecht. Jüngster Zwischenfall war am Dienstag der Überfall auf einen Geldtransport der Post in Hadramaut im Süden des Landes. Dabei erschossen die Angreifer fünf Sicherheitsleute und entkamen mit umgerechnet mehr als 30.000 Euro. Kurz zuvor waren gleichfalls im Süden vier bewaffnete Begleiter eines Geldtransportes der Elektrizitätswerke erschossen worden. Solche Angriffe werden gewöhnlich dem Terrornetzwerk al-Qaida angelastet, das damit seine Untergrundarbeit finanziert.

© SZ vom 28.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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