Ein paar Dinge galten in Mannheim lange Zeit als unverhandelbar. Die berühmten Quadrate in der Innenstadt sind quadratisch, die Adler die beste Eishockeymannschaft des Landes. Und wenn in der Stadt ein Oberbürgermeister zu wählen ist, dann wählten die Mannheimer zuverlässig den Kandidaten der SPD, die hier seit 1972 ununterbrochen regiert. 51 Jahre im Rathaus, da kann man schon von einer Ära sprechen - oder, wie mancher Sozialdemokrat, von einer "roten Festung". Seit Sonntag weiß man allerdings: Die rote Festung steht nicht mehr.
Bei der Oberbürgermeisterwahl gaben 49, 9 Prozent der Wähler dem CDU-Bewerber Christian Specht ihre Stimme. SPD-Kandidat Thorsten Riehle kam nur auf 48,7 Prozent. Am Ende trennten die beiden 860 Stimmen. "Sehr bitter" sei das Ergebnis für die Sozialdemokratie, sagte der bisherige OB Peter Kurz, der nach 16 Jahren im Amt nicht mehr angetreten war. Wie immer, wenn eine Ära endet, stellt sich am Tag danach die Frage nach den Ursachen - und nach der größeren Bedeutung.
In der SPD ist von einem "krassen Verlust" die Rede
Oberbürgermeisterwahlen gelten generell als Personenwahlen, das Parteibuch hat in der Regel weniger Gewicht als bei Landtags- oder Bundestagswahlen. Selbstverständlich hinderte das die baden-württembergische CDU nicht daran, Spechts Sieg als Beleg für die eigene Großstadtkompetenz zu deuten. "Wir sind die Kommunalpartei", teilte der Landesvorsitzende Thomas Strobl mit. Das Ergebnis sei "ein historischer Tag" für Mannheim.
Bei der SPD hingegen bemüht man sich um den Eindruck, die Niederlage von Mannheim nicht überzubewerten. "Natürlich schmerzt das sehr", sagte Landeschef Andreas Stoch der Süddeutschen Zeitung. Aber man müsse akzeptieren, "dass die Zeit, in der Städte bestimmten Parteien gehören, vorbei ist". Zu flüchtig seien politische Stimmungen, zu schwach die Bindungen an einzelne Parteien - selbst in einer sogenannten Arbeiterstadt wie Mannheim.
Wenn man in die Partei reinhört, spürt man aber schon, dass die Sozialdemokraten hier nicht irgendein Rathaus an die Konkurrenz abtreten. Von einem "krassen Verlust" ist unter anderem die Rede. Was die Ursachen angeht, fällt die Analyse uneindeutig aus. Vielleicht sei der Amtsbonus entscheidend gewesen, heißt es, weil Specht vorher schon Erster Bürgermeister war. Vielleicht aber auch die hohen Temperaturen am Wahltag, die manch potenziellen Wähler abgehalten hätten. Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung bei mageren 30,9 Prozent. Fest steht: Die aktuelle Arbeit der Ampel im Bund hat bei der SPD im Südwesten niemand als Rückenwind empfunden.