Österreich:Anti-Selfie-Zaun und Pinkelmillion

Lesezeit: 2 Min.

Ins pittoreske Hallstatt kommen manchmal 10 000 Besucher pro Tag. (Foto: U. Gernhoefer/Imago)

Nach den Pandemiejahren verzeichnet Österreich diesen Sommer einen Tourismusrekord. Doch mit den Nächtigungszahlen steigen die Klagen über Overtourism.

Von Verena Mayer

Das letzte Mal in Hallstatt war ich im Sommer 2021. Alles war so, wie man es von einem Ort erwartet, der wie kaum ein anderer den Idealtypus eines idyllischen Bergdorfs verkörpert. Die Sonne schien, der See und die Kristalle im Salzbergwerk glitzerten, der Kaiserschmarrn am Berg schmeckte. Vor allem aber war Hallstatt: fast menschenleer.

Es war einer der Pandemiesommer, in denen die Leute nicht um die Welt reisen konnten oder durften. Wer es dennoch tat, hatte die Hotspots des Tourismus mehr oder weniger für sich allein. In Venedig bummelte man über einen stillen Markusplatz. Die Pyramiden von Gizeh lagen so einsam da wie in einem Agatha-Christie-Roman. Amsterdam, Berlin und Paris gehörten weitgehend den Einheimischen. Die Pandemie hat viele Dinge ans Licht gebracht. Unter anderem hat sie den Sinn dafür geschärft, dass es ein Leben außerhalb des Massentourismus gibt.

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Inzwischen reisen die Leute mehr denn je, auch in Österreich wurden diesen Sommer Tourismusrekorde gebrochen. So verzeichnete die Statistik Austria zwischen Mai und Juli 39,5 Millionen Nächtigungen, den höchsten Wert seit 1980.

Das bekommt etwa Hallstatt zu spüren, wo sich an manchen Tagen bis zu 10 000 Besucherinnen und Besucher durch das 800-Einwohner-Dorf wälzen. Selbst ein weltweit nicht so bekannter Ort wie Dürnstein an der Donau leidet unter Overtourism. Dort kommen jedes Jahr Hunderttausende in riesigen Ausflugsschiffen an und quetschen sich durch das winzige Wachau-Städtchen.

Wie immer, wenn es um Tourismus geht, gibt es zwei Wahrheiten. In Hallstatt spülen allein die Klogebühren für Touris so viel Geld in die Kassen, dass liebevoll von der "Pinkelmillion" die Rede ist. Andererseits beeinträchtigen die Leute, die in Hallstatt ihre Vorstellungen von alpiner Idylle verwirklicht sehen, dieses Idyll in fast schon absurder Weise. So erzählte ein Bewohner dem BR, dass man den Dorfmarkt an einem geheimen Ort abhalte, um einmal unter sich zu sein. In Zeiten des Overtourism müssen sich Einheimische zum Gemüsekaufen organisieren wie eine verbotene Sekte.

Fragt sich, was daraus folgt. Venedig will fünf Euro Eintritt von Reisenden verlangen, Amsterdam hat eine Touristenquote eingeführt, mit der die Zahl der Nächtigungen beschränkt werden soll. Hallstatt schaffte es in die Schlagzeilen, als das Dorf im Mai eine Holzwand aufstellte, um Touristen daran zu hindern, am Seeufer Fotos zu machen, den "Anti-Selfie-Zaun". Er war so sinnlos wie fast alle Versuche, den Massentourismus zu beschränken. Am meisten bewirken könnten wahrscheinlich die Touristinnen und Touristen selbst. Indem sie weniger reisen, dafür länger bleiben und ganz allgemein beherzigen, was Hans Magnus Enzensberger schon in den Fünfzigerjahren festgehalten hat: Dass der Tourist nämlich zerstört, was er sucht, indem er es findet.

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