Ukraine-Krieg:Wie Indien eine Isolation Putins erschwert

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Verbündete aus vielen Gründen: Der russische Präsident Putin und der indische Premier Modi im Dezember 2021. (Foto: Manish Swarup/AP)

Die Regierung in Delhi will sich der Allianz der Kreml-Gegner nicht anschließen und bezieht stattdessen billiges Rohöl aus Moskau. Über einen Kurs, der Amerikaner und Europäer zunehmend irritiert.

Von Arne Perras, München

Es ist nicht so, als würde die indische Regierung diesen Deal jetzt öffentlich feiern. Delhi hat mit Moskau über die Lieferung stark verbilligten Öls verhandelt, wie der indische Ölminister Hardeep Sing Puri diese Woche im Parlament bestätigte, nun ist das Geschäft offenbar besiegelt, wie indische Medien unter Berufung auf anonyme Quellen im Staatsapparat berichten. Es soll sich um die Einfuhr von mehr als drei Millionen Barrel Rohöl aus russischer Förderung handeln. Ein Geschäft, das viele westliche Länder erst einmal irritiert.

Premierminister Narendra Modi zieht es vor, diese Rohstofflieferung aus dem Reich von Wladimir Putin so still wie möglich abzuwickeln, was nicht verwunderlich ist angesichts des diplomatischen Drucks, dem Indien in den Tagen seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ausgesetzt ist. Eine ganze Reihe von westlichen Regierungen wollen den Premierminister in den kommenden Tagen besuchen oder virtuell sprechen, wie die Zeitung The Hindu berichtet. Jene Staaten, die möglichst harte Sanktionen gegen Russland befürworten und auch schon beschlossen haben, möchten Indien auf ihre Seite ziehen, doch die Führung in Delhi, wie auch andere südasiatische Staaten, laviert in dieser Frage, bei der Abstimmung über die Resolution, die den russischen Einmarsch verurteilte, zählte Indien zu jenen 35 Ländern, die sich mit ihrer Stimme enthielten. Und auch jetzt sieht es so aus, als ließe sich Modi nicht von seiner Nähe zu Putin abbringen.

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Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sucht Delhi einen Weg, mehrere Ziele von nationaler Bedeutung in Einklang miteinander zu bringen, die in dieser Weltlage zunehmend schwer zu verbinden sind: Da ist das über die vergangenen Jahre deutlich gestärkte Verhältnis zu den USA, getrieben von der Sorge, dass Peking immer mehr Einfluss im Indischen Ozean gewinnt und ein indisches Gefühl der Einkreisung befördert. Hinzu kommen die Grenzspannungen und Zusammenstöße im Himalaya mit China, die ebenfalls eine größere Nähe Delhis zu Washington geradezu erzwingen.

Der geplante Deal zwischen Indien und Russland ist eine Provokation für den Westen

Vor dem Ukraine-Krieg herrschte zwar keine Begeisterung in Washington, dass Indien immer noch so viele Waffen in Russland einkauft, aber diese Geschäfte standen der Annäherung zwischen Indien und den USA nicht groß im Wege. Nun aber ist das alles anders, weil die USA und Europa versuchen, eine möglichst große Allianz zu schmieden, die Putin isoliert und den Preis für seinen Krieg in die Höhe treibt - ein Deal, wie ihn Indien nun verhandelt, gilt da als kontraproduktiv, ja geradezu als Provokation.

Die US-Regierung reagierte dennoch zunächst zurückhaltend, wohl auch aus Rücksicht auf die wichtigen strategischen Beziehungen zu Indien. Die Sprecherin im Weißen Haus, Jen Psaki, sagte, dass diese Käufe wohl keinen Verstoß gegen Sanktionen darstellten, allerdings schob sie auch den warnenden Satz nach: "Überlegen Sie, auf welcher Seite sie stehen möchten, wenn dieser Moment in die Geschichtsbücher eingeht." Jede Unterstützung Putin sei auch eine Unterstützung für die Invasion. Deshalb ist zu erwarten, dass Indiens Geschäfte mit Moskau das Verhältnis zu Washington und auch Europa belasten wird.

Narendra Modi und Wladimir Putin sollen sich persönlich exzellent verstehen

Delhi steht Moskau traditionell sehr nahe, in den 75 Jahren seit der indischen Unabhängigkeit war Moskau für Delhi stets ein nützlicher Partner, Narendra Modi und Wladimir Putin sollen sich überdies persönlich exzellent verstehen, ist immer wieder zu hören. Die beiden haben seit dem Einmarsch mehrere Male telefoniert, wobei Modi darauf drängte, hunderten indischen Studenten einen sicheren Weg aus der Ukraine zu ermöglichen, und Putin zu direkten Gesprächen mit Wolodimir Selenskij ermunterte.

Geopolitisch wird das Verhältnis Delhis zu Moskau umso wichtiger, je stärker Putin und Staatschef Xi Jinping in Peking zusammenrücken. Denn China ist aus indischer Sicht der große Rivale und auch eine Bedrohung. Im Sicherheitsdenken der indischen Elite ist es deshalb von größter Bedeutung, das gute Verhältnis zum Kreml nicht zu zerstören. Der Öl-Deal ist ein Schritt in dieser Richtung, der zugleich aber auch massive Ängste über die ökonomischen Folgen des Krieges für Indien dämpfen soll. Das Land muss etwa 8o Prozent seines Ölbedarfs importieren, bislang stammen nur zwei bis drei Prozent aus Russland. Die starken Preisanstiege auf dem Weltmarkt steigern die Nervosität der Regierenden, hohe Kosten und Lieferengpässe gefährden die Erholung der indischen Wirtschaft, die durch die Corona-Pandemie bereits stark gelitten hat.

Eine Kostenexplosion bedeutet vor allem für die untersten Schichten in Indien ein existentielles Risiko, durch die Folgen der Pandemie haben sie ohnehin schon stark gelitten. "Billigeres Öl aus Russland könnte helfen, die Produktionskosten in Indien zu dämpfen und so den Inflationsdruck zu mindern", schreibt der Analyst Gargi Rao des Beraterunternehmens Global Data.

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