Gipfel in Brüssel:Nato warnt Putin

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Gruppenfoto beim Nato-Sondergipfel in Brüssel. (Foto: AP)

Die Mitglieder einigen sich bei ihrem Sondergipfel in Brüssel auf ein gemeinsames Vorgehen. Sie drohen mit schwerwiegenden Konsequenzen, falls Russland biologische Waffen einsetzt.

Von Matthias Kolb, Brüssel, und Paul-Anton Krüger, Berlin, Brüssel/Berlin

Die Nato-Staaten haben bei ihrem Sondergipfel in Brüssel am Donnerstag den russischen Präsidenten Wladimir Putin eindringlich davor gewarnt, bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine chemische oder biologische Waffen einzusetzen. Dies werde "schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses.

US-Präsident Joe Biden, der zum Treffen der Nato-Staaten, der G 7 und der EU-Länder angereist war, zeigte sich zufrieden: "Die Nato war noch nie so geeint wie heute. Putin hat mit dem Einmarsch in die Ukraine genau das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte." Die gleiche Geschlossenheit sei mit der Europäischen Union und der Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte erreicht worden. Auf die Frage, ob er für einen Ausschluss Russlands aus der G 20-Gruppe sei, sagte Biden: "Meine Antwort ist Ja". Die Entscheidung hänge aber vom derzeitigen G 20-Präsidenten Indonesien und den übrigen Mitgliedern ab, darunter China. Falls es nicht zu einem Ausschluss Russlands kommen sollte, müsste zumindest auch die Ukraine in den G 20-Kreis eingeladen werden.

Die Unterstützung für die Ukraine soll ausgeweitet werden, auch zum Schutz gegen biologische, chemische, radiologische und atomare Angriffe. (Foto: Vadim Ghirda/AP)

Das G-7- Format kam am Donnerstag ebenfalls in Brüssel zusammen, auf Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz. In einer gemeinsamen Erