Das politische Ereignis des Jahres soll jetzt also tatsächlich am 12. Juni in Singapur stattfinden. Wenn nichts dazwischenkommt, wird US-Präsident Donald Trump dort auf den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un treffen. Es wird egal sein, wie schwammig und unausgegoren der Text sein wird, auf den sich beide dort vielleicht einigen werden. Trumps Urteil über diesen Deal dürfte schon feststehen: Es wird der größte und schönste und beste Deal sein, den die Welt je gesehen hat. Mindestens.
Manche halten Trump ja tatsächlich für einen begnadeten Verhandler. Allen voran Trump selbst. "Ich bin ein großartiger Dealmaker", sagte er noch im März. "Das ist es, was ich kann." Er habe damit eine Menge Geld verdient.
Gipfeltreffen von Kim und Trump:"Solide Antwort auf meinen Brief, danke!"
Ein hoher Parteifunktionär aus Nordkorea reist nach New York. Trump bestätigt das über Twitter. Das für den 12. Juni geplante Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Kim wird nun wieder wahrscheinlicher.
Nun, an dieser überaus bescheidenen Selbsteinschätzung sind Zweifel angebracht. Hier zehn Gründe, warum Trump als Verhandler eher Mittelmaß ist.
Der Handelsstreit mit China
Trump hat sich da offenbar übernommen. Die jüngsten Ereignisse weisen jedenfalls eher darauf hin, dass China den Kampf gewinnen wird. Bisher konnte Trump noch hoffen, dass ihm in seinem gar nicht so unsinnigen Kampf gegen Chinas Handelspraktiken die alten Verbündeten zur Seite stehen. Jetzt aber hat er Strafzölle auf Stahl und Aluminium gegen die EU, gegen Kanada und gegen Mexiko verhängt. Die USA stehen jetzt völlig alleine da, sagt der fühere Handelsberater von George W. Bush, Philip Levy. "Indem wir unsere Partner angreifen, lassen wir uns selbst dermaßen ungeschützt stehen, wie es nie zuvor der Fall war." Um aber gegen China anzukommen, braucht Trump Verbündete. Die USA sind mächtig. Aber sie sollten besser nicht gleichzeitig alle wirtschaftlichen Großmächte der Welt gegen sich aufbringen. Eine Strategie? Nicht erkennbar.
Trump ist eher ein Deal-Brecher als ein Dealmaker
Das Klimaabkommen von Paris, das Atomabkommen mit Iran, das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP, das sind alles über Jahre mühsam verhandelte Vereinbarungen. Trump hat sie einfach weggewischt oder ist einseitig ausgestiegen. Ohne einen echten Plan zu haben, was danach kommt. Das TPP gibt es jetzt dennoch - ohne die USA und mit neuem Kürzel: CPTPP. Bisher hat Trump auf internationaler Bühne nur ein Freihandelsabkommen mit Südkorea zur Unterschriftsreife gebracht. Sonst nichts. Und dank der Strafzölle von Trump gegen Kanada und Mexiko ist völlig ungewiss, ob die laufende Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta noch eine Chance hat. Trump will Nafta offenbar auch loswerden. Und mit Kanada und Mexiko bilaterale Abkommen schließen. Fragt sich, warum die das jetzt noch tun sollten.
Totale Selbstüberschätzung
Israel mit Palästina und den anderen Nachbarn zu versöhnen, das sei "ehrlich gesagt, nicht so schwer, wie manche Leute glauben", hat Trump kurz nach seiner Amtsübernahme gesagt. Und hat seinen völlig unerfahrenen Schwiegersohn Jared Kushner beauftragt, den Deal klarzumachen. Nach eineinhalb Jahren im Amt ist ein Frieden so weit entfernt wie lange nicht. Zu allem Überfluss hat Trump auch noch ohne Not die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt. Am Tag der Einweihung haben israelische Sicherheitsleute mehr als 50 Demonstranten auf palästinensischer Seite erschossen. Wer seinen Verhandlungspartnern vor den Kopf stoßen will, der handelt genau so.
Die Absage des Nordkorea-Gipfels
Erst ein eine Seite langer Brief an Kim Jong-un, in dem Trump erklärt, warum es nicht zu einem Gipfel am 12. Juni kommen wird. Dann soll es jetzt plötzlich doch gehen. Weil Nordkorea so nett auf seinen Brief reagiert habe. Trumps Verhandlungsposition hat das nicht gestärkt. Die Befürchtung ist, dass Kim sehr genau weiß, welchen Honig er Trump um den Mund schmieren muss. Dass am Ende also tatsächlich ein sofortiges Ende des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms steht, wie es Nordkorea nach Trumps Worten bereits zugesagt habe, das ist völlig offen. Wahrscheinlicher ist, dass Kim gegen Finanzhilfen zusagt, das Programm irgendwann einmal zu beenden. Um die Zusagen dann nicht einzuhalten. Aber keine Sorge, Trump wird auch das als Riesenerfolg verkaufen.
