Obamas Reformpläne:Letztes Gefecht für die Gesundheitsreform

Lesezeit: 3 min

Obama versucht, sein Prestigeprojekt zu retten. Ausgerechnet mit staatlicher Aufsicht bei den Krankenkassen will er die Republikaner locken.

Reymer Klüver, Washington

US-Präsident Barack Obama hat seinen vermutlich letzten Versuch gestartet, die umstrittene Gesundheitsreform doch noch vor dem Aus im Kongress zu retten. Zum Wochenanfang präsentierte das Weiße Haus einen neuen Reformvorschlag, der das Krankenversicherungswesen unter die Aufsicht des Bundes stellen würde und Verbraucher vor drastischen Prämienerhöhungen schützen soll.

Während manche Amerikaner eine medizinische Behandlung auf höchstem technischem Niveau nutzen können, haben Millionen andere keine ausreichende Krankenversicherung. Obama will das ändern (Foto: Foto: AP)

Am kommenden Donnerstag wird der Präsident selbst einen live im Fernsehen übertragene Gesundheitsgipfel mit Führern der Republikaner leiten - offiziell, um die Möglichkeiten für einen Kompromiss mit der Opposition auszuloten. Tatsächlich dürfte das Forum vor allem dazu dienen, Stimmung für das bei der Öffentlichkeit unbeliebte Reformvorhaben zu machen.

Obama verliert die Mehrheit von 60 Stimmen

Obamas Reformplan ist der erste Vorschlag, der vom Weißen Haus selbst kommt. Bisher hatte er die Diskussion den Demokraten im Kongress überlassen, die sich in den vergangenen zwölf Monaten aber nicht auf ein Reformgesetz hatten einigen können. Seit der Wahl des Republikaners Scott Brown zum Nachfolger des verstorbenen Senators Edward Kennedy fehlt ihnen im 100-köpfigen Senat indes die erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen, um ein sogenanntes Filibuster - die Blockade eines Gesetzes durch die Minderheitspartei - zu verhindern.

Zwar forderte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Dan Pfeiffer, die Republikaner am Montag auf, eine Abstimmung im Senat ohne Filibuster zuzulassen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass die Republikaner ihre bisher so effektive Fundamentalopposition aufgeben. Damit bliebe nur eine Möglichkeit, die Reform noch auf den Weg zu bringen: Deren Kernstücke - wie die verschärfte staatliche Aufsicht über die privaten Krankenversicherungen - werden mit Haushaltsgesetzen verknüpft, für die nur die einfache Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus nötig ist.

Doch dieses Verfahren ist selbst unter Demokraten umstritten. Pfeiffer vermied demonstrativ jede Antwort auf Fragen, ob der neue Reformplan des Weißen Hauses die Unterstützung der demokratischen Führung im Kongress habe: "Dies ist der Vorschlag des Präsidenten", sagte er lediglich.

Im Wesentlichen basiert Obamas Plan auf dem Reformvorschlag des Senats. Er würde 31 Millionen unversicherten Amerikanern den Versicherungsschutz bringen. Das staatliche Defizit würde die Reform nach Prognosen des Weißen Hauses in den kommenden zehn Jahren um 100 Milliarden Dollar verringern, im Laufe des folgenden Jahrzehnts um eine Billion Dollar.

Bundesstaatliche Aufsichtsbehörde für Krankenversicherungen

Die von Präsident Obama persönlich bevorzugte Einführung einer staatlichen Krankenversicherung als Alternative zu den privaten Versicherungen sieht der Vorschlag indes auch nicht vor, weil es dafür in jedem Fall keine Mehrheit im Senat gäbe.

Neu ist vor allem die Einführung einer bundesstaatlichen Aufsichtsbehörde für die Krankenversicherungen. Den Anlass für diesen Vorschlag Obamas hat die größte Krankenversicherung im US-Bundesstaat Kalifornien, Anthem Blue Cross, geboten. Sie hatte in den vergangenen Monaten die Prämien um bis zu 40 Prozent angehoben. Tatsächlich machten die Krankenversicherer in den Vereinigten Staaten 2009 im Vergleich zum Vorjahr doppelt so hohe Gewinne.

Öffentlich in Misskredit gebracht

Bisher ist die Aufsicht über die Krankenversicherer den Bundesstaaten überlassen. Aber nur die Hälfte der Staaten hat überhaupt ein Gremium geschaffen, das Prämien überwacht. Schon seit Monaten haben die Republikaner die Reform in der Öffentlichkeit erfolgreich mit dem Hinweis in Misskredit gebracht, dass sie einen zu großen staatlichen Eingriff in die persönliche Freiheit bedeute.

Tatsächlich sieht sie eine allgemeine Versicherungspflicht vor, um einem Großteil der vermutlich 47 Millionen unversicherten Amerikaner den Schutz einer Krankenversicherung zu bringen. Die jetzt von Obama vorgeschlagene Ausweitung der Aufsichtsmöglichkeiten über den privaten Krankenversicherungssektor dürften die Republikaner deshalb ebenfalls ablehnen.

Am Wochenende kritisierte die Opposition, dass Obama seine Ideen bereits vor dem Live-Gesundheitsgipfel der Öffentlichkeit präsentiert hat. "Wenn sie ihren Plan schon im voraus festlegen, über was sollen wir dann am Donnerstag diskutieren?", sagte der Oppositionsführer im Senat, Mitch McConnell. Präsidentensprecher Pfeiffer forderte die Republikaner im Gegenzug auf, ihren detaillierten Gegenvorschlag ebenfalls noch vor dem Treffen am Donnerstag öffentlich zu machen.

Im Video: Der frühere US-Vizepräsident Richard Cheney ist wieder mit Brustschmerzen ins Krankenhaus gebracht worden. Der Politiker hat bereits vier Herzinfarkte erlitten.

Weitere Videos finden Sie hier

© SZ vom 23.02.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: