Reaktionen:"Ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte"

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Der damalige Papst Benedikt XVI. winkt 2010 aus seinem Papamobil, als er eine Jugendversammlung auf dem Petersplatz besucht. (Foto: Gregorio Borgia/dpa)

So nennt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, den verstorbenen Joseph Ratzinger. Vertreter von Missbrauchsopfern erinnern an fehlende Aufarbeitung. Wie die Welt auf den Tod von Benedikt XVI. reagiert.

Von Juri Auel und Annette Zoch

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist tot. Der gebürtige Bayer starb am Samstag im Alter von 95 Jahren im Vatikan, wie der Heilige Stuhl bekanntgab. Benedikt war von 2005 bis zu seinem Rücktritt 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche. Als er fünf Jahre Papst war, stürzte die katholische Kirche in eine ihrer schwersten Krisen: Schrittweise kamen von 2010 an jahrzehntelanger Kindesmissbrauch und Vertuschung ans Licht. Bis ins hohe Alter und auch nach dem Rücktritt blieb Benedikt mit Missbrauchsskandalen konfrontiert. Die Reaktionen auf seinen Tod im Überblick.

"Ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte" - so würdigt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, den verstorbenen ehemaligen Papst: "Wir trauern um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt hat." Benedikt XVI. habe "die Stimme des Evangeliums - gelegen oder ungelegen - hörbar gemacht". Sein theologisches Denkvermögen, seine politische Urteilskraft und sein persönlicher Umgang mit vielen Menschen hätten den aus Deutschland stammenden früheren Papst ausgezeichnet, fügte der Limburger Bischof hinzu: "Mit hohem Respekt denke ich an seine mutige Entscheidung, 2013 vom Amt des Papstes zurückzutreten."

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Er war der Pontifex, der mit seinem Rücktritt die absolute Macht der katholischen Kirche relativiert hat. Das bleibt sein historisches Verdienst.

Kommentar von Annette Zoch

Bätzing erinnert auch an den Brief Benedikts vom 8. Februar 2022 anlässlich der Veröffentlichung des Münchener Gutachtens zu sexualisierter Gewalt: "Die Betroffenen hat er um Vergebung gebeten und doch blieben Fragen offen." Der Bischof ergänzte: "Gerade als Kirche in Deutschland denken wir dankbar an Papst Benedikt XVI.: In unserem Land wurde er geboren, hier war seine Heimat, hier hat er als theologischer Lehrer und Bischof das kirchliche Leben mitgeprägt."

Marx: "Benedikt XVI. war ein großer Papst"

"Benedikt XVI. war ein großer Papst, der sein Hirtenamt stets mit Freimut und starkem Glauben ausübte. Als Theologe prägte und prägt er die Kirche lange und nachhaltig. Dem Erzbistum München und Freising war er, ob als Priester, Professor, Erzbischof, Kardinal oder Papst, stets eng verbunden", sagt der Erzbischof von München und Freising und der Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Die christliche Prägung Bayerns und die lebendigen Ausdrucksformen der Frömmigkeit zu fördern sei ihm stets ein wichtiges Anliegen gewesen. "Viele Gläubige erinnern sich noch an gute Begegnungen mit dem Erzbischof bei Firmungen in den Pfarreien oder zu anderen Anlässen. Vor allem der Besuch Papst Benedikts XVI. in seinem ehemaligen Erzbistum im September 2006 erfüllt immer noch viele Menschen mit Freude und wohl auch ein wenig Stolz."

Reaktionen zum Tod Ratzingers gibt es auch von Missbrauchsopfer-Vertretern. So äußert sich beispielsweise die "Initiative Sauerteig" aus Garching an der Alz, wo der Missbrauchstäter Peter H. im Einsatz war. Man bedauere den Tod Ratzingers sehr, heißt es in dem Statement. "Ob er als bedeutender Papst oder großer Theologe in die Geschichte eingehen wird, können wir nicht beurteilen."

"In Erinnerung bleiben wird, dass seine Amtszeit von Missbrauchsskandalen der Kirche in allen Teilen der Welt gekennzeichnet war", schreibt die Initiative, die bislang eine Feststellungsklage gegen den früheren Papst vor dem Landgericht Traunstein unterstützt hatte. Die Klage wird nun nicht verhandelt. "Mit der Klärung seiner Verantwortung vor einem weltlichen Gericht hätte er für die Zukunft der katholischen Kirche einen bedeutenden Schritt machen können", schreiben die Opfervertreter. Dass Benedikt seiner Kirche diesen Dienst nun nicht mehr erweisen könne, gehört wohl zur Tragik seines Lebens.

Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" schrieb auf Twitter: "Der Zauberlehrling ist tot. Niemand verkörperte die machtmissbräuchlichen Strukturen seiner Kirche so sehr wie er und niemand hat am Ende selbst soviel dazu beigetragen, sie zu dekonstruieren."

