Eine Registrierung für Schwangere, das klingt nach einem obligatorischen Meldesystem und nach Überwachung. In Polen ist um diese Verordnung, welche Gesundheitsminister Adam Niedzielski am Freitag vor Pfingsten unterzeichnete, eine Debatte ausgebrochen. Sie zeigt auch, wie gering das Vertrauen vieler Menschen in die rechtspopulistische Regierung ist.
Aktivistinnen und Juristen fürchten, Frauen müssten bald Rechenschaft über den Verlauf ihrer Schwangerschaft ablegen, sich vielleicht unangenehmen Fragen stellen. Denn Abtreibung ist in Polen praktisch verboten, auch dann, wenn der Fötus stark geschädigt ist. Nur, wenn das Leben der Mutter offensichtlich in Gefahr ist oder etwa eine Vergewaltigung zur Schwangerschaft führte, ist die Abtreibung erlaubt.
Niedzielski und seine Ministeriumsmitarbeiter beteuern, es handle sich lediglich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, nach der Patientendaten durch eine zentrale Registrierung schnell und unkompliziert zur Verfügung stehen sollen. In Deutschland wurde deshalb die elektronische Krankenakte eingeführt. Nur Patienten und Ärzte haben darauf Zugriff, und so soll es auch in Polen sein.
Ermittler hätten es leicht, Schwangerschaftsabbrüche zu verfolgen
Auch in Deutschland gab es heftige Debatten, vor allem Datenschützer sind besorgt. Auch der nächste Plan der EU, die Gesundheitsdaten grenzüberschreitend zugänglich zu machen, findet viele Kritiker.
Doch die polnische Diskussion dreht sich weniger um Bedenken, die Daten könnten gehackt werden oder Arbeitgebern und Krankenkassen in die Hände fallen. Vielmehr herrscht die Sorge vor, die Angaben könnten auch von Ermittlern genutzt werden - etwa um Schwangerschaftsabbrüche zu verfolgen oder grundsätzlich Druck auf Schwangere auszuüben.
So erklärte Agnieszka Dziemianowicz-Bąk, Abgeordnete der Linken, auf einer Pressekonferenz, dass die Erfassung der Daten "in einem zivilisierten Land" eigentlich kein Problem sei. "Aber in einem Land mit einem fast vollständigen Abtreibungsverbot muss uns das erschrecken." Auch Oppositionsführer Donald Tusk von der konservativen Bürgerplattform PO sagte, das Register solle offensichtlich der Kontrolle der Frauen dienen.
100 000 Unterschriften für einen liberaleren Gesetzesentwurf
Tusk verspricht, im Falle eines Wahlsieges Abtreibungen bis zur zwölften Woche zu legalisieren. Parlamentswahlen stehen im Herbst 2023 an. So lange wollen die Befürworter des Rechts auf Abtreibung nicht warten. Einer Initiative mehrerer Organisationen ist es gelungen, mehr als 100 000 Unterschriften für einen Gesetzentwurf zu sammeln, der Ende Juni in erster Lesung im Sejm diskutiert werden soll. Die Aktivistinnen rufen Tusk und andere Parteien dazu auf, sich schon jetzt zu bekennen.
Eine treibende Kraft hinter der Gesetzinitiative ist Marta Lempart, Anführerin des "Strajk Kobiet" (Frauenstreik). Die Organisation brachte in Polen bereits Zehntausende Frauen und Männer gegen die rigide Gesetzgebung auf die Straße. Sie befürchtet, dass das sogenannte Schwangerschaftsregister dazu führen kann, dass schwangere Frauen medizinische Behandlungen meiden.
Aus ihrer Sicht kann nur eines das gestörte Verhältnis zwischen den Frauen und dem polnischen Staat wiederherstellen: Eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und damit das Recht der Frauen, selbst zu entscheiden. Lempart wie auch die Linken-Abgeordneten argumentieren sogar, dass so die Geburtenrate von statistisch 1,39 Kindern pro Frau wieder steigen könne. Wie die Abgeordnete Dziemianowicz-Bąk sagt: "Polnische Frauen werden nicht mehr schwanger, aus Angst, in irgendeiner Situation zur Geburt gezwungen zu werden."