Parteien - Kiel:Nord-Grüne mit weiblicher Doppelspitze zur Landtagswahl

Deutschland
Jan Philipp Albrecht und Monika Heinold (beide Bündnis90/Die Grünen) warten im Plenarsaal des Landtags auf den Beginn einer Sitzung. Foto: Axel Heimken/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Kiel (dpa/lno) - Die Grünen in Schleswig-Holstein steuern mit einer weiblichen Doppelspitze die Landtagswahl am 8. Mai an. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen Finanzministerin Monika Heinold (62) und Landtags-Vizepräsidentin Aminata Touré (28) die derzeit mit CDU und FDP regierenden Nord-Grünen zu einem starken Wahlergebnis führen. "Das war ein schönes Fotoshooting gestern :)", twitterten beide am Dienstag mit einem gemeinsamen Foto und legten damit selbst eine Spur.

Am Vorabend hatte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (38) bestätigt, dass er an die Spitze der Heinrich-Böll-Stiftung wechseln will und überraschte damit das politische Kiel. Albrecht galt lange selbst als potenzieller Spitzenkandidat für die Landtagswahl, eventuell in einer Doppelspitze mit Touré. Entscheidend war letztlich die lange offen gebliebene Frage, ob sich Heinold zum Weitermachen entschließt.

Sie hatte lange mit einem Ende ihrer landespolitischen Karriere geliebäugelt, nach einem Vierteljahrhundert meist in vorderer Front. 1996 wurde Heinold erstmals in den Landtag gewählt, wo sie sich als Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion und Finanzpolitikerin profilierte. 2012 trat sie als Finanzministerin ins Kabinett von Torsten Albig ein, der bis 2017 eine Koalition von SPD, Grünen und SSW führte. Dann wechselten Heinold und der damalige Umweltminister Robert Habeck die Koalitionsfarben zu Jamaika, schmiedeten also ein Bündnis mit der CDU des heutigen Regierungschefs Daniel Günther und mit der FDP. Ein auch mögliches Bündnis mit SPD und FDP fassten Grüne und Liberale seinerzeit nicht ernsthaft ins Auge.

Ministerpräsident Daniel Günther sagte am Dienstag, die offizielle Entscheidung stehe ja noch aus, doch er freue sich auf einen spannenden Wettstreit. "Ich freue mich insbesondere darüber, dass damit ja auch die Bereitschaft von Monika Heinold verbunden ist, auch weiterhin Verantwortung zu tragen", äußerte der CDU-Politiker. Er bekräftigte den Wunsch, Jamaika nach der Wahl fortzuführen. Heinold mache als Finanzministerin einen sehr guten Job und insofern sei es eine sehr gute Nachricht, dass sie weitermache.

Mit Albrecht hätte er auch gern weiter zusammengearbeitet, signalisierte Günther, aber er könne auch verstehen, dass er jetzt diese Herausforderung suche. Albrecht war 2018 Habeck ins Kabinett gefolgt, nachdem dieser Bundesvorsitzender der Grünen geworden war. Damit verbunden waren Hoffnungen, der Ex-Europaabgeordnete - er war seit 2009 im EU-Parlament - könnte anstelle Habecks als Zugpferd die Landespartei erfolgreich in die Wahl 2022 führen. Diese Erwartung hat er im erhofften Umfang wohl nie richtig erfüllt. Zumal der Anspruch hoch ist: Stärkste Kraft zu werden und den Ministerpräsidentenposten zu erobern, hat die Landesparteispitze mittlerweile als Ziel verkündet. Zur Europawahl 2019 hatten es die Grünen erstmals bei einer landesweiten Wahl zur Nummer eins geschafft.

Mit ihrer Entscheidung zur Spitzenkandidatur ließen sich die Grünen zunehmend Zeit: Erst hieß es, nach der Sommerpause, dann, nach der Bundestagswahl und schließlich, Ende Oktober, Anfang November. So ist es nun gekommen, wenn auch im Fall der künftigen Rolle Albrechts eher überraschend. Er sei bereit, "diese reizvolle Herausforderung anzunehmen", äußerte Albrecht am Montagabend zu einem angestrebten Wechsel Richtung Heinrich-Böll-Stiftung. "Klar ist, dass ich bis zur Landtagswahl im kommenden Jahr mein Ministeramt mit vollen Kräften wahrnehmen und für ein starkes grünes Ergebnis streiten werde."

Das will an Heinolds Seite auch Touré. Geboren 1992 in einem Flüchtlingslager in Neumünster, wurde die Frau mit Wurzeln im westafrikanischen Mali 2019 schon mit 26 Jahren zur Vizepräsidentin des Landtages gewählt. Sie führt Parlamentssitzungen so selbstbewusst und rhetorisch klar wie sie für ihre politischen Inhalte streitet, nicht nur gegen Rassismus und für die Integration von Flüchtlingen. Mit ihrem Auftreten erlangte sie schnell die Aufmerksamkeit großer überregionaler Medien. Nach der Landtagswahl könnte sie Fraktionschefin werden, zumal Amtsinhaberin Eka von Kalben schon Interesse an der Landtagspräsidentschaft bekundet hat.

Und wer könnte Albrecht als Umweltminister folgen? Schon vor Habecks Abschied war der Name Konstantin von Notz gefallen. Der 50 Jahre alte Jurist ist seit 2009 im Bundestag und hat sich dort als Innen- und Netzpolitiker parteienübergreifend einen Namen gemacht. Er ist mit Leib und Seele Bundespolitiker, der Vater von zwei Kindern pendelt aber nun schon seit vielen Jahren zwischen dem heimischen Mölln und Berlin. Nach Kiel ist es auch kein Katzensprung, aber kürzer. Am Dienstag hatte Notz erstmal mit der konstituierenden Sitzung des neugewählten Bundestags zu tun.

Mit Blick auf die Landtagswahl kündigte der Grünen-Landesvorsitzende Steffen Regis am Dienstag an: "Der Landesvorstand wird der Partei und der Öffentlichkeit am 3. November ein Spitzenduo zur Landtagswahl 2022 vorschlagen. Bis dahin werden wir die Beratung in den Parteigremien abgeschlossen haben." Für den Tag, Mittwoch nächster Woche, ist laut Regis eine Pressekonferenz geplant. Gelegenheit für neue Fotos von Heinold und Touré.

© dpa-infocom, dpa:211026-99-738255/4

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