Polizei bei der Loveparade:Das Auge des Gesetzes

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Noch ist unklar, warum die Polizei auf der Loveparede nicht beherzter eingegriffen hat. Manche Beamte sagen, sie hätten im Vorfeld warnen können, aber wollten keine "Spielverderber" sein.

B. Dörries, H. Leyendecker und N. Richter

Die Duisburger Polizei hatte die Gefahren erkannt. Sie lägen vor allem darin, dass die Loveparade eine Massenveranstaltung sei: "Die Problemstellung eines gefüllten Veranstaltungsraumes mit möglichen Auswirkungen auf die Zuwege (Unzufriedenheit, Druck auf Einlässe, Be-/Überfüllung von Zuwegen wird als ebenso relevant erachtet wie das zu erwartende Problem des enormen Drucks der abreisenden Besucher auf den Hauptbahnhof Duisburg", heißt es im vertraulichen Einsatzbefehl des Polizeipräsidiums Duisburg vom 20. Juli. Vor allem die schwer schätzbare Besucherzahl machte der Polizei Sorgen.

21 Menschen starben bei der Duisburger Loveparade. Die Polizei steht mit ihren Ermittlungen noch am Anfang. Deutlich ist bereits, dass das Sicherheitskonzept mangelhaft war. (Foto: dpa)

Die Stadt habe zwar geplant, diese auf 250.000 Besucher zu beschränken. Nach der Erfahrung bei früheren Loveparades aber könne die Veranstaltung wesentlich mehr Gäste anziehen als vom Veranstalter dargestellt. Da könne es passieren, "dass die Besucher wegen einer befüllten Veranstaltungsfläche nicht unmittelbar, gegebenenfalls sogar gar nicht in den eigentlichen Veranstaltungsraum gelangen. Dies wird nicht nur zu emotionalen Reaktionen der Besucher, sondern auch zu Problemen in der Umsetzung des Wegekonzepts führen".

Nach der Katastrophe hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger den Einsatz seiner Polizeibeamten bei der Loveparade verteidigt. Er wies darauf hin, dass auf dem Partygelände, wo 21 Menschen erdrückt wurden, "ausschließlich der Veranstalter" für die Sicherheit der Besucher verantwortlich gewesen sei, also dessen private Sicherheitskräfte.

Was Jäger sagt, entspricht der Gesetzeslage und den Vereinbarungen, die vor Beginn der Loveparade getroffen wurden. Allein: Die Polizei und ihr Minister haben sich damit auf eine sehr bequeme Position zurückgezogen. Offen bleibt die Frage, ob die Polizei am Samstagnachmittag mit der notwendigen Konsequenz reagiert hat, als die Lage eskalierte.

Im Mittelpunkt steht die Rampe, die vom Zugangstunnel auf die eigentliche Partyfläche führte. Am oberen Ende der Rampe, dort also, wo das Fest stattfand, hatte sich am Nachmittag ein Rückstau gebildet. Weil es der Veranstalter nicht schaffte, diesen Stau aufzulösen, bat er die Polizei um 15.30 Uhr um Hilfe. Beide einigten sich, den Zustrom zur Rampe zu unterbrechen. Erstens sollten Polizisten und Ordner die Rampe sperren; zum anderen sollten die Ordner die Eingangsschleusen schließen, also vor den Eingängen des Tunnels dafür sorgen, dass die Menge stehen blieb. Diese Sperrung, die um 15.46 Uhr angeordnet wurde, unterblieb, die Ordner setzten sie nicht um.

Druck in Richtung Rampe

Statt die Schleusen zu schließen, sollen die Ordner Zaunteile entfernt haben, um einen Rettungswagen durchzulassen. Weil sie den Zaun erst nach zehn Minuten, um 16.40 Uhr, wieder schlossen, konnten zahllose Besucher nachströmen. Zeugen sagen, erst dadurch habe sich der Tunnel gefüllt, und der Druck in Richtung Rampe habe sich massiv verstärkt. Wenig später starben erste Besucher.

Unklar ist, warum die Polizei zwischen 15.46 und 16.40 Uhr nicht entschiedener dafür sorgte, dass der Menschenstrom unterbrochen wurde. Das Innenministerium erklärte, die Beamten hätten an beiden Enden des Tunnels, der zur Rampe führte, Polizeiketten gebildet. Sie hätten aber wegen der nachdrängenden Menschenmenge um 16.14 Uhr aufgeben müssen.

"Durch die Hölle gejagt"

Warum die Polizei nicht selbst dafür sorgte, die Zugangsschleusen, also die befestigten "Vereinzelungsanlagen", zu schließen, ist unklar. Zwar lag die Verantwortung beim privaten Ordnungsdienst. Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit aber ist die Polizei immer zuständig, egal, was vorher vereinbart wurde. Die Polizei hatte außerhalb des Partygeländes mehr Beamte im Einsatz als drinnen; sie hätten theoretisch auch von außen kommen und die Ordner zwingen können, die Schleusen zu schließen.

Fraglich ist auch, warum die Rampe als zentraler Ein- und Ausgang zur Partymeile so zugestellt war. Die Macher der Loveparade hatten in ihrer Veranstaltungsbeschreibung vom 16. Juli vermerkt, die Hauptwege müssten von "maximaler Breite" sein, und angekündigt, in diesen Bereichen würden "sämtliche Hindernisse beseitigt". Von unten aus gesehen aber standen auf der linken Seite der Rampe etliche Gitter, die eine Treppe absperren sollten. Diese Gitter wurden zur Todesfalle. Und auf der rechten Seite war ein breiter Korridor ebenfalls mit Gittern abgesperrt. Darin standen mehrere Einsatzwagen der Polizei. Ohne diesen Korridor wäre auf der Rampe mehr Platz gewesen, um die Menschen aus dem Tunnel nach oben strömen zu lassen.

Polizeibeamte sagen nun, sie hätten theoretisch schon im Vorfeld beim Innenministerium Druck machen können, um die Veranstaltung absagen zu lassen. Man habe das aber nicht für notwendig gehalten, und man habe kein Spielverderber sein wollen. Nach der Absage der Loveparade 2009 in Bochum sei der dortige Polizeichef verhöhnt und "durch die Hölle gejagt worden".

© SZ vom 31.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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