Paketbomben aus dem Jemen:Terrorpost, generalstabsmäßig geplant

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Offenbar hat al-Qaida den Weg der zwei Paketbomben bereits Mitte September in einem Probelauf getestet. Indes kam scharfe Kritik aus dem Jemen: Das von Deutschland verhängte Einflugverbot sei "unlogisch".

Schon Mitte September hat der US-Geheimdienst drei verdächtige Pakete abgefangen, bei denen es sich möglicherweise um einen Probelauf des Terrornetzwerks al-Qaida für die vereitelten Paketbomben-Anschläge vom Freitag handelte. Die US-Behörden hätten die Sendungen vor deren Eintreffen am Zielort Chicago beschlagnahmt und untersucht, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Wie der US-Sender ABC berichtete, wollten die Islamisten den Probelauf offenbar unter anderem nutzen, um die Zeitzünder der Sprengsätze präziser einzustellen.

Ein Flugzeug des Paketdienstes United Parcel Service (UPS) wird auf dem Flughafen Köln/Bonn beladen. (Archivfoto) (Foto: dapd)

Der Testlauf umfasste Haushaltsgüter, eine CD-Rom und religiöse Literatur. Mitte September waren die Sendungen vom Jemen abgeschickt worden. Wie der Sender unter Berufung auf einen ungenannten, hochrangigen US-Beamten und andere mit dem Fall vertraute Personen berichtet, habe jemand mit Verbindungen zu al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel die Pakete aufgegeben. Die Terroristen hätten wohl erfahren wollen, ob es Probleme geben würde, die Fracht durch das Sicherheitssystem zu bekommen und wie lange die Sendung unterwegs sein würde.

Die Sicherheitsbehörden hätten die Sendung entdeckt und durchsucht, dann aber freigegeben, da die Fracht keinen Sprengstoff enthalten habe. "Ein solche Trockenübung ist immer wichtig für al-Qaida", zitierte ABC Dick Clarke, einen früheren Anti-Terror-Mitarbeiter im Weißen Haus. "In diesem Fall wollten sie die Pakete verfolgen, um genau zu wissen, wann sie einen bestimmten Punkt erreichen." So hätten sie ermitteln wollen, "wie die Zeitzünder eingestellt werden müssen, damit sie an der richtigen Stelle explodieren - vermutlich war das über Chicago."

Nach dem Fund der zwei Paketbomben Ende vergangener Woche hatte die Bundesregierung die Landung von Maschinen aus dem Jemen auf deutschen Flughäfen untersagt. Die Flugsicherung sei angewiesen worden, direkte und indirekte Flüge aus dem Jemen abzuweisen, erklärte das Verkehrsministerium.

Jemen kritisiert "kollektive Bestrafung"

Das Landeverbot hat scharfe Kritik seitens der jemenitischen Regierung hervorgerufen. Der Jemen bedauere diese "kollektive Bestrafung" und sei enttäuscht, sagte ein Sprecher der Regierung laut Berichten der Nachrichtenagentur Saba. "Der Jemen möchte sein Bedauern und seine Enttäuschung über die Entscheidung Deutschlands ausdrücken, mit dem es eigentlich freundschaftliche und kooperative Beziehungen unterhält", zitierte Saba den Sprecher. Statt solcher Maßnahmen, die sämtliche Flüge betreffen, sollten die Partner des Jemen dem Land vielmehr im "Kampf gegen den Terrorismus zur Seite stehen".

Sanaa sprach von einer "überstürzten und übertriebenen Entscheidung", die den Bemühungen der Regierung im Kampf gegen den Terror schade und stattdessen den Interessen der Terroristen diene. Die Entscheidung der deutschen Behörden, bei dem Landeverbot keinen Unterschied zwischen Passagiermaschinen und Frachtflügen zu machen sei "unlogisch und bestraft den Jemen und das gesamte Volk".

Auch andere Länder hatten verschärfte Maßnahmen ergriffen. Großbritannien untersagte nach den Landungen aller Frachtflüge aus dem Jemen auch die aus Somalia. Die Niederlande schlossen sich dem Landeverbot für Frachtflugzeuge und Maschinen mit Post aus dem Jemen an. Die US-Behörden entsandten Experten in das arabische Land, um die dortigen Sicherheitskräfte zu unterstützen.

Militäroffensive gegen al-Qaida in jemenitischen Provinzen

Währenddessen hat im Jemen eine groß angelegte Militäroperation gegen Top-Terroristen begonnen. Ziel ist es, den von den USA gesuchten Hassprediger Anwar al-Awlaki und den mutmaßlichen Bombenbauer Ibrahim Hassan al-Asiri zu fassen. Aus Regierungskreisen in der Hauptstadt Sanaa hieß es, der Militäreinsatz konzentriere sich auf die Provinzen Schabwa und Marib. Al-Awlaki gilt als Al-Qaida-Vordenker, der aus Saudi-Arabien stammende Al-Asiri soll die Paketbomben hergestellt haben, die jetzt in Luftfrachtpaketen aus dem Jemen entdeckt wurden.

Mit ihrer Offensive wollen die Jemeniten nach Ansicht von Beobachtern eine mögliche Intervention amerikanischer Anti-Terror-Sondereinsatzkommandos im Jemen verhindern. US-Präsident Barack Obama hatte den US-Sicherheitsdiensten und der Armee im vergangenen April die Erlaubnis erteilt, Al-Awlaki zu töten, weil dieser mehrere Terroristen zu Anschlägen angestachelt haben soll. Die jemenitische Armee kämpft in der südlichen Provinz Abjan bereits seit Wochen gegen Al-Qaida-Zellen. Einige Terroristen aus Saudi-Arabien, die sich in dem Bezirk Lawdar verschanzt hatten, haben sich inzwischen gestellt.

In der Nacht zum Freitag waren aus dem Jemen abgeschickte Pakete mit funktionsfähigen Sprengsätzen in Frachtmaschinen auf dem mittelenglischen Flughafen East Midlands und in Dubai entdeckt worden. Die Pakete waren an jüdische Einrichtungen im Raum Chicago adressiert; das in East Midlands beschlagnahmte Paket war zuvor auf dem Flughafen Köln/Bonn umgeladen worden.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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