Zumindest ein Demonstrant hat es einigermaßen in die Nähe der Messehalle geschafft an diesem Vormittag, vielleicht weil die Polizisten nicht genau wussten, in welches Lager sie diese Figur einzuordnen haben. In einer schwarzen Burka samt Ku-Klux-Klan-mäßigem Spitzhut steht der Mann vor der äußeren der beiden Gittersperren, in Brusthöhe trägt er zwei Puscheln. Er hüpft und ruft, ganz allein: Ich bin die AfD! In der Hand ein Pappkreuz, darauf geschrieben: Stoppt Burka-Islam! Man darf es wohl unter Satire einordnen.
Weiter ran an "seine" AfD darf aber auch der lustige Kuttenträger nicht, ihm fehlt wohl das Einladungsschreiben zum hier stattfindenden Parteitag. Und das Hausrecht wird radikal durchgesetzt: Die Polizei hat an diesem Samstag die Stuttgarter Messehalle nahe des Flughafens abgeriegelt. Im Parkhaus kontrollieren Beamte jedes einzelne Auto, nur Meter um Meter geht es voran. Und draußen, zwischen den Zäunen stehen Polizisten mit Helm und Schlagstöcken. Ein Wasserwerfer ist aufgefahren, drei weitere stehen bereit. Oben kreist ein Hubschrauber.
Ungewöhnlicher Protest: ein Demonstrant in Stuttgart.
(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)AfD-Gegner: "Unser Versammlungsrecht wird mit Füßen getreten"
Das zuständige Polizeipräsidium Reutlingen hat sich zur AfD-Mitgliederversammlung auf eine sogenannte Großlage eingestellt und 1000 Polizisten zusammengezogen. Die Beamten befürchten einen Gewaltausbruch wie bei der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt im Jahr 2015.
Das Aktionsbündnis gegen die AfD wertet das hingegen als Kriminalisierung ihrer Demonstrationen. Entsprechend wütend beschwert sich der Sprecher des Bündnisses, Mario Kleinschmidt, über den abgelegenen Fernbusbahnhof, der ihnen als Demonstrationsplatz zugesprochen worden ist: "Unser Versammlungsrecht wird mit Füßen getreten."
Fest steht: Das Wochenende hat in jeglicher Hinsicht viel Potenzial zur Aufregung: Bei dieser Mitgliederversammlung, die bis Sonntag dauert, will die Partei ihren Einzug in weitere Landesparlamente feiern, etwa in das von Baden-Württemberg. Und vor allem geht es um die Verabschiedung des ersten umfassenden Parteiprogramms - hinter dem das Bild eines starken, bewusst wenig toleranten, bewusst antiislamischen Nationalstaates steht. Nicht zuletzt, weil die Diskussion darum auch von Parteimitgliedern betrieben wird, die offen rechtsextrem sind, ist das alles eine Herausforderung für die etablierten Parteien. Und eine Provokation für linksextreme Antifaschisten.
Wasserwerfer gegen Demonstranten
Auch die sind unter den Demonstranten, versuchen durchzukommen zur Halle und liefern sich frühmorgens am Samstag um sieben Uhr ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Doch zur Halle ist schon da kein Durchkommen. Selbst wenn sie die Polizei austricksen würden: Die Türen werden von einem privaten Sicherheitsdienst kontrolliert. Streng fragen die schwarz gekleideten Männer noch einmal nach Ausweis und Einladung. Ihr Akzent verrät: Sie haben sicherlich ausländische Wurzeln. Es ist kurios: Die Partei, die sich so deutlich gegen Migration und Zuwanderung stellt, lässt sich offenbar von Migranten beschützen.
Angesichts der Sperren verlegen sich einige der Protestierer - die Polizei spricht von 800 bis 900 Gewaltbereiten - ebenfalls auf die Blockade: auf dass die AfD-Anhänger nicht zu ihrer Versammlung kommen. Einige Demonstranten hätten am Morgen die Bundesstraße 27 mit brennenden Autoreifen für eine halbe Stunde blockiert, berichtet ein Polizeisprecher. Auch auf der Autobahn A8 hätten Demonstranten auf Höhe des Flughafens in Messe-Nähe in beide Fahrtrichtungen zeitweise den Verkehr unterbrochen. Angeblich hätten manche Eisenstangen und Holzlatten mitgebracht. Über Lautsprecherdurchsagen sei den teils vermummten Demonstranten schließlich der Einsatz von Wasserwerfern angekündigt worden, einer sei schließlich eingesetzt worden.