Plattdeutsch im Parlament:Hülp!

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Finanzgeschäfte sind für Abgeordnete im Bundestag grundsätzlich schwieriges Terrain. Das Foto zeigt den Plenarsaal im Reichstagsgebäudes. (Foto: imago images/foto2press)

Die Stenografen freuen sich schon: Der Bundestag debattiert kommende Woche über den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen - auf Plattdeutsch.

Von Boris Herrmann

"Veele Jahrhoonderten hebt de Lüüd in'n Noorden vun Düütsland Platt snackt. Wi wullt in'ne Debatte kloor mooken: Plattdüütsch schullt wedder een Paart vun't Alldag in'ne Geegend werden doon", das sagt die Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann von den Grünen. Und so oder so ähnlich wird sie das in der kommenden Woche auch im Deutschen Bundestag vortragen. Relativ frei ins Hochdeutsche übersetzt: Heitmann will sich im Plenarsaal in Theorie und Praxis um die politische Förderung des Plattdeutschen bemühen.

Für den 2. März ist im Bundestag eine Debatte zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen angesetzt. Mal ungeachtet der Tatsache, dass es möglicherweise Themen gibt, die derzeit sogar noch ein bisschen drängender sind, darf man sich schon jetzt auf eine sogenannte Sternstunde des Parlamentarismus freuen. Es ist bei diesem Tagesordnungspunkt nämlich explizit erwünscht, dass die Reden in einer Regional- oder Minderheitensprache gehalten werden. Das wurde unter den Parlamentarischen Geschäftsführern vereinbart und den Fraktionen mitgeteilt.

Der parteiübergreifende "Parlamentskreis Plattdeutsch" bemühte sich schon länger um eine solche Debatte, und die Parlamentarischen Geschäftsführer sollen seit geraumer Zeit nach einem Termin gesucht haben. Der nun anstehende "25. Jahrestag der EU-Charta der Regional- und Minderheitensprachen" ist deshalb nicht nur ein Anlass, sondern auch ein Vorwand, um es jetzt einfach mal durchzuziehen.

Der Bundestag befasst sich immer mal wieder mit der Lage der in Deutschland anerkannten Minderheitensprachen Friesisch, Dänisch, Sorbisch, Romanes und der Regionalsprache Niederdeutsch (vulgo: Platt). Dabei wird aber in der Regel über diese Sprachen und nicht in diesen Sprachen gesprochen. Das soll diesmal anders sein, wobei das Plattdeutsche zweifellos die Mehrheitssprache unter den im Parlament verbreiteten Regional- und Minderheitensprachen ist. Neben der Grünen-Politikerin Heitmann schreiben offenbar auch Gyde Jensen (FDP) und Johann Saathoff (SPD) schon an einer Rede auf Platt.

Andreas Mattfeldt (CDU) ist neben Jensen und Saathoff einer der wenigen muttersprachlichen Plattschnacker im Bundestag. Ob er als Haushaltspolitiker aber einen Redeslot zu einem Thema bekommt, bei dem zunächst einmal die Kulturexperten das Zugriffsrecht hätten, scheint noch nicht festzustehen. Stefan Seidler dagegen muss mit niemandem um seinen Auftritt buhlen, er ist der einzige Abgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes und plant offenbar eine Art Medley der nordischen Sprachen. Aus seinem Büro heißt es, Seidler werde auf Platt beginnen, aber auch ins Dänische wechseln und "ein bisschen Friesisch einstreuen". Die Stenografen freuen sich schon.

Die bislang wohl plattdeutscheste Parlamentsdebatte fand 1994 statt. Schon damals versuchte der ostfriesische Sozialdemokrat Carl Ewen, das Fehlurteil zu entkräften, im Bundestag würde dank der CSU doch ständig eine Regionalsprache gesprochen. Das Bairische sei zwar manchmal auch nicht besser zu verstehen als das Platt, sagte Ewen, die Germanisten seien sich jedoch einig, dass das eine eben ein Dialekt sei und das andere eine eigenständige Sprache, denn "wenn dat anners weer, kunnen de Stenografen dat man all so upschrieven, wat wi hier seggen, un brukten keen Hülp von uns".

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