Westafrika:Ein Präsident als Geisel

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Mohamed Bazoum lebt streng bewacht mit seiner Frau in seiner ehemaligen Residenz in der nigrischen Hauptstadt Niamey. (Foto: Issouf Sanogo/AFP)

Kein Licht, kein Strom, kein sauberes Wasser: Nigers gestürzter Staatschef Mohamed Bazoum wird von der Junta unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten. Politisch ist er kaum noch zu retten.

Von Paul Munzinger, Kapstadt

Am Samstag durfte Nigers gestürzter Präsident Mohamed Bazoum zum ersten Mal seit dem Putsch Besuch von seinem Arzt bekommen. Der 63-Jährige sei "guten Mutes", berichtete der Arzt hinterher dem französischen Radiosender RFI. "Allen geht es gut." Bazoum wird seit dem 26. Juli gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn gefangen gehalten. Nachdem die Sorgen um seinen Gesundheitszustand zuletzt immer größer geworden waren, ist das eine Entwarnung. Mehr nicht.

Denn gut scheint es Bazoum nur den Umständen entsprechend zu gehen. Seit inzwischen 18 Tagen ist der entmachtete Präsident mit Frau und Sohn im Keller des Präsidentenpalasts in Nigers Hauptstadt Niamey eingesperrt. Dort leben sie ohne sauberes Wasser und ohne Strom in Hitze und Dunkelheit und ernähren sich von Reis und Nudeln, während im warmen Kühlschrank frische Lebensmittel verrotten. So berichtete es Bazoums Tochter dem britischen Guardian.

Zazia Bazoum entging der Gefangenschaft, weil sie zum Zeitpunkt des Putsches im Urlaub in Frankreich war. Sie telefoniere fast täglich mit ihrer Familie, sagte sie. Ihr Vater und ihre Mutter hätten je fünf Kilo abgenommen, ihr Bruder sogar zehn. Für den 22-jährigen Salem ist die Situation besonders schwierig. Er leidet an einer chronischen Herzkrankheit. Gegenüber der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die am 9. und 10. August Kontakt mit Bazoum hatte, nannte der gestürzte Präsident die Bedingungen der Gefangenschaft "unmenschlich und grausam".

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Die Putschisten sehen genug Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung. Bazoum wird seit dem Putsch im Keller des Präsidentenpalasts festgehalten.

Die Putschisten drohen, Bazoum im Fall einer Intervention zu töten

Vor zehn Tagen hatte Bazoum in einem Gastbeitrag für die Washington Post geschrieben, er sei eine "Geisel" der Putschisten. Wie zutreffend diese Bezeichnung ist, wurde in den vergangenen Tagen klar. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas droht der Junta mit einer Intervention. Falls es tatsächlich dazu kommt, dann drohen die Putschisten ihrerseits damit, Bazoum zu töten. So berichtet es die US-Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf westliche Diplomaten.

Die Junta verweigerte sich bis zum vergangenen Wochenende allen Vermittlungsversuchen. Dass sie nun immerhin eine medizinische Untersuchung ihrer Gefangenen ermöglicht, lässt sich als kleines Zugeständnis werten. Ecowas hat seine Kriegsdrohung durch die Aufstellung einer Eingreiftruppe am Freitag noch einmal konkretisiert. Zahlreiche Staaten und internationale Organisationen hatten die Junta zudem vor den Folgen gewarnt, sollte Bazoums Zustand sich weiter verschlechtern. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte am Freitag, sie verurteile es "aufs Schärfste, dass die Putschisten den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum und seine Familie weiterhin in Geiselhaft halten. Sie müssen unverzüglich freigelassen werden. Die Putschisten müssen mit harten Konsequenzen rechnen, sollte ihnen etwas zustoßen".

Dass Bazoum Niger noch einmal als Präsident regiert, ist höchst unwahrscheinlich

Ob der Arztbesuch mehr als ein einmaliges Entgegenkommen war, dürfte sich bald zeigen. Das Ecowas-Parlament beschloss am Samstag einen neuen diplomatischen Anlauf, eine Abordnung soll zu Gesprächen nach Niamey reisen. Würden sie dort ankommen, wäre das schon ein Erfolg; die letzte Delegation von Ecowas, Afrikanischer Union und Vereinten Nationen trat ihre geplante Reise gar nicht erst an, weil die Junta angesichts der aufgeheizten Lage im Land nicht für ihre Sicherheit garantieren wollte. Sollte sogar ein Treffen mit dem selbsternannten neuen Staatschef Abdourahmane Tchiani zustande kommen, wäre es ein kleiner Durchbruch.

Jenseits dieser Bemühungen war am Samstag bereits eine Delegation islamischer Geistlicher aus Nigeria zu den Putschisten in Niger aufgebrochen, um in dem Konflikt zu vermitteln. Ein Mitglied der Delegation teilte am Sonntagabend mit, man habe mit Tchiani gesprochen. Der General habe ihnen versichert, dass die Türen für eine diplomatische und friedliche Lösung der Angelegenheit offen seien.

Doch unabhängig davon, ob es eine Intervention, Verhandlungen oder weder das eine noch das andere gibt: Dass Mohamed Bazoum Niger noch einmal als Präsident regiert, ist höchst unwahrscheinlich. Die Junta erfreut sich im Land großer und wachsender Beliebtheit, was vor allem an ihrer harten Haltung gegen jede Einmischung von außen liegt. Der Versuch, Bazoum per Militäreinsatz wieder ins Amt zu verhelfen, erschiene vor diesem Hintergrund mindestens mittelfristig als zum Scheitern verurteilt - zumal Bazoum auch unter den demokratischen Kräften im Land nicht unumstritten ist.

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Doch auch aus möglichen Verhandlungen dürfte Bazoum eher nicht als wieder eingesetzter Präsident hervorgehen. Der einzig denkbare Kompromiss zwischen Ecowas und der Junta sieht derzeit so aus: Man vereinbart einen Übergang, der nach einem festgelegten Zeitraum in Wahlen mündet. Ecowas hätte etwas gewonnen, nämlich die Rückkehr zur verfassungsgemäßen Ordnung. Und die Putschisten hätten etwas gewonnen, nämlich das Ende des "Regimes" Bazoum. Verloren hätte nur einer, nämlich der gestürzte Präsident. Was in jedem Fall auffällt: In ihrer Erklärung nach der ersten Niger-Sondersitzung am 30. Juli bezeichnete Ecowas Bazoum noch als "einzig legitimen Präsidenten" des Landes. In der Erklärung nach der zweiten Sondersitzung fehlt diese Formulierung.

Bazoums Präsidentschaft ist wohl nicht mehr zu retten. Sein Leben schon.

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