USA:Bidens Mann für das Pentagon

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Soll US-Verteidigungsminister werden: Lloyd Austin, hier bei einer Anhörung im Senat im Jahr 2016. (Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP)

Er war in Afghanistan und Irak, wurde ein hochdekorierter General - nun soll Lloyd Austin das US-Verteidigungsministerium übernehmen. Doch im Senat könnte es Widerstände gegen Bidens Wunschkandidaten geben.

Von Paul-Anton Krüger

Der designierte US-Präsident Joe Biden will nach übereinstimmenden Berichten von US-Medien den pensionierten Vier-Sterne-General Lloyd Austin zum Verteidigungsminister ernennen. Er setzt damit sein Versprechen um, ein Kabinett zu bilden, das "aussieht wie Amerika". Der 67-Jährige wäre der erste Schwarze an der Spitze des Pentagon und erhält den Vorzug vor Michèle Flournoy. Sie wurde aufgrund ihrer langen Karriere im Verteidigungsministerium als Favoritin und erste Frau in dem Amt gehandelt. Sie war innerparteilich aber mit ihrer Forderung nach einem höheren Verteidigungsbudget, ihrer harten Haltung gegenüber China und ihrer Unterstützung für die US-Militärinterventionen in Syrien und Libyen in die Kritik geraten.

Austin hatte unter Präsident Barack Obama das Central Command geführt, das für den Nahen Osten und Afghanistan zuständige Territorialkommando der US-Streitkräfte, und die Einsätze im Irak, in Syrien, Jemen und in Afghanistan befehligt. Biden hat damals als Vizepräsident ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihm entwickelt und Austin als sicherheitspolitischen Berater in seinem Übergangsteam engagiert. Zugleich gilt Austin als weniger politisch und zurückhaltender als andere für das Amt gehandelte Namen - Kritiker lasten ihm an, sich politischen Vorgaben zu beugen, auch wenn diese der Logik der militärischen Operationsführung zuwiderlaufen.

Biden hatte in seiner Zeit als Vizepräsident mit Argwohn begleitet, wie prominente Generale wie David Petraeus erheblichen Einfluss auf die Militärstrategie der USA in Afghanistan und im Irak genommen und ihre Vorstellungen gegen das Weiße Hauses durchgesetzt hatten. Austin dagegen hatte das Kontigent von damals noch etwa 50 000 Soldaten im Irak weitgehend geräuschlos geführt und ohne die Bühne der Öffentlichkeit zu suchen. In seinen Verwendungen hat er sich tiefgreifend mit Logistik beschäftigt, was ihn prädestiniert für eine Rolle des US-Militärs bei der Verteilung von Corona-Impfstoffen.

Sollte er vom Senat bestätigt werden, müsste er zusammen mit dem Weißen Haus darüber entscheiden, ob der vom scheidenden Präsidenten Donald Trump eingeleitete rasche Teilrückzug aus Afghanistan und dem Irak fortgesetzt wird und darüber befinden, ob wie von Trump geplant, ein Drittel der 35 000 in Deutschland stationierten US-Soldaten in andere Nato-Staaten oder zurück in die USA verlegt werden. Aus seinen Verwendungen im Nahen Osten und Afghanistan dürfte Austin die Bedeutung der in Deutschland befindlichen US-Einrichtungen für die Einsätze dort bewusst sein.

Die Zustimmung des Senats gilt als unsicher

Trump hatte dekretiert, die US-Kontingente im Irak und in Afghanistan bis 15. Januar auf jeweils 2500 Soldaten zu reduzieren. Derzeit sind im Irak etwa 3500 Soldaten stationiert, in Afghanistan etwa 4500. Im Kongress gibt es auch bei Republikanern erheblichen Widerstand gegen den als überhastet empfundenen Rückzug. In Afghanistan hängt die gesamte internationale Operation der Nato mit mehr als 1000 Soldaten der Bundeswehr maßgeblich davon ab, ob die USA weiter den Schutz der Truppen durch Luftunterstützung und lebensnotwendige Logistik bereitstellen.

Eine Zustimmung des Senats gilt gleich aus mehreren Gründen nicht als sicher. Zum einen bräuchte Austin eine Ausnahmegenehmigung, weil er nach 41 Jahren beim Militär erst im März 2016 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war, gesetzlich aber eine Wartezeit von sieben Jahren vorgeschrieben ist. Zuletzt hatte der Senat 2017 eine solche Ausnahme für Trumps ersten Verteidigungsminister Jim Mattis genehmigt, der zum Jahreswechsel zurückgetreten war. Damals hatten sich führende Demokraten gegen weitere Ausnahmen positioniert.

Zweifel herrschen im Kongress auch, ob ein General die parteiübergreifend als notwendig erachteten Reformen des US-Militärs energisch vorantreiben kann. Zudem gibt es eine generelle Präferenz für eine strenge zivile Aufsicht über das Militär. Gerade bei Demokraten vom linken Flügel trifft auch Austins Engagement beim Rüstungskonzern Raytheon nach seiner Pensionierung auf Skepsis. Die enge Verflechtung zwischen Verteidigungsindustrie und der Pentagon-Bürokratie gilt als Kostentreiber und Hindernis für eine konsequente strategische Neuausrichtung des US-Militärs, weg von der lange dominierenden Aufstands- und Terrorismusbekämpfung, stärker hin zu der Großmacht-Konkurrenz mit China und in geringerem Maße auch wieder mit Russland.

Für Austin spricht, dass er die gerade in den Mannschaftsrängen deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung vertretenen Schwarzen und andere Minderheiten repräsentieren würde und seine Karriere als Generalstabsoffizier als Ansporn und Vorbild gilt. Austin hat seine Ausbildung an der Militärakademie in West Point absolviert. Er wuchs in Thomasville im Bundesstaat Georgia auf. Von dort stammte auch Henry O. Flipper, der als Sklave geboren wurde und 1877 der erste schwarze Absolvent der Akademie wurde.

Auch setzen sich die Schwarzen im Kongress für ihn ein; Biden wiederum hat seinen Wahlsieg nicht zuletzt der schwarzen Bevölkerungsgruppe zu verdanken. Der designierte Präsident hat zwei Latinos als Minister berufen, Xavier Becerra für das Ressort Gesundheit und Alejandro Mayorkas für Heimatschutz, bislang aber keinen Schwarzen.

Austin war 1975 in die Armee eingetreten, maßgeblich geprägt wurde seine Karriere aber durch die Einsätze in Afghanistan und im Irak nach den Anschlägen des 11. September 2001. Er war als Offizier der 3. Infanterie-Division 2003 am Vorstoß auf Bagdad beteiligt und kommandierte später in Afghanistan eine Gebirgsjägerdivision. 2008 stieg er auf zum Befehlshaber der multinationalen Truppen im Irak, danach schlossen sich Verwendungen im Generalstab an.

Als Centcom-Befehlshaber befehligte er die Militäroperationen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien. Zwar fallen in seine Amtszeit erfolglose Versuche, Rebellengruppen in Syrien zu rekrutieren, auszubilden und zu bewaffnen, für die das Pentagon seinerzeit 500 Millionen Dollar ausgegeben hatte. Ihm wird aber der militärische Sieg über den IS zugerechnet und die politisch zwar umstrittene, auf dem Schlachtfeld aber erfolgreiche Kooperation mit kurdischen und arabischen Milizen in Syrien gegen die Terrormiliz.

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