Schlechte Vorbereitung
Über Trump ist öfter berichtet worden, dass seine Aufmerksamkeitsspanne keine zwei Minuten überdauert. Er liest auch nicht gerne. Gute Verhandler sollten zwar ein gutes Bauchgefühl haben. Das hat Trump hin und wieder. Vor allem aber sollten sie alle Details einer möglichen Vereinbarung kennen. Trump hat immer wieder gezeigt, dass er Details nicht besonders mag. Bis zum Schluss soll er nicht wirklich bereit gewesen sein , in die Tiefen des Iran-Abkommens einzusteigen. Und im Fall Nordkorea sollen Mitarbeiter mehrfach vergeblich versucht haben, ihn mit Dossiers über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm auf den Gipfel vorzubereiten. Wer aber nicht weiß, wie dieses genau beschaffen ist, der wird Schwierigkeiten haben, eine belastbare Vereinbarung über sein Ende zu finden. Außerdem passiert es immer wieder, dass Trump die eigenen Verhandler unterminiert oder dass die Verhandler selbst uneins über Ziele und Strategien sind. Was mit dem Unwillen von Trump zu tun hat, sich selbst in Details einzuarbeiten. Im Konfliktfall ist er mangels Tiefenkenntnis schlicht nicht in der Lage, die Linie festzulegen.
Kürzlich hat die Trump Organization, in der ein Großteil der Geschäfte der Familie Trump gebündelt sind, ein Hotel verkauft. Das Plaza in New York. Preis: 600 Millionen Dollar. Allerdings hatte Trump das Hotel 1988 für 950 Millionen Dollar gekauft. 350 Millionen Dollar Verlust. So sehen viele Geschäfte von Trump aus. Er hat neben ein paar Erfolgen vor allem reihenweise Pleiten produziert. Und weil er sich ungern an Absprachen hält, gehört er zu den wohl meistverklagten Geschäftsleuten in New York. Außerdem kann er nicht dichthalten. Statt dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping seinen Vorschlag zum Erhalt des Technologiekonzerns ZTE am Telefon zu erläutern, hat er sie per Twitter seinen 52 Millionen Followern verkündet. Er hat sich damit selbst der nötigen Flexibilität in den Verhandlungen beraubt.
Trump ist ein Blender
Es gibt ein Tonband, auf dem Trump seine Stimme verstellt und sich einem Reporter des Forbes-Magazins Anfang der 80er Jahre am Telefon als John Barron vorstellt. Einziges Ziel des Anrufes: Trump habe es verdient, auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen weiter oben zu stehen. Trump alias John Barron hat den Reporter - damals noch jung und unerfahren - mit Zahlen bombardiert, die ihn schließlich überzeugt haben. Das war alles großer Unsinn, wie der Reporter, Jonathan Greenberg, heute weiß: Trump besaß nur ein Bruchteil des Vermögens, mit dem ihm Forbes damals ausgewiesen habe - nur etwa fünf statt 100 Millionen Dollar. Eine andere Geschichte: Kurz vor seiner Amtsübernahme traf sich Trump mit Managern des Flugzeugherstellers Boeing, um die Kosten von zwei neuen Dienstflugzeugen vom Typ Boeing 747 zu drücken. Sie sollen als Air Force One eingesetzt werden. Die Kosten wurden auf etwas über vier Milliarden Dollar geschätzt. Trump brüstete sich nach dem Gespräch, einen Preisnachlass von einer Milliarde Dollar herausgehandelt zu haben. Kürzlich dann die endgültige Einigung. Boeing wird die Flugzeuge für nur noch 3,9 Milliarden Dollar bauen. Weil das dann doch keine Milliarde Dollar Ersparnis ist, wurde einfach der geschätzte Ursprungspreis von vier auf fünf Milliarden heraufgesetzt. Das ist nicht Verhandlungsgenie. Das ist Betrug am Publikum.
Trump geht es nicht um die Sache, es geht nur um ihn
Als Geschäftsmann ist das erstmal nicht weiter verwerflich. Als Präsident aber sollte es um mehr gehen. Nicht für Trump. Dass er aus dem Iran-Deal austeigen würde, habe ausschließlich innenpolitische Gründe, hat schon Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach seinem Staatsbesuch in Washington erkannt. Heißt: Trump waren seine Umfragewerte und sein Image wichtiger als das komplexe Gefüge des Iran-Abkommens.
Auf Trumps Wort ist kein Verlass
Zusagen nicht einzuhalten, gehört zu Trump Standardrepertoire. Die Liste der Geschäftspartner, die Trump übers Ohr gehauen hat, ist lang. Es gibt unzählige Berichte über nicht gezahlte Rechnungen und nicht erbrachte Leistungen. Er hat sogar eine eigene Universität gegründet (die nie als solche anerkannt wurde), auf der die Studenten gegen 35 000 Dollar Gebühr die Kunst des Geldverdienens lernen sollten. Wer sich dort einschrieb, hat allerdings das Geldverlieren gelernt. Die Uni war ein einziger Betrug. Dass er als Präsident kaum anders handelt und Verpflichtungen der USA einfach aufkündigt, dürfte den Preis in den kommenden Verhandlungen mit Nordkorea eher in die Höhe treiben.
Trump interessieren Fakten nicht
Die Washington Post zählt seit Amtsantritt seine Falschaussagen. Bis zum 1. Juni 2018 waren es 3251. Das sind im Schnitt 6,5 falsche und fehlerhafte Aussagen pro Tag. Für Trump gehört es zum täglichen Geschäft, die Öffentlichkeit und seine Gesprächspartner mit unwahren Behauptungen in die Irre zu führen. Wer das durchschaut, der könnte leichtes Spiel haben, ihn in Verhandlungen über den Tisch zu ziehen.