Polen:Präsident Duda vereidigt Kabinett von Tusk

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Polens Regierungschef Donald Tusk nach der Vertrauensabstimmung im Parlament. (Foto: ALEKSANDRA SZMIGIEL/REUTERS)

Das Parlament hatte der Koalitionsregierung am Vortag das Vertrauen ausgesprochen. Am Rande der Debatte gab es einen antisemitischen Eklat.

Polens Präsident Andrzej Duda hat an diesem Mittwoch das neue Kabinett von Regierungschef Donald Tusk vereidigt. Knapp zwei Monate nach der Parlamentswahl ist damit der Machtwechsel offiziell vollzogen. Das Parlament hatte die neue proeuropäische Regierung am Dienstag bestätigt. In einer Vertrauensabstimmung votierten 248 von 449 Abgeordneten für Tusks Kabinett. 201 stimmten dagegen.

Der ehemalige EU-Ratspräsident führt nun eine Koalitionsregierung, die sich aus seiner liberalkonservativen Bürgerkoalition, dem christlich-konservativen Dritten Weg sowie dem Linksbündnis Lewica zusammensetzt. Das Dreierbündnis hatte bei der Wahl am 15. Oktober eine Regierungsmehrheit errungen, jedoch hatte die nationalkonservative PiS-Regierung den Machtwechsel mit Hilfe von Duda lange hinausgezögert.

Antisemitische Attacke im Unterhaus

Am Dienstag kam es zu einem antisemitischen Eklat im Sejm, dem polnischen Parlament. Der Abgeordnete Grzegorz Braun von der rechtsradikalen Konfederacja griff im Foyer zu einem Feuerlöscher und löschte die Lichter auf einem Chanukka-Leuchter, den Vertreter der jüdischen Gemeinde dort angezündet hatten. In sozialen Medien waren tumultartige Szenen im Pulverdampf zu sehen, bevor Braun das Foyer verließ.

Der rechtsradikale Abgeordnete Grzegorz Braun ging mit einem Feuerlöscher auf einen Chanukka-Leuchter los. (Foto: -/AFP)

In einer Rede vor dem Plenum des Unterhauses verunglimpfte er kurz darauf die Chanukka-Feierlichkeiten als "satanischen Kult". Parlamentspräsident Szymon Holownia schloss Braun von der Sitzung aus und kündigte an, das Präsidium werde Strafanzeige erstatten. Tusk nannte Brauns Aktion eine Schande.

Die katholische Kirche reagierte ebenfalls entsetzt auf die Attacke. Kardinal Grzegorz Rys teilte auf der Plattform X mit, Braun habe erklärt, er schäme sich nicht für das, was er getan habe. Rys betonte, "dass ich mich schäme und mich bei der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Polen entschuldige". Der Kardinal ist in der Polnischen Bischofskonferenz für den Dialog mit dem Judentum zuständig.

Das Internationale Auschwitz-Komitee erklärte am Dienstagabend, Holocaust-Überlebende weltweit seien entsetzt angesichts dessen, was sich durch den Sejm-Abgeordneten Braun im polnischen Parlament an "antisemitischem Hass und faschistischer Zerstörungswut offenbart" habe. Man sei betroffen und besorgt über den Einzug von "Faschisten als gewählte Abgeordnete ins polnische Parlament", sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner. Der Vorfall in Warschau zeige auch, "wie der Hass des Antisemitismus in Europa mittlerweile wieder Fuß gefasst" habe. "Für alle Überlebenden des Holocaust eine alarmierende und bittere Erkenntnis."

Tusk steht für gute Beziehung zur EU

Die vorherige PiS-Regierung lag jahrelang mit der EU wegen einer Justizreform im Clinch. Die EU-Kommission hatte mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen das EU-Mitglied eingeleitet und blockiert einen milliardenschweren Corona-Hilfsfonds. Unter seiner Regierung werde Polen nun durch gute Zusammenarbeit die Position eines "Anführers innerhalb der EU" erreichen, sagte Tusk am Dienstag. "Wir sind umso stärker, umso souveräner, je stärker die Europäische Gemeinschaft ist." Tusk versprach auch, er werde dafür sorgen, dass die eingefrorenen Milliarden aus dem Corona-Hilfsfonds freigegeben würden.

Am Dienstagvormittag hatte er in seiner Regierungserklärung die Einhaltung der Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit angemahnt und eine gute Zusammenarbeit seines Landes mit der EU angekündigt. "Was wirklich eine Gemeinschaft formt, sind Rechtsstaatlichkeit, die Verfassung, die Regeln der Demokratie, sichere Grenzen und ein sicheres Landesgebiet - das sind die Dinge, über die wir uns nicht streiten dürfen", sagte der 66-jährige ehemalige EU-Ratspräsident. Der Danziger war bereits von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef.

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