Opposition in Russland:Nawalny drohen weitere 20 Jahre Straflager

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Alexej Nawalny steht während seiner Verhandlung 2021 hinter einer Glasscheibe in Moskau. (Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Der Kremlkritiker sitzt bereits seit zwei Jahren in einer Strafkolonie hinter Gittern. Dort wurde dem Oppositionellen nun erneut der Prozess gemacht.

Die russische Staatsanwaltschaft hat für Alexej Nawalny weitere 20 Jahre Straflager gefordert. Dies teilte das Team des bereits inhaftierten Oppositionellen am Donnerstag mit. Das Urteil soll laut seinen Unterstützern am 4. August verkündet werden.

Ein Freispruch gilt als höchst unwahrscheinlich. Aus Gerichtsakten geht hervor, dass sich die Anschuldigungen auf sechs verschiedene Artikel des russischen Strafgesetzbuchs beziehen, darunter die Anstiftung und Finanzierung extremistischer Aktivitäten, die Gründung einer extremistischen Organisation und Verharmlosung des Nationalsozialismus.

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Das Gerichtsverfahren begann unter Ausschuss der Öffentlichkeit im Juni in einem Straflager in Melechowo etwa 235 Kilometer östlich von Moskau, wo Nawalny bereits einsitzt. Er ist seit mehr als zwei Jahren hinter Gittern. Der prominente Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin ist schon zu insgesamt elfeinhalb Jahren Strafkolonie unter anderem wegen Betrugs verurteilt worden. Der 47-Jährige weist die Anschuldigungen als frei erfunden zurück und argumentiert, sie dienten nur dazu, ihn zum Schweigen zu bringen. Menschenrechtsgruppen und westliche Regierungen betrachten Nawalny als politischen Gefangenen. Die Führung in Moskau bestreitet dies.

Nawalny zeigt sich kämpferisch und kritisiert Straffreiheit für Wagner-Söldner

Nawalny zeigte sich seinen Unterstützern zufolge vor Gericht unbeugsam. "Ich kämpfe weiter gegen das skrupellose Übel, das sich 'die Staatsmacht der Russischen Föderation' nennt", sagte er einem Redetext zufolge. Er werde beschuldigt, zum Hass gegen die Behörden, Richter und die Partei Einiges Russland aufzurufen. Dies sei nicht wahr, so Nawalny. Er erinnere nur daran, dass der Mensch sowohl ein Gewissen, als auch einen Intellekt habe. Wer sein Gewissen aufgebe, verliere langfristig auch seinen Intellekt. Zu Beginn des Verfahrens hatte Nawalny die Russen aufgefordert, "mit geeinten Kräften gegen Putins Lügen und die Heuchlerei des Kreml" zu kämpfen.

Wer in Russland Gerechtigkeit vor einem Gericht suche, sei dem Justizsystem völlig schutzlos ausgeliefert. "Denn in einem Land, das von einem Kriminellen regiert wird, werden Streitfragen durch Verhandlungen, Macht, Bestechung, Betrug, Verrat und andere Mechanismen des wirklichen Lebens und nicht durch irgendeine Art von Gesetz gelöst." Als Beispiel für das kriminelle Staatssystem unter Putin nannte Nawalny vor Gericht den kurzen Aufstand der Wagner-Söldnerarmee am 24. Juni. Obwohl die Aufständischen russische Piloten töteten, blieben sie straffrei.

Festgenommen wurde Nawalny im Januar 2021 nach seiner Rückkehr nach Russland. Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charité verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Die Regierung in Moskau hatte Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, ihn zu töten.

© SZ/dpa/Reuters/nadl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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