Nordkorea:Kim Jong-un, die blendende Sonne

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Diktator Kim Jong-un zeigt der Welt ein freundliches Gesicht. Weil sich das für ihn auszahlt. Doch er bleibt bislang den Beweis dafür schuldig, dass er es mit einer Öffnung seines Landes ernst meint.

Kommentar von Stefan Kornelius

Unbestritten ist, dass Nordkorea unter seinem Diktator Kim Jong-un spektakuläre Signale der Veränderung und gar der Öffnung aussendet. Das "außergewöhnliche Genie" (Parteipropaganda) hat es tatsächlich geschafft, das Bild seines Landes in mildes Licht zu tauchen und sich selbst als unverzichtbaren Akteur in der Geopolitik zu etablieren. Kim Jong-un hat die Isolation durchbrochen, die bislang alle Aspekte der Politik und des Lebens seines Landes bestimmte.

Für Nordkorea ist das ein Erfolg, weil sich nun ganz neue Optionen ergeben: Mit dem Präsidenten Südkoreas wird über ökonomische Hilfe diskutiert; die Familienzusammenführung wird die beiden Nationen emotional noch stärker aneinander binden; eine Pufferzone entlang der hochgerüsteten Grenzanlage suggeriert militärische Entspannung.

Und wenn Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Kim Jong-un vor der stilisierten Vereinigungsflagge der beiden Koreas posieren, dann drängt sich bald die Frage auf, wie lange eigentlich das Sanktionsregime der Vereinten Nationen noch bestehen kann (zumal es bereits skrupellos mithilfe der Nachbarn gebrochen wird).

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Südkoreas Präsident hat Pjöngjang Zugeständnisse abgerungen. So kann er die ins Stocken geratene Annäherung zwischen dem Norden und den USA wieder in Schwung bringen.

Von Christoph Neidhart

Kim muss noch zwei Tests bestehen - der eine leicht, der andere schwer

In Wahrheit werden in Nordkorea die Verhältnisse immer erst auf den zweiten oder gar dritten Blick sichtbar. Eine Jubelmeute im Festgewand mag die Straßenränder der Hauptstadt Pjöngjang gesäumt haben, aber all der Pomp und die inszenierte Fröhlichkeit sollte den stets lächelnden Präsidenten Moon nicht in der Gewissheit wiegen, dass sich hier eines der schlimmsten Regime der Welt auf dem Weg der Läuterung befindet.

In seiner Öffnungspolitik muss Kim erst noch zwei Tests bestehen, einen leichten und einen schweren. Der leichte betrifft die äußere Sicherheit und Fragen von Transparenz und Verifikation. Schlüsselthema für den Umgang mit der Welt ist und bleibt das Nuklearprogramm. Die angekündigte Zerstörung des Raketentestgeländes von Dongchang-ri und die symbolische Sprengung des (wohl allemal zerstörten) Nukleartestgeländes von Punggye-ri gehören in die Kategorie Symbolik. Kim hatte bereits einen Teststopp zugesagt.

Nach wie vor fehlt das zentrale Beweisstück für die Glaubwürdigkeit des neuen Nordkoreas: eine vollständige und überprüfbare Inventarliste des nuklearen Arsenals und seiner Lager- und Produktionsstätten. Geheimdienste berichten von bisher unbekannten Anreicherungsanlagen, selbst der Abbau "einiger Einrichtungen" des berüchtigten Reaktors in Yongbyon, wie von Kim in Aussicht gestellt, wird nicht die erwünschte Klarheit schaffen.

Test Nummer zwei betrifft die innere Öffnung und die Menschenrechte. Selbst Moon scheut vor der öffentlichen Erwähnung der Internierungslager und ihrer Hunderttausenden Insassen zurück. Das Regime bewegt sich hier keinen Deut.

All dies darf in der Rechnung der Annäherung nicht fehlen. Momentan betreiben beide Seiten nur Symbolpolitik. Der gute Wille wird demonstriert in der Hoffnung, darauf zum rechten Zeitpunkt aufbauen zu können. Das ist eine kluge, weil realistische Strategie. Kim ist aber der Gewinner dieser Phase, er erweitert seinen Radius, die Beißhemmung der Gegner wächst. So wie man Donald Trump kennt, wird er das Spektakel belohnen und seinen Freund bald wieder treffen wollen. Falls Marschall Kim ohne Inventarliste und Verifikationszusage nach Washington reisen darf, hat er sich einen neuen Ehrentitel verdient: blendende Sonne.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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