Grenzverkehr zur Ukraine:Und sie bewegen sich doch

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Der Lkw-Stau am Grenzübergang Dorohusk-Jagodzin zwischen Polen und der Ukraine. (Foto: Kuba Stezycki/Reuters)

Die Lkw-Blockaden an der polnischen und slowakischen Grenze zur Ukraine beginnen sich aufzulösen. Der Protest der Spediteure nimmt ab, das Problem aber bleibt.

Von Viktoria Großmann, Warschau

In die langen Lkw-Schlangen an den Grenzübergängen zur Ukraine kommt wieder Bewegung. Transportunternehmer und Landwirte aus EU-Ländern, die seit Wochen gegen eine aus ihrer Sicht unfaire Behandlung im Vergleich zu ihren ukrainischen Kollegen protestieren, zeigen sich gesprächsbereit. Am Freitag sah es so aus, als würden die Landwirte am polnischen Grenzübergang Medyka ihren Protest bald aufgeben. Bis zu 3500 Lkw warten an polnischen Grenzübergängen, stehen bis zu einer Woche im Stau. Kilometerweit ziehen sich die Schlangen hin.

Zunächst aber beendete am Montag der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Dorohusk, zu welcher der größte polnische Grenzübergang für den Güterverkehr gehört, die Blockade mit einem Erlass. Er werde auch keine neuen Proteste mehr gestatten, teilte er mit. Am Donnerstagabend beendeten slowakische Transportunternehmer freiwillig die Blockade des einzigen Lkw-Grenzübergangs zwischen der Slowakei und der Ukraine. Sie respektierten die "Aufforderungen der Sicherheitsbehörden", teilten die Mitglieder der Vereinigung ÚNAS mit.

Man sei noch nicht am Ende mit dem Protest

Es mag aber auch daran liegen, dass die slowakische Europaabgeordnete Katarína Roth Neveďalová das Anliegen der Logistikbranche in dieser Woche im Plenum des EU-Parlaments vortrug. "Wir danken der Frau Abgeordneten, dass uns im EU-Parlament endlich jemand wahrnimmt", schreibt die ÚNAS auf Facebook. Man sei aber noch nicht am Ende mit dem Protest.

Angefangen mit den Grenzblockaden hatten die polnischen Transportunternehmer - und zwar schon am 6. November. Ein ungünstiger Zeitpunkt, Polen hatte gerade gewählt, in Warschau waren alle mit der Regierungsbildung beschäftigt. Zwar kümmerten sich die Minister für Landwirtschaft und Infrastruktur aus der 14-Tage-Regierung von Mateusz Morawiecki, doch deren Amtszeit lief wie erwartetet wegen der fehlenden Mehrheit der PiS-Regierung am Montag bereits ab. Auf dem EU-Verkehrsgipfel Anfang Dezember hieß es nur, die EU halte an den Ausnahmen für die ukrainischen Transportunternehmer fest.

Den Forderungen der polnischen Logistiker schlossen sich bald Interessenverbände aus Tschechien, Litauen, der Slowakei und Ungarn an, wo es auch bereits Grenzblockaden gab.

Durch den Krieg hat die Ukraine wichtige Transportrouten auf dem Seeweg verloren

Die Spediteure aus der EU beklagen die Ausnahmeregeln für ukrainische Unternehmer, welche die EU-Staaten im Sommer 2022 beschlossen hatten. Durch den russischen Angriffskrieg hat die Ukraine wichtige Transportrouten vor allem auf dem Seeweg verloren, es muss mehr auf die Straße verlagert werden - um den Warenverkehr zu vereinfachen, wurden einige Vorschriften aufgehoben, einiges an Bürokratie fällt weg.

Der Vorwurf der Kollegen aus der EU: Die ukrainischen Unternehmen nutzten das aus, nähmen mit ihren billigeren Fahrern den polnischen oder slowakischen Unternehmen die Aufträge weg. Das sei existenzbedrohend, heißt es. Zudem, so heißt es von der slowakischen Kraftfahrervereinigung, meldeten sich auch Unternehmen aus Drittstaaten, etwa der Türkei, in der Ukraine an, um so von den derzeit günstigen Bedingungen zu profitieren.

Außerdem fordern die EU-Unternehmer von der ukrainischen Regierung, dass Lkw ohne Ladung schneller aus der Ukraine ausreisen können, und kritisieren ihrerseits die sehr langen Wartezeiten an der Grenze. Aber auch Forderungen nach einen "Ende des Preisdumpings" gehören dazu. So sollen etwa nicht endlos Subunternehmer beschäftigt werden können.

Auch die neue Regierung unter Donald Tusk nimmt das Problem ernst. Gleich nach seiner Vereidigung als Infrastrukturminister am Mittwochvormittag fuhr Dariusz Klimczak von der konservativen Bauernpartei PSL nach Lublin und traf sich dort mit Transportunternehmern. Diese bewerteten das Gespräch als "konstruktiv". Klimczak erklärte, es werde noch viele Gespräche auch mit der EU und der ukrainischen Seite geben müssen.

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Am Freitag reisten die zwei neuen stellvertretenden Landwirtschaftsminister nach Medyka, wo gemeinsam mit den Spediteuren auch die Landwirte protestieren. Deren Anliegen seien gerechtfertigt, teilte einer der Minister mit. Man bereite weitere Gespräche im Landwirtschaftsministerium in Warschau vor. Die Landwirte hatten bereits im Frühjahr protestiert, weil ihnen die Waren aus der Ukraine die Preise verderben. Sowohl die alte wie die neue Regierung bieten Subventionen und die Aussetzung einer Steuererhöhung an.

Ausgenommen von den Blockaden sollen Lieferungen von Hilfs- und Militärgütern sein, jedoch scheint das nicht immer reibungslos zu funktionieren. Unter den Blockaden leiden Lieferketten in ganz Europa. "Die Schäden gehen bereits in die Millionen", sagt Stefan Kägebein vom Verein Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. Durch längere Lieferzeiten stiegen auch die Transportkosten, es komme zu Produktionsunterbrechungen. Der "leichte Erholungskurs" der ukrainischen Wirtschaft werde durch die Blockaden gefährdet.

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