Frauen und Corona:Mütter, die arbeiten? Gefällt heute weniger Vätern als vor der Pandemie

Lesezeit: 2 min

Das Bundesfamilienministerium möchte die Regeln fürs Elterngeld ändern und sieht sich durch die Ergebnisse der Studie bestärkt. (Foto: Felix Kästle/DPA)

Corona hat nicht nur den Alltag vieler Familien auf den Kopf gestellt, sondern auch alten Rollenbildern wieder Auftrieb verliehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie. Deren Autoren haben eine klare Forderung an die Politik.

Von Francesca Polistina, Berlin

Eigentlich war man auf dem richtigen Weg, sagen die Forscherinnen. In den zwei Jahrzehnten vor Corona waren die Einstellungen der Gesellschaft zu den Geschlechterrollen langsam, aber sicher egalitärer geworden. Immer mehr Männer vor allem fanden es positiv, wenn Mütter arbeiten.

Dann kam die Pandemie, und mit der Pandemie wurde die Kinderbetreuung teils über Monate von den Kitas und Schulen auf das eigene Wohnzimmer verlagert. Was daraus folgte, ist bekannt: Schnell eine Videokonferenz zwischen zwei Schulaufgaben, schnell eine E-Mail beantworten, wenn das Kita-Kind sich kurz alleine beschäftigt. Viele Studien belegen, dass Frauen in der Pandemie stärker belastet wurden als Männer, auch weil sie den Großteil der Kinderbetreuung übernahmen.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Universität Berlin, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, kommt nun zu dem Ergebnis, dass Corona nicht nur den Alltag, sondern auch die Einstellungen vieler Menschen verändert hat. Man könnte auch sagen: zurückgeworfen hat. Denn die Schließungen von Kitas und Schulen haben alte gesellschaftliche Ansichten wieder verstärkt.

Konkret wurde untersucht, wie Frauen und Männer zur Erwerbstätigkeit von Müttern stehen. Die Forscher wollten unter anderem wissen: Leidet ein Kleinkind, wenn seine Mutter berufstätig ist? Kann eine berufstätige Mutter ein genauso herzliches und vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kindern haben wie eine Mutter, die nicht berufstätig ist? Je nach Antwort klassifizierten dann die Forscher die Einstellungen als mehr oder weniger "egalitär".

Das Fazit: Väter haben ihre Ansichten zur Erwerbstätigkeit von Müttern teilweise revidiert und sind zu einem traditionelleren Rollenverständnis zurückgekehrt. Während 2016 noch rund 60 Prozent der Väter sehr egalitäre Einstellungen vertraten, waren es ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie nur noch 54 Prozent - und damit zehn Prozent weniger, so die Studie.

Allerdings zeigt sich der Effekt nur im Westen Deutschlands. Für ostdeutsche Väter und für Mütter lässt er sich nicht beobachten. Ein Grund dafür könnte sein, dass positive Einstellungen zur mütterlichen Erwerbstätigkeit im Westen "weniger gefestigt" sind, so die Autoren und Autorinnen der Studien. Die Untersuchung basiert auf Daten aus zwei repräsentativ durchgeführten Bevölkerungsbefragungen, insgesamt 12 500 Menschen haben daran teilgenommen.

"Von einer gesellschaftlichen Rolle rückwärts zu sprechen, wäre derzeit sicherlich noch zu dramatisch", meint Christa Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW und Mitautorin der Studie. Dennoch sollte die Politik diese veränderten Einstellungen im Blick haben - und "alles tun, um Kita- und Schulschließungen in der nächsten Corona-Welle möglichst zu vermeiden", liest man in der Analyse.

Denn traditionellere Ansichten zu den Geschlechterrollen könnten, direkt oder indirekt, zu einer niedrigen Erwerbstätigkeit von Müttern und gleichzeitig zu einer niedrigen Beteiligung von Vätern an der Sorgearbeit führen. "Vor diesem Hintergrund sollten Bemühungen, Maßnahmen für einen sicheren Präsenzbetrieb zu realisieren, intensiviert werden", so die Studie. Dass man Schulen und Kitas offen hält, "wäre nicht nur mit Blick auf die Bildung der Kinder wichtig, sondern unter anderem auch mit Blick auf die Einstellungen zu Geschlechterrollen", so Spieß.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: