NSA-Ausschuss:Ahnungslos im BND

BND-Präsident Schindler im Geheimdienst-Ausschuss

Als Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss geladen: BND-Präsident Schindler

(Foto: dpa)
  • An diesem Donnerstag wird BND-Chef Schindler im NSA-Ausschuss gehört. Er wird sich zu der umfangreichen Löschaktion hinsichtlich fauler Selektoren äußern müssen.
  • Angeblich soll er davon nicht gewusst haben. Allerdings gibt es mindestens fünf BND-Mitarbeiter, die beteiligt waren. Einer von ihnen hätte Schindler direkt Bericht erstatten können.
  • Seit Wochen verhandelt die Bundesregierung mit den USA über eine Freigabe der Liste für die Aufklärer im NSA-Untersuchungsausschuss und dem Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste überwachen soll.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es muss dieser Satz von Kanzlerin Angela Merkel gewesen sein, der den Bundesnachrichtendienst, oder zumindest einige Mitarbeiter in Pullach in helle Aufregung versetzt hat: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht." Gesagt im August 2013 nach den Enthüllungen von Edward Snowden.

Aufregung deshalb, weil es bis dahin zum täglichen Geschäft des BND gehörte, Freunde auszuspähen.

Das Paul-Löbe-Haus des Bundestages, an diesem Mittwoch, Sitzungssaal 2700. Der NSA-Untersuchungsausschuss ist zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um der Sache mit den Selektoren nachzugehen. Also jenen Suchbegriffen der Amerikaner, die auf den Rechnern des BND entgegen aller Absprachen die Datenbanken nach deutschen und/oder europäischen Personen, Unternehmen und "europäischen Ministerien", wie sich ein Zeuge verplapperte, durchpflügten. Erst vor wenigen Tagen wurden alle komplett abgestellt.

Angeblich soll BND-Chef Schindler nichts gewusst haben

Die Affäre nagt an der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung und insbesondere der Kanzlerin. Im Kanzleramt sollen schon 2008 und spätestens 2010 Hinweise vorgelegen haben, dass die Selektoren des US-amerikanischen Geheimdiensts NSA womöglich gegen deutsche Interessen, wenn nicht sogar gegen deutsches Recht verstoßen. Im August 2013 hat es BND-intern eine Überprüfung der Selektoren gegeben. Dabei sind Abertausende problematische Suchbegriffe aufgefallen, die - so sagen es die BND-Leute - schnell inaktiv gestellt wurden.

Was kaum zu glauben ist: Über diese hochbrisanten Vorgänge wollen die Verantwortlichen BND-Mitarbeiter ihre Vorgesetzten nicht informiert haben. Wenn die Legende stimmt, dann wusste BND-Chef Gerhard Schindler nichts von den umfangreichen Lösch-Aktionen. Sein zuständiger Abteilungsleiter Hartmut Pauland auch nicht. Und ebenso soll das Kanzleramt keine Informationen bekommen haben.

Schindler wird wie Pauland an diesem Donnerstag im Ausschuss als Zeuge gehört. Die Spitze jener Behörde also, in der das Bundeskanzleramt "im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht (...) technische und organisatorische Defizite (...) identifiziert" habe, wie es in einer Pressemitteilung des Kanzleramtes heißt.

Pauland, erst seit Januar 2013 Abteilungsleiter im BND, fängt an leiser und unverständlicher zu reden, als es am Nachmittag um die entscheidenden Fragen geht. Nein, er habe bis März diesen Jahren überhaupt nicht mit gar keinem Mitarbeiter über Selektoren gesprochen. Dass es da Probleme gegeben habe, das habe er erst "am 13. März, 22:45 Uhr" erfahren.

Mindestens fünf Mitarbeiter wussten von der Suche

Erst dann soll angeblich BND-intern aufgeflogen sein, dass irgendetwas mit den Selektoren nicht stimmte. Und das auch nur wegen zweier treffsicherer Beweisanträge, die der NSA-Ausschuss gestellt hat. Immerhin: Auf die Frage, ob er wusste, dass der BND auch Freunde abhört, antwortet Pauland mit einen leisen: "Ja."

Mindestens fünf BND-Mitarbeiter aber müssen von der Suche nach faulen Selektoren schon August 2013 gewusst haben. Drei davon hat der Ausschuss an diesem Mittwoch bis kurz vor Mitternacht gehört. Einen vierten, Dr. T., schon vor zwei Wochen.

Es geht um die beiden Unterabteilungsleiter D.B. und W.K. aus Pullach, den Mathematiker Dr. T., den Sachbearbeiter W.O. in Bad Aibling und seinen Dienststellenleiter R.U. In der Außenstelle des deutschen Geheimdienstes wird vor allem Sattelten-Kommunikation überwacht ist vor allem die technische und personelle Schnittstelle in der Zusammenarbeit von BND und NSA.

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