Polen und Russland:Schlechte Erinnerungen

Lesezeit: 2 min

Die Exklave Kaliningrad ist eingeklemmt zwischen Polen und Litauen. Gegründet wurde die Stadt im 13. Jahrhundert - und hieß bis 1946 Königsberg. (Foto: VITALY NEVAR/REUTERS)

Eine Sprachkommission in Polen will, dass die russische Exklave Kaliningrad künftig Królewiec heißt - was ihrem ursprünglichen Namen Königsberg entspricht. Moskau zürnt.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Vielleicht haben die Tschechen die polnische Sprachkommission auf diese Idee gebracht. Die russische Exklave Kaliningrad, eingeklemmt zwischen Polen und Litauen, soll auf Polnisch nun Królewiec heißen. Darin steckt das Wort für König, es entspricht also dem deutschen Namen Königsberg, unter dem es seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert zunächst dem Deutschen Orden, später zu Preußen und schließlich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zum Deutschen Reich gehörte.

Zuletzt konzentrierten sich die polnischen Bemühungen hinsichtlich der Exklave an der Ostsee darauf, sie mit drei Reihen 2,5 Meter hohen Stacheldrahts einzuzäunen, um sich zu schützen. Nicht nur vor russischer Aggression, auch vor möglichen Flüchtlingsströmen. Es wird befürchtet, dass der Kreml genauso wie über Belarus auch über Kaliningrad Flüchtlinge aus afrikanischen und zentralasiatischen Ländern in die EU schicken könnte.

Nun setzt auch die staatliche "Kommission für die Standardisierung geografischer Namen außerhalb der Republik Polen" ein Zeichen und empfiehlt, die jahrhundertelang übliche Bezeichnung Królewiec wieder einzusetzen. Denn der seit 1946 gültige Name Kaliningrad sei künstlich, habe mit der Region nichts zu tun und wecke bei Polinnen und Polen negative Gefühle. Michail Iwanowitsch Kalinin, der Namensgeber, unterzeichnete als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets 1940 einen Befehl zur Exekution polnischer Kriegsgefangener mit. In der Folge wurden etwa 22 000 polnische Offiziere und Intellektuelle ermordet, unter anderem im Ort Katyn - dieser Ort steht heute stellvertretend für die Verbrechen der Sowjetunion in Polen. Man lasse sich nicht von einem anderen Land auferlegen, einen Namen zu nutzen, der für die Polen inakzeptabel sei, erklärt die Kommission.

Moskau blieb diese Stellungnahme, die exakt am Tag der Siegesfeier über Nazideutschland am 9. Mai abgegeben wurde, nicht verborgen. Die Entscheidung "grenze an Wahnsinn", sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow, es handle sich um einen "feindlichen Akt". Dabei erscheint die Polonisierung Kaliningrads konsequent. Bereits in einer Neuauflage der Liste der geografischen Namen von 2019 vermerkt die Kommission, sie habe die Liste der polnischen Bezeichnungen deutlich ausgeweitet - das betreffe insbesondere Gebiete, die bis zum Zweiten Weltkrieg polnisch waren. Also in Litauen, Belarus und der Ukraine, aber auch im heutigen Tschechien und in der Slowakei. Gemeinsam mit Królewiec ergingen nun auch neue Empfehlungen für ukrainische statt russischen Ortsnamen.

Auf Tschechisch würde Kaliningrad Královec heißen. Als Russland vergangenen Herbst die Annexion der ukrainischen Oblaste Luhansk und Donezk verkündete, reagierten ein paar tschechische Spaßvögel mit der Ankündigung, mit Polens Hilfe Kaliningrad zu annektieren. "Wir sehen eine alte Kirche und dahinter Plattenbauten. Es sieht also sehr tschechisch aus", hieß es in einem der Videos. Der Deutsche Orden soll die Stadt zu Ehren des böhmischen Königs Přemysl Otakar II. Königsberg genannt haben. Královec wurde zum Internet-Hit. Auch in Polen. Wo daraus nun Ernst wird - zumindest was den Namen betrifft.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRussland
:"Frieden und Frieden und Frieden"

Wladimir Stepanow ist hochbetagt und hochdekoriert. Wie die Veteranen, die Präsident Putin am 9. Mai gerne um sich schart. Er weiß, wie man kämpft. Gerade deshalb lehnt er die "spezielle Militäroperation" in der Ukraine ab.

Von Silke Bigalke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: