Prantls Blick:Ein Dankesbrief an die CSU

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Die CSU ist zwar die Partei, die einst das schöne Bayernland erfunden hat; sie hat aber geglaubt, es sei ausreichend, es einmal, und dann für immer, erfunden zu haben. (Foto: Robert Haas)

Es gibt heute, die Landtagswahl hat es gezeigt, viel Bayern außerhalb der CSU. Die Wähler haben sich emanzipiert, sie sind selbstbewusster als früher. Bayern ist ein modernes und aufgeklärtes Land geworden - dank der CSU.

Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl

Über die CSU ist viel geschimpft worden in den vergangenen Wochen und Monaten. Ich selber war an dieser Kritik mit manchen meiner Leitartikel nicht unbeteiligt - und ich möchte von dieser Kritik auch nichts zurücknehmen. Aber auf einem langen Flug von Singapur nach München, wie ich ihn vor ein paar Tagen absolviert habe, hat man viel Zeit zum Nachdenken. Beim Sinnieren über den Wahlausgang in Bayern und die herben Verluste der CSU (über die SPD-Katastrophe muss ich länger nachdenken als so ein Flug von Singapur nach München dauert) wurde mir klar, dass es mit dem Kritisieren nicht getan ist; es gibt auch Grund zum Danken. Mein Newsletter am ersten Sonntag nach der Landtagswahl ist daher ein Dankesbrief an die CSU.

Das Ende des Rauten-Absolutismus

Es gilt, der CSU "Vergelt's Gott" zu sagen - für eine Politik, die das Land Bayern und seine Menschen so stark gemacht hat, dass man eine so starke CSU wie früher nicht mehr braucht. Die CSU hat mit ihrer Politik dafür gesorgt, dass die Bayern sich von der Partei, die sich Staatspartei nennt, emanzipieren konnten. Der Rauten-Absolutismus ist zu Ende. Das war vielleicht nicht die direkte Absicht der CSU-Politik, das ist aber auch eines ihrer Ergebnisse. Den politischen "Erntedank" haben sich die CSU-Politiker freilich gewiss anders vorgestellt.

Ein Verdienst der CSU

Es wird heute oft gesagt, dass so etwas "unter Strauß" nicht passiert wäre und dass die Seehofers und die Söders nicht einmal im Ansatz die Statur von Strauß hätten. Aber selbst wenn es so wäre, wenn sie also Strauß'sche Statur hätten - das Land hat sich so verändert, dass es einen Strauß und die alte absolutistische CSU nicht mehr ertrüge. Diese Veränderung ist ein Verdienst der CSU; sie hat diese Veränderung über Jahrzehnte hin angetrieben: Bayern wurde ein Zuwanderungsland für qualifizierte Arbeitskräfte und ihre Familien. Die CSU hat Wirtschaft und Verkehr neu gestaltet; die CSU hat Bildung aufs Land gebracht; dies alles oft mit grausamen Fehlern, aber immerhin und letztlich doch. Bayern ist heute ein modernes und aufgeklärtes Land. Das ist ein Erfolg der CSU: Die Leute sind so selbstbewusst geworden, dass sie die CSU heute weniger brauchen als früher. Sie brauchen keinen politischen Christophorus und keinen Gebrechlichkeitspfleger mehr.

Aus der Hegemonialpartei CSU ist eine Normalpartei geworden

Die Bayern, bei denen früher der kraftmeierische Heimatstolz die andere Seite eines latenten Unterlegenheitsgefühls war, sind weltläufiger geworden - auch dank der CSU. Sie leiden nicht mehr an einem heimlichen Minderwertigkeitskomplex, sie müssen ihn also auch nicht durch einen christlich-sozialen Triumphalismus ausgleichen. Aus einer Hegemonialpartei CSU ist daher eine Normalpartei geworden. Die politische Landschaft in Bayern ist vielgestaltiger geworden, die Monochromie, die im Guten wie im Schlechten das Land geprägt hat wie nichts seit den Wittelsbachern, ist mit der Landtagswahl vom vergangenen Sonntag zu Ende gegangen - und damit wohl auch die Kontinuität bei der Elitenbildung, die zwar nicht demokratisch, aber praktisch und lange Zeit erfolgreich war.

Die neue Selbstsicherheit der Bayern ist nolens volens ein Werk der CSU: Die CSU hat, auch wenn sie das so gar nicht unbedingt wollte, dem Land eine neue Aufklärung geschenkt. Sie hat das Bildungsnetz verdichtet, höhere Schulen in den ländlichen Gebieten gebaut und Universitäten in der Provinz, sie hat die Ausbildung der Grund- und Hauptschullehrer akademisiert und die Bildungsreserve mobilisiert. Sie hat aus einem Agrarland ein Hightech-Land gemacht. Der CSU passiert, was Eltern gelegentlich über ihre Kinder sagen: Erst zieht man sie groß, dann werden sie frech. Die Frechheit besteht in diesem Fall nur darin, dass das Wort der CSU nicht mehr so unverrückbar gilt wie einst das Amen in der Kirche. Kluge Eltern wissen, dass das halt so ist. Die CSU muss es noch lernen.

Die CSU hat das früher untrügliche Gespür dafür verloren, was die Leute wollen. Früher war mit dem Zuschuss für ein neues Tanklöschfahrzeug der Feuerwehr die Wahl des Stimmkreiskandidaten schon fast gesichert. So einfach funktioniert es nicht mehr. Die Bayern sind anspruchsvoller geworden - dank der CSU.

Mit Trachtenhut, aber ohne CSU

Daher muss die CSU wieder anspruchsvoller und integrationskräftiger werden. Früher hat sich die CSU das Neue, das ihr noch Fremde, lustvoll einverleibt, Sudetendeutsche und Preußen inklusive. Heute gibt es junge Bayern, die sich ganz selbstverständlich einen Trachtenhut aufsetzen, aber mit der CSU nicht viel am Hut haben. Es gibt auf einmal viel Bayern außerhalb der CSU. Die Tracht ist, das konnte man auf den großen Demonstrationen in München sehen, nicht mehr so eine Art Parteiuniform der CSU. Wenn einer das so sieht, dann zeigt man ihm den Vogel.

Es ist so: Die CSU ist zwar die Partei, die einst das schöne Bayernland erfunden hat; sie hat aber geglaubt, es sei ausreichend, es einmal, und dann für immer, erfunden zu haben. Jetzt erfindet das Land sich neu, ohne dass die CSU dabei überall mit absoluter Mehrheit mitmischt. Die Leute in Bayern sind souverän geworden. Das ist kein Anlass für Häme gegen die CSU, sondern für Dankbarkeit: Vergelt's Gott für alles!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Herbstwoche. Die nächste Wahl steht ja schon vor der Tür. Hessen wählt am kommenden Sonntag den neuen Landtag in Wiesbaden.

Jeden Sonntag beschäftigt sich Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion und Ressortleiter Meinung der SZ, mit einem Thema, das in der kommenden Woche - und manchmal auch darüber hinaus - relevant ist. Hier können Sie "Prantls Blick" auch als wöchentlichen Newsletter bestellen - exklusiv mit seinen persönlichen Leseempfehlungen.

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