Ukraine-Importe:Der Protest geht weiter

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"Bittere Auswirkungen": Polnische Bauern wollen einen generellen Import-Stopp für ukrainische Agrarprodukte. (Foto: Aleksandra Szmigiel/REUTERS)

Polens Bauern wollen sich von der EU so schnell nicht besänftigen lassen. Sie sind weiterhin gegen den Import ukrainischer Agrarprodukte nach Europa - aus unterschiedlichen Gründen.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Europäischer Markt, europäische Norm, europäische Lebensmittel - so lauten drei schlichte Forderungen angebracht an einem Traktor, der am Donnerstagmorgen eine Landstraße südlich von Posen blockiert. Ein polnisches Onlineportal für Landwirtschaft verbreitete Fotos davon. Die Bauern hatten für Mittwoch zu einem Generalstreik in ganz Polen aufgerufen. Und bewiesen damit vor allem, dass sie bisher ihre Möglichkeiten offenbar noch gar nicht ausgeschöpft hatten.

Dabei protestieren sie seit bald einem Jahr immer wieder, entweder an der ukrainischen Grenze oder in verschiedenen Städten im ganzen Land. Auch in Tschechien schlossen sich mehrere Landwirtschaftsverbände dem Protest an. Dabei kommt die EU mit der beabsichtigten Wiedereinführung von Zöllen auf ukrainische Agrarprodukte eigentlich einer der Hauptforderungen der Bauern nach.

In mehr als 580 Ortschaften fuhren in Polen dennoch Traktoren und andere Fahrzeuge vom Feld auf die Straßen, mit Sternenfahrten blockierten die Landwirte Zubringerstraßen in große Städte, gingen teils zu Fuß auf die Autobahn, wo ihnen die Polizei die Zufahrt mit den Landwirtschaftsmaschinen verwehrte. In einem Video bringt ein Bauer aus der Kleinstadt Śrem seine Maximalforderungen auf den Punkt: "Keine Importe aus der Ukraine, kein Green Deal."

Immer wieder erklären sich die Landwirte in ihren Forderungen nun zu Beschützern der EU-Standards und der europäischen Lebensmittelproduktion. Auch von der tschechischen Landwirtschaftskammer heißt es, die Bauern "wollen sichere Lebensmittel in guter Qualität herstellen".

Schon seit Monaten führen Landwirte immer wieder die angeblich schlechtere Qualität der ukrainischen Erzeugnisse als Argument an, diese nicht in der EU zu verkaufen. In der Slowakei hatte es vergangenes Jahr schon Verkaufsverbote von Mehl gegeben, weil die Produkte schadstoffbelastet seien. Bei Untersuchungen ukrainischer Getreideprodukte in Tschechien waren aber keine bedenklichen Inhaltsstoffe gefunden worden.

Die Bauern verlangen 15 Milliarden Euro extra

Im Vergleich zur Massivität der Proteste, besonders in Polen, klingen die Stellungnahmen und Forderungen schon beinahe sanft - um nicht zu sagen: ungenau. Der Rat der polnischen Landwirtschaftskammern KRIR teilt schlicht mit: "Die Bauern protestieren aufgrund der bitteren Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine auf ihre Lage." Die Preise für ihre Produkte seien stark gefallen, gleichzeitig aber die Kosten deutlich gestiegen. Zudem habe die Europäische Kommission den Green Deal zum Schutz der Umwelt ohne Konsultation der Landwirte durchgesetzt. So werde die Produktion verringert, alles werde noch teurer.

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Deutlicher wird die Bauernvertretung der Gewerkschaft Solidarność, sie fordert ein "Schutzschild" von insgesamt 15 Milliarden Euro, mitfinanziert von der EU für die polnische Landwirtschaft. Die Einfuhr ukrainischer Güter helfe nicht der Ukraine im Kampf gegen Russland, sondern nur einigen Großkonzernen, sich zu bereichern.

Den ganzen Tag über, teils von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends, andernorts nur bis 18 Uhr hielten die Blockaden an. Nicht nur Grenzübergänge zur Ukraine und Deutschland, auch die nach Litauen wurden blockiert - damit wollen die Landwirte auf Re-Importe ukrainischer Waren aus diesen Ländern aufmerksam machen. Zudem importierten die baltischen Länder und Polen nach Kriegsbeginn auch weiterhin landwirtschaftliche Güter aus Belarus und Russland.

Mit dem polnischen Landwirtschaftsminister einigten sich Bauernvertreter am Mittwoch auf Hilfen für Betriebe, die Gerste, Weizen und Roggen anbauen. Sie sollen für Einbußen im vergangenen Jahr entschädigt werden. Der andere Teil der Vereinbarung ist eher eine Absichtserklärung. So soll die polnische Regierung mit der Ukraine neue Handelsvereinbarungen schließen und auch den Transit von landwirtschaftlichen Waren verbieten, darunter Zucker. Die Verhandlungen auf dem europäischen Agrarforum im südpolnischen Jasionka hatten die ganze Nacht gedauert. Abschließend gelöst ist das Problem nicht. Für die nächsten Tage haben die Landwirte weitere Proteste angekündigt.

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