Nach der Zerstörung eines Tunnels, der vom Gazastreifen auf israelisches Gebiet führte, steigen die Spannungen zwischen Israel und der radikalislamistischen Hamas sowie der militanten Organisation Islamischer Dschihad an. Das israelische Militär brachte den Tunnel zum Einsturz, dabei wurden laut Medienberichten mindestens fünf Palästinenser getötet und vierzehn weitere verletzt. Unter den Getöteten sollen zwei Anführer des Islamischen Dschihads und einer der Hamas sein.
Dschihad-Führer Mohammed al-Hindi erklärte daraufhin eine 2014 vermittelte Waffenruhe mit Israel für beendet und kündigte eine Reaktion "zu gegebener Zeit" an. Auch Iran schaltete sich mit wüsten Drohungen ein. "Das blutrünstige zionistische Regime versucht den Willen der unterdrückten Menschen in den besetzten Gebieten zu brechen", indem palästinensische Jugendliche getötet würden, hieß es in einer Stellungnahme aus dem Außenministerium.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte scharf. "Wer versucht, uns zu schaden, dem schaden wir. Heute haben wir einen Tunnel entdeckt und ihn zerstört, und wir werden so weitermachen." Israelische Medien berichten, die Armee habe aus Sorge vor einem Angriff das Raketenabwehrsystem Iron Dome im Süden des Landes in Position gebracht. Verteidigungsminister Lieberman beteuerte, Israel habe kein Interesse an einer Eskalation, aber trotz der Versöhnungsversuche zwischen der Fatah und Hamas sei der Gazastreifen weiterhin "das Königreich des Terrors".
Vor rund zwei Wochen bot die im Gazastreifen regierende Hamas der palästinensischen Autonomiebehörde und der Fatah in einem Abkommen an, nach zehn Jahren wieder die Kontrolle in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu übernehmen. Am 1. November sollte die Kontrolle bei fünf Grenzübergängen von der Hamas an die Fatah übergehen, bis 1. Dezember sollte die Hamas die Macht ganz abgeben.
Durch die Tunnel werden Nahrungsmittel, aber auch Waffen und Kämpfer geschleust
Die Hamas bezeichnete die Tunnel-Zerstörung durch die Israelis als "Versuch, die Bemühungen um die Herstellung einer palästinensischen Einheit zu sabotieren und die Teilung aufrechtzuerhalten". Auch ein Fatah-Sprecher wertete dies als Beitrag, Spannungen zu erzeugen und die "nationale Versöhnung" der Palästinenser zu untergraben.
Das Abkommen war unter der Vermittlung Ägyptens zustande gekommen, das auch wegen des Einsickerns von Islamisten auf den Sinai auf einer Abriegelung des Gazastreifens besteht. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Tunnel gebaut, durch die Nahrungsmittel, aber auch Waffen und Kämpfer geschleust wurden.
Der von den Israelis vor Kurzem entdeckte Tunnel war rund zwei Kilometer vom Kibbutz Kissufim entfernt und befand sich noch in Bau. Wie Verteidigungsminister Avigdor Lieberman vor der Knesset sagte, wurde der Tunnel durch einen "signifikanten technologischen Durchbruch" entdeckt. Laut Angaben aus Gaza hat die israelische Luftwaffe Bomben auf der palästinensischen Seite gleich hinter den Grenzanlagen abgeworfen. Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte dagegen, dass der unterirdische Gang mit Sprengstoff zum Einsturz gebracht worden sei. Der Tod der mutmaßlichen Tunnelbauer sei nicht beabsichtigt gewesen.
Israel hat das Versöhnungsabkommen nicht anerkannt, will es aber auch nicht torpedieren
Der Zwischenfall erfolgt in einer sensiblen Phase. Das Versöhnungsabkommen mit der Fatah ist auch innerhalb der Hamas umstritten, die Kassam-Milizen etwa wollen ihre Waffen nicht abgeben. Ein am vergangenen Freitag verübter Anschlag verursacht zusätzliche Nervosität: Der Sicherheitschef im Gazastreifen, Taufik Abu Neem, wurde bei der Explosion einer Autobombe verletzt. Er ist ein enger Vertrauter von Hamas-Führers Yahya Sinwar, des Hamas-Chefs im Gazastreifen, der sich für das Versöhnungsabkommen einsetzt. Spannungen mit Israel könnten Spannungen innerhalb der Palästinensergruppen verschärfen und die Umsetzung der Vereinbarung, die in den kommenden Wochen schrittweise erfolgen soll, gefährden.
Israel hat das Versöhnungsabkommen nicht anerkannt, will es aber auch nicht torpedieren, weil Ägypten vermittelt hat und auch die USA dahinterstehen. Im Moment versuchen US-Vertreter hinter den Kulissen, den Friedensprozess wiederzubeleben. Der US-Sondergesandte im Nahostkonflikt, Jason Greenblatt, reagierte via Twitter auf die Vorfälle. Die Hamas nutze die Großzügigkeit der Welt aus, um Terror zu schützen. "Die Palästinenser in Gaza verdienen etwas Besseres", schrieb er.
Israel fühlt sich auch im Norden bedroht, weil Iran im Bürgerkrieg im benachbarten Syrien mitmischt. Netanjahu hat mehrfach betont, Israel werde nicht zulassen, dass sich Iran in Syrien breitmache. Im Libanon unterstützt Iran die Hisbollah-Miliz. Erst vor wenigen Tagen war auch eine Hamas-Delegation in Iran gewesen. Iranische Vertreter hatten aus diesem Anlass den bewaffneten Kampf gegen Israel gelobt.