Österreich:Kurz sieht sich als Mittler in Europa

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Österreichs Bundeskanzler Kurz (rechts) mit seinem Vize-Kanzler Strache von der rechtspopulistischen FPÖ. (Foto: dpa)
  • Der österreichische Kanzler gibt im Parlament seine Regierungserklärung ab.
  • Er bekennt sich zu einem "Kampf gegen Antisemitismus" und zur EU.
  • Durch seine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ steht der neue Regierungschef unter besonderer Beobachtung.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel, und Peter Münch, Wien

Mit einem herzlichen Empfang bei seinem ersten Auftritt als Bundeskanzler im Parlament hat Sebastian Kurz nicht rechnen dürfen. Schon bevor er am Mittwochnachmittag seine Regierungserklärung abgibt, sind die Wogen hoch geschlagen: Zum einen werden die Kandidaten von ÖVP und FPÖ bei der vorgeschalteten Neuwahl zum Nationalrats-Präsidium mit einem denkbar schlechten Ergebnis in ihre Ämter gehievt, weil die Opposition ein Zeichen des Protests setzen will.

Zum andern muss sich Kurz heftige Vorwürfe gefallen lassen, weil er vor seiner Antrittsrede vor den Abgeordneten noch schnell eine Auslandsreise nach Brüssel eingeschoben hatte. Ein "proeuropäisches Signal" hat er damit senden wollen. Zu Hause aber ist ihm das von SPÖ und Neos als "Missachtung" des Parlaments ausgelegt worden.

Der Auftakt zeigt gleich in zweifacher Weise, was künftig auf Österreichs politischer Bühne zur Aufführung kommen dürfte: Innenpolitisch sind harte Auseinandersetzungen zu erwarten zwischen der rechten Regierung und der links-liberalen Opposition. Außenpolitisch wird die Regierung aus ÖVP und FPÖ zunächst darauf bedacht sein, Befürchtungen der Partner zu zerstreuen.

In den Mittelpunkt seiner ersten Regierungserklärung, die während der 25-minütigen Redezeit weitgehend vage bleibt, stellt Kanzler Kurz deshalb drei "zentrale Bekenntnisse": Das Bekenntnis zu einem "neuen Stil" ist an die Opposition gerichtet mit der Aufforderung, "Anstand" in der Auseinandersetzung walten zu lassen. Das Bekenntnis zur "eigenen Vergangenheit" verbindet er mit dem Versprechen, dass der "Kampf gegen Antisemitismus eine wesentliche Aufgabe" dieser Bundesregierung sei. Das geht in Richtung all jener im Ausland, vorneweg in Israel, die alarmiert sind wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ, die in der Vergangenheit durch manche antisemitische Entgleisung aufgefallen ist.

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Im dritten Bekenntnis schließlich bekräftigt Kurz, wie wichtig für seine Regierung "das Friedensprojekt der Europäischen Union ist". Für die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr 2018 kündigt er es als Österreichs Pflicht an, "bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern" - und nennt dabei nicht nur die Migrationspolitik, sondern auch, "wenn Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Gefahr sind" in einzelnen Mitgliedstaaten.

"Beitrag für ein starkes Europa"

Am Abend zuvor in Brüssel hat bereits EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Eilbesuch des neuen Kanzlers als "klares Bekenntnis zur Europäischen Union" gewertet. Es ist zehn Uhr abends, als die beiden vor die Presse treten. Neben ihnen steht Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn, der zunächst feststellt, dass es sich trotz später Stunde nicht um einen Notfall handele. Nein, es gebe "Positives zu berichten". Österreich liege nicht nur geografisch in der gefühlten Mitte Europas, sondern auch politisch. Und das ist dann auch die Botschaft an diesem Abend.

Kurz betont, dass er "einen Beitrag für ein starkes Europa leisten" möchte. Sein Ziel sei es, die "Spannungen nach der Flüchtlingskrise zu reduzieren". Gleichzeitig verteidigt er seine harte Linie in der Migrationspolitik. Eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU werde die Frage nicht lösen, sagt Kurz. "Wir müssen unsere Außengrenzen sichern und müssen selbst entscheiden, wer nach Europa kommen darf, und nicht die Schleuser." Er selbst sehe sich als "Brückenbauer zwischen Ost und West".

Bleibt die Frage, wie das mit seinem rechtspopulistischen Koalitionspartner gelingen soll. Juncker erinnert an den Start der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000. "Damals haben 14 Mitgliedsstaaten Sanktionen verhängt, aber die europäischen Institutionen waren nicht beteiligt", sagt er. Er sehe keinen Grund, FPÖ-Minister nicht zu empfangen; er rede ja auch mit "dem rechtsextremen Koalitionspartner von Herrn Tsipras". Juncker wünscht sich nur, dass die neue Außenministerin, die ihn als arrogant und zynisch bezeichnet habe, sich künftig "ein bisschen diplomatischer" ausdrücke.

In Brüssel trifft Kurz auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und Parlamentspräsident Antonio Tajani. Wie Juncker sind sie Mitglied der Europäischen Volkspartei, der auch Kurz' ÖVP angehört. Allein das verschafft ihm in Brüssel einen Vertrauensvorschuss, den sein Koalitionspartner nicht hat. Im Europaparlament sitzt die FPÖ in einer Fraktion mit dem rechtsextremen Front National aus Frankreich.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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