Österreich:Von Medien und Moneten

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Christian Stocker, 64, ist seit September 2022 Generalsekretär der Kanzlerpartei ÖVP. (Foto: Frank Ossenbrink/Imago)

Der Debatte um die Leitkultur folgte in Österreich eine Debatte um Spitzengehälter. Wieso ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker im Fernsehstudio bei Armin Wolf bei beiden Themen in Erklärungsnot kam.

Kolumne von Gerhard Fischer

Ich bekam als Kind zehn Mark Taschengeld im Monat. Und ich wollte später Torwart beim TSV 1860 München werden, der damals - es ist lange her - ein guter Fußballklub gewesen ist. Ich konnte mir nicht vorstellen, was ich dann verdienen würde, vielleicht 100 Mark, aber es war mir ohnehin egal. Die Sport-Bild schrieb diese Woche, Thomas Tuchel würde geschätzte zehn Millionen Euro im Jahr verdienen (ohne Prämien), ob netto oder brutto ist da wurscht, der Bayern-Trainer wird immer genug Kuchen essen können. Als Kind merkte ich mir den Unterschied zwischen brutto und netto so, dass netto ähnlich klingt wie nett, und nett oder netto ist das, was man freundlicherweise wirklich bekommt.

Ich wurde nicht Torwart, sondern Journalist. Ich hatte keine Geldprobleme, aber ich habe nie Millionen verdient, wie Fußballer und Fußballtrainer das tun. Nicht einmal 170 000 Euro habe ich bekommen. Ich war aber auch nie Chefreporter oder beim ORF. Der Sender hat gerade - weil die Politik es ihm vorschrieb - die Gehälter seiner Spitzenleute offengelegt, also jene, die 170 000 Euro im Jahr überschreiten. Das meiste Geld bekommt nicht etwa Generaldirektor Roland Weißmann mit 425 500 Euro, sondern Radiomoderator Robert Kratky mit fast 444 000.

ZIB2-Anchorman Armin Wolf (252 780 Euro) hat am Dienstag ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker interviewt. Zunächst ging es um die Leitkultur-Kampagne der ÖVP, die am Karfreitag einen kuriosen Höhepunkt erlebte, als die Volkspartei digital illustrierte, was sie mit ihrer - Achtung: soll witzig sein - Leit-Kultur (Leit für Leute) meinte: Auf Bildern vom Maibaumaufstellen und von Blaskapellen sah man Parolen wie "Tradition statt Multikulti". Daraufhin distanzierte sich der Chef des Blasmusikverbandes im Standard vom "Kampfbegriff Leitkultur" und kritisierte "politische Vereinnahmung".

Im Fernsehstudio bewies Stocker, dass er das Leitkultur-Niveau seiner Partei locker halten kann: Als Wolf von ihm wissen wollte, ob er mehr als 170 000 Euro jährlich verdiene, verneinte Stocker, obwohl er als Nationalrat (10 350 Euro pro Monat), Vizebürgermeister (7000 monatlich) und mit seinem Salär als ÖVP-Generalsekretär locker über die Grenze kommt, von Nebeneinkünften zu schweigen. Stockers Taktik war: Ich bin ja mit jedem einzelnen Einkommen unter der Grenze von 170 000 Euro. Man saß fassungslos vor dem Fernseher und dachte: Dieser Stocker ist doch ... halt, sich aufregen macht hässlich.

Und sicher ist es nur Neid auf einen Besserverdienenden. Ich bekam neulich einen Leserbrief, in dem es hieß, alle Journalisten - außer jenen in Spitzenpositionen - seien "misanthrop und nörgelig", und dafür gebe es, so schrieb der Mann, einen einfachen Grund: "Ihr verdient schlecht!"

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