Österreich:Der kalte Putsch der Haider-Erben

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In Kärnten vereinigen sich die Rechtsparteien - auch, um vom Skandal um die Hypo Alpe Adria abzulenken.

Michael Frank

Das rechte Kärntner Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) will sich durch den Zusammenschluss mit der FPÖ offenbar vor den politischen Folgen des Desasters mit der Finanzgruppe Hypo Alpe Adria retten. In einer Aktion, die der Chef des Bundes-BZÖ, Josef Bucher, einen "kalten Putsch" nannte, versucht der Haider-Nachfolger Uwe Scheuch, die Kärntner Partei wieder in die alte Freiheitliche Partei (FPÖ) zu integrieren, von der sie der Rechtspopulist Jörg Haider im Jahr 2005 abgespalten hatte.

Absurdes Theater in Österreich: Der Vorsitzende des Bundes-BZÖ, Josef Bucher (am Pult), verurteilte bei einer Pressekonferenz in Wien die Abwanderung seiner Kärntner Parteifreunde zur FPÖ. (Foto: Foto: AP)

Nun heißt das Kärntner Bündnis Zukunft Österreich, der mit Abstand stärkste Landesverband des BZÖ, plötzlich Freiheitliche Partei Kärntens (FPK). Es will künftig in einem "CDU/CSU-Modell" gemeinsam mit der alten Mutterpartei Politik machen. Kärntens Parteichef Scheuch verkündete, er vollende damit Haiders Erbe; eine kühne Interpretation, hatte doch Haider noch kurz vor seinem Tod im Alleingang für seine Partei nahezu elf Prozent auf Bundesebene erkämpft und so den stürmischen Wiederaufstieg der FPÖ unter Heinz-Christian Strache gebremst. Er sah keinen Grund zur Wiedervereinigung. Das neue Kärntner Bündnis wird wohl dennoch die Rechtsradikalen in Österreich kräftigen.

Scheuchs Kärntner BZÖ, der wahre Schuldige an der desaströsen Havarie der in Klagenfurt ansässigen Hypo-Gruppe, will mit dem Namen auch die Verantwortung loswerden. Es hofft, die schweren politischen Verfehlungen, die die Hypo beinahe in die Pleite getrieben hätten, würden am Namen BZÖ kleben bleiben und nicht an den Verantwortlichen. Damit befinden sich die Haider-Erben in bester BZÖ-Tradition: Auch Haider wollte nie wirklich Verantwortung übernehmen.

In der christsozialen ÖVP wundert man sich indessen, dass sich Straches FPÖ mit der Kärntner Fusion das Hypo-Desaster "in die eigene Partei" hole. In dieser Affäre wird es nämlich noch einiges aufzuarbeiten geben, vielleicht auch juristisch. Nicht nur Kärntens Justiz kann auf Erkenntnisse hoffen: Der Chef des Bundes-BZÖ, Josef Bucher, hat durchblicken lassen, dass man einiges aus dem Nähkästchen plaudern werde, da ja auf Kärntner Parteifreunde keine Rücksicht mehr zu nehmen sei.

"Wie eine Nazi-Aktion"

Der Chef der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der als Finanzminister federführend an der Rettung der Hypo beteiligt war, schweigt zu einer schweren Anschuldigung: Josef Pröll habe die Übernahme der Hypo durch den Staat in einer Nebenabsprache von der Fusion des Kärntner BZÖ mit der FPÖ abhängig gemacht. Das Ziel sei es, eine neue Option auf eine rechtsnationale Koalitionsregierung aus ÖVP und FPÖ in Wien zu haben - wie sie vor fast zehn Jahren von Wolfgang Schüssel und Haider geschlossen worden war, was den Protest ganz Europas hervorrief.

Uwe Scheuch soll den BZÖ-Bundesvorsitzenden Bucher in einer Viertelstundenaktion vor die Wahl gestellt haben: ein Ministerposten in einer künftigen ÖVP/FPÖ-Koalition oder das Ende. Die ÖVP nennt das "absurd". Doch nicht nur die Wiener Zeitung Der Standard hält diese ÖVP/FPÖ-Zukunftsträume für plausibel, da sich ÖVP-Chef Pröll von einem Liberalen zu einem reinen Machtmenschen gewandelt habe.

Wäre das ganze BZÖ zur FPÖ übergetreten, hätte das für eine neue rechtsnationale Mehrheit gereicht. Nun aber sind von sieben Kärntnern unter 21 BZÖ-Nationalratsabgeordneten nur vier übergelaufen. Die restlichen BZÖ-Abgeordneten in Wien verdanken es alleine den Kärntnern, dass es sie überhaupt gibt: Im Rest Österreichs krebst das BZÖ weit unter der Vier-Prozent-Klausel herum, in Kärnten aber bekommt sie durch die blinde Verehrung für den verunglückten Landesvater Jörg Haider in Umfragen noch immer über 40 Prozent.

Auch finanzielle Lockangebote an kritische Parteifreunde soll es in Kärnten gegeben haben - wer mit dem Geld der Hypo Group Alpe Adria um sich wirft, hat möglicherweise geringe Hemmschwellen. BZÖ-Chef Bucher erzählt auch, dass die Scheuch-Leute die nicht übertrittswilligen Abgeordneten regelrecht bedroht hätten. Das ganze sei "wie eine Nazi-Aktion" abgelaufen. Es hätten, sagt er, nur die knallenden Stiefel gefehlt.

Für FPÖ-Chef Strache ist die Fusion ein Kantersieg: Kärntner BZÖ-Leute laufen offen unter der Flagge ihres Idols Haider in die alte rechtsradikale Heimat über. "Willkommen daheim", hat Strache ausgerufen. Er meinte damit nicht nur Scheuchs BZÖ, sondern auch den abtrünnigen toten Haider, der damit wider Willen posthum in sein altes politisches Biotop repatriiert wird. Josef Buchers Versuch hingegen, in Österreich so etwas wie eine rechtsliberale Partei zu etablieren - er schwärmt manchmal sogar von Guido Westerwelles FDP - ist damit wohl gescheitert.

Auch bei den Wiener Sozialdemokraten rumort es nun. Denn für eine rot-blaue Koalition zwischen SPÖ und FPÖ im Nationalrat gäbe es jetzt schon eine Mehrheit. Der steht bislang aber der Schwur von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann entgegen, mit der Strache-FPÖ werde es niemals ein Koalitionsbündnis geben.

© SZ vom 19./20.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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