Anita Hill:Vorkämpferin der #Metoo-Bewegung

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Hill ist Juristin und Professorin an der renommierten Brandeis University. (Foto: AP)

Als ihr Ex-Chef 1991 als US-Bundesrichter nominiert wurde, sagte Anita Hill, dass dieser sie jahrelang sexuell belästigt habe - und fand wenig Gehör. Jetzt leitet sie eine Kommission, die Frauen in Hollywood schützen soll.

Von Hubert Wetzel, Washington

Anita Hill ist eine sehr erfolgreiche Juristin. Sie hat in Yale studiert, für große Anwaltsfirmen und das US-Bildungsministerium gearbeitet und an namhaften Universitäten gelehrt. Seit 20 Jahren ist sie Professorin an der höchst vornehmen Brandeis University. Das war ein steiler Weg für die jüngste Tochter einer schwarzen Bauernfamilie aus dem Ort Lone Tree in Oklahoma, die mit zwölf Geschwistern aufgewachsen ist und deren Urgroßeltern noch Sklaven waren.

Vor einigen Tagen hat Anita Hill eine zusätzliche Aufgabe übernommen. Die 61-Jährige leitet ein neues Gremium, mit dem die Unterhaltungsindustrie zeigen will, dass sie es jetzt endlich ernst meint mit dem Kampf gegen sexuelle Belästigung. Um dem ruf- und geschäftsschädigenden Weinstein-Spacey-Sumpf zu entkommen, haben einige Hollywood-Größen die "Kommission zu sexueller Belästigung und zur Verbesserung der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz" gegründet. Für den Vorsitz haben sie eine Frau ausgesucht, die weiß, worum es geht.

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Wenn Amerikaner heute den Namen Anita Hill hören, denken sie sofort an einen zweiten Namen - an einen Mann: Clarence Thomas. Der republikanische Jurist hatte in den Achtzigerjahren in Ministerien und Behörden gearbeitet, bevor er Bundesrichter wurde. 1991 wurde er von Präsident George H. W. Bush für ein Amt am US-Verfassungsgericht nominiert. Thomas schien ein sicherer Kandidat zu sein. Er war zwar ausgesprochen konservativ, was den Demokraten missfiel, die damals im Senat die Mehrheit hatten. Aber Thomas war Afroamerikaner. Das war politisch wichtig, denn er sollte Thurgood Marshall ersetzen, den ersten schwarzen Verfassungsrichter in der amerikanischen Geschichte. Thomas abzulehnen, war für die Demokraten daher schwierig.

Thomas' Bestätigungsanhörungen im Senat waren schon vorbei, da platzte eine Bombe: Eine frühere Mitarbeiterin im Bildungsministerium - eine Frau namens Anita Hill - hatte dem FBI erzählt, dass Thomas sie über Jahre auf übelste Art sexuell belästigt habe. Hill wurde vor den Senat zitiert, und die ganze Nation erfuhr am Fernseher, dass der künftige Verfassungsrichter seiner Assistentin im Büro von Pornofilmen vorgeschwärmt und sein Geschlechtsteil beschrieben habe.

Es folgte eine Schlammschlacht, nach einem Muster, das auch heute noch zuweilen zu sehen ist. Thomas, der mutmaßliche Täter, bestritt alle Vorwürfe kategorisch und stellte sich als Ziel einer bösartigen, linken Verschwörung dar. Hill, das mutmaßliche Opfer, musste sich rechtfertigen, warum sie ihrem übergriffigen Vorgesetzten trotzdem von einem Job zum anderen gefolgt sei. Und warum sie zehn Jahre geschwiegen habe. Hill kämpfte ihren Kampf weitgehend allein, es gab damals noch kein Twitter, keine #MeToo-Empörung. Ein bisschen Hilfe und Solidarität erhielt sie von der Rockband Sonic Youth. "Ich glaube Anita Hill / Der Richter wird in der Hölle verrotten", rotzte die.

Joe Biden hat sich bei Hill entschuldigt

Aber das war 1992 - zu spät. Denn am Ende ließen die Demokraten Hill im Stich. Der damalige Vorsitzende des Justizausschusses, der spätere Vizepräsident Joe Biden, verzichtete darauf, andere Belastungszeuginnen gegen Thomas aussagen zu lassen. Erst vor einigen Wochen hat er sich bei Hill dafür entschuldigt. Richter Thomas wurde im September 1991 vom Senat bestätigt; 41 Republikaner und elf Demokraten stimmten für ihn. Der 69-Jährige sitzt bis heute am Verfassungsgericht. Und er bestreitet bis heute alles, was Hill ihm vorwirft. Zweifelsfrei wurde die Wahrheit nie festgestellt. Aber Journalisten, die den Fall recherchiert haben, sind zu dem Schluss gekommen, dass Thomas sehr wahrscheinlich lügt.

Heute, in der Post-Weinstein-Ära, hätte ein Richterkandidat wie Thomas wohl kaum noch eine Chance. Das ist auch Anita Hill zu verdanken. Sie ist die Vorkämpferin einer sozialen Bewegung, der sie selbst zu weit voraus war, um Gerechtigkeit zu erfahren.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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