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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße würdigt den emeritierten Papst als prägenden Lehrer und Theologen. "Auf mich hat ein Gedanke Papst Benedikts besondere Wirkung: Christsein ist keine Theorie, kein Gedankengebäude, sondern zuerst Begegnung mit einer Person, mit Jesus Christus", sagt er. Heße wurde im Kölner Missbrauchsgutachten belastet. Er war in Köln Personalverantwortlicher und dort mit Missbrauchsfällen befasst. Er hatte daraufhin Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten, der hatte ihn aber nicht angenommen.

Der wegen seiner Handhabung der Aufklärung von Missbrauch ebenfalls schwer kritisierte Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bezeichnet Benedikt als "tiefen geistlichen Denker". "Seine Theologie hat ungezählte Menschen in ihrem Glauben geprägt und bestärkt - genauso wie die Demut und der Mut, mit denen er all seine Ämter ausfüllte", sagt Woelki. Sein Lebensweg sei eng mit den großen kirchlichen Ereignissen der Zeit verknüpft gewesen. "Dabei prägte er die Kirche von heute auf prophetische Weise", so Woelki.

Die Präsidentin der obersten katholischen Laien-Vertretung, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter Karp, nennt den verstorbenen Papst einen "konservativen Intellektuellen": "Der deutsche Papst erfüllte viele mit Stolz, vor allem aber mit Hoffnung. Für manche hat sich diese Hoffnung in reichem Maße erfüllt. Für andere blieb die unerfüllte Sehnsucht, durch einen Intellektuellen auf dem Stuhl Petri Antwort auf die Frage zu finden, wie ihr Christsein im 21. Jahrhundert gelingen kann."

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" bezeichnet den ehemaligen Papst als "höchst widersprüchlichen Theologen", der die römisch-katholische Kirche über Jahrzehnte in rückwärtsgewandter Weise geprägt habe. Seinem Nachfolger Papst Franziskus und der ganzen Kirche habe er mit einem Klima der Angst und einem theologischen Stillstand ein schweres Erbe hinterlassen, das bis heute nachwirke. "Sein anerkennenswerter Rücktritt im Jahr 2013 hat das Papstamt entmystifiziert. Folgerichtig wäre es allerdings gewesen, wenn er auch in den Kardinalsstand oder Bischofsstand zurückgetreten wäre und die weiße Soutane abgelegt hätte."

"Joseph Ratzinger hat mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, die weit über die katholische Kirche hinaus die Christenheit insgesamt und die Öffentlichkeit beeindruckt haben. Sie haben zugleich vielen Menschen Orientierung gegeben", sagt Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Kurschus lobt sogleich Ratzingers Einsatz für die Ökumene. "Dass er 2013 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten ist, macht ihn zutiefst menschlich."

Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagt, er habe "großen Respekt vor dem Lebenswerk" des früheren Papstes. Er erinnerte aber auch an eine "gemischte Bilanz" bei der Ökumene: Die Erklärung "Dominus Jesus", die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlicht habe, habe "Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben", so Bedford-Strohm. Darin hieß es, die protestantischen Kirchen seien "nicht Kirche im eigentlichen Sinne".

Der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, spricht von einem "großen Theologen". Ratzinger sei "ein Gelehrter und ein Mann größten Wissens" gewesen, "der von vielen Wissenschaftlern und suchenden Menschen hoch geachtet wurde". Die Vertiefung des Glaubens und des geistlichen Lebens sowie der Dialog mit den verschiedenen Kräften und Strömungen unserer Zeit sei dem Verstorbenen lebenslang eine Herzensangelegenheit gewesen. Darin habe er die Botschaft des II. Vatikanischen Konzils lebendig gehalten. "Er hat mehr als manche seiner Vorgänger zur Erneuerung der Kirche beigetragen", betont Overbeck.

"Papst Benedikt war einer der größten Theologen seiner Zeit - dem Glauben der Kirche verpflichtet und standhaft in der Verteidigung desselben", sagt Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury. "In allen Dingen, nicht zuletzt in seinen Schriften und Predigten, blickte er auf Jesus Christus, das Bild des unsichtbaren Gottes."

Auch aus der Politik gibt es Anteilnahme am Tod Benedikts. So twittert Bundeskanzler Olaf Scholz, mit dem Tod des emeritierten Papstes verliere die Welt einen klugen Theologen. "Als 'deutscher' Papst war Benedikt XVI. für viele nicht nur hierzulande ein besonderer Kirchenführer", so Scholz.

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"Sein Glaube, sein Intellekt, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich immer tief beeindruckt", erklärt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Über seine weltkirchliche Sendung hinaus habe dieser Papst "als Landsmann für uns Deutsche eine ganz besondere Bedeutung" gehabt. Wörtlich betont der Bundespräsident: "Die Wahl eines Papstes aus dem Mutterland der Reformation und eines Intellektuellen, der sich den Dialog zwischen Glaube und Vernunft zur Lebensaufgabe gemacht hatte, war für viele Menschen auf der ganzen Welt ein wichtiges Zeichen."

Steinmeier geht mit Blick auf das Wirken des Verstorbenen auch auf das Thema Missbrauch ein. Spätestens als Präfekt der Glaubenskongregation sei dieser "mit dem bedrückenden Problem des weltweiten sexuellen Missbrauchs und dessen systematischer Vertuschung konfrontiert" gewesen. Hier sei er besonders in der Verantwortung gewesen. Benedikt habe um das große Leid der Opfer und den immensen Schaden für die Glaubwürdigkeit der Kirche gewusst.

"Der erste deutsche Papst seit 482 Jahren ist heute verstorben", schreibt FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter. Und: "Benedikt XVI. war eine geschichtsträchtige Persönlichkeit und ein nicht unumstrittener Intellektueller. Heute aber gedenken wir ihm als Menschen."

"Wir trauern um unseren bayerischen Papst", schreibt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ebenfalls auf Twitter. Und weiter: "Der Tod von #BenediktXVI berührt mich genau wie viele Menschen sehr. Mit ihm verliert die Gesellschaft einen überzeugungsstarken Repräsentanten der katholischen Kirche sowie einen der einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts."

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betont Ratzingers Ausstrahlung auf Deutschland. "Papst Benedikt hat vor allem in seinem Heimatland Deutschland eine neue Hinwendung zur katholischen Kirche über alle Generationen hinweg auslösen können", sagt er. "Wir verneigen uns in Trauer und Dankbarkeit vor dem Lebenswerk des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI.", so Merz, der selbst Katholik ist.

US-Präsident Joe Biden würdigt den gestorbenen emeritierten Papst als hingebungsvollen Kirchenmann. "Er wird als renommierter Theologe in Erinnerung bleiben, der sich ein Leben lang mit Hingabe für die Kirche einsetzte und sich dabei von seinen Prinzipien und seinem Glauben leiten ließ", schreibt Biden. "Möge sein Fokus auf den Dienst der Nächstenliebe eine Inspiration für uns alle bleiben." Biden selbst ist bekennender Katholik, nach John F. Kennedy der zweite katholische Präsident der Vereinigten Staaten.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni spricht von einem "großen Mann, den die Geschichte nicht vergessen wird". Benedikt sei ein "Gigant des Glaubens und der Vernunft" gewesen. "Ein Mann aus Liebe zum Herrn, der sein Leben in den Dienst der Weltkirche gestellt hat und mit der geistigen, kulturellen und intellektuellen Tiefe seines kirchlichen Lehramts zu den Herzen und Köpfen der Menschen gesprochen hat und weiterhin sprechen wird."

Der englische Premierminister Rishi Sunak bezeichnet Ratzinger als großen Theologen und erinnert an dessen Besuch im Vereinigten Königreich im Jahr 2010, der ein "historischer Moment" nicht nur für die Katholiken seines Landes gewesen sei. König Charles III. verweist in einem an Papst Franziskus gerichteten Kondolenzschreiben auf das Engagement von dessen Vorgänger "für Frieden und Wohlwollen für alle Menschen". Auch habe er sich dafür eingesetzt, die Beziehung zwischen der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche zu stärken.

Aus Frankreich meldet sich Präsident Emmanuel Macron via Twitter zu Wort. "Meine Gedanken gelten den Katholiken in Frankreich und auf der ganzen Welt, die durch den Tod Seiner Heiligkeit Benedikt XVI. betrübt sind", schreibt er. Benedikt habe sich "mit Seele und Intelligenz für eine brüderlichere Welt eingesetzt".

Mit seinem Rücktritt vom Papstamt 2013 habe Benedikt ein starkes Signal gesetzt, sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Und: "Er sah sich selbst zuerst als Diener Gottes und seiner Kirche. Als seine körperliche Kraft schwand, diente er weiter durch die Kraft seiner Gebete."

Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, bezeichnet Benedikt XVI. als einen "demütigen Mann des Gebets und des Studiums", prinzipientreu in seinem Glauben, unermüdlich in seinem Streben nach Frieden und entschlossen in seiner Verteidigung der Menschenrechte. Er sei "ein spiritueller Führer für Millionen Menschen auf der ganzen Welt und einer der führenden akademischen Theologen unserer Zeit" gewesen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu würdigt Benedikt XVI. als großen geistlichen Führer, der "sich voll und ganz für die historische Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk" eingesetzt habe.

Aus Russland schickt Präsident Wladimir Putin sein Beileid zum Tod des emeritierten Papstes. "Ich möchte Ihnen in dieser traurigen Stunde die Worte aufrichtiger Anteilnahme übermitteln", heißt es in dem vom Kreml veröffentlichten Beileidsschreiben an Papst Franziskus. Papst Benedikt XVI. sei ein prominenter Ordensmann und Staatsmann gewesen, ein überzeugter Verteidiger traditioneller christlicher Werte. Putin weist überdies darauf hin, dass während Benedikts Pontifikat zwischen Moskau und dem Vatikan vollwertige Beziehungen aufgenommen und die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen und römisch-katholischen Kirche entwickelt worden seien.

Mit Material der Agenturen dpa und KNA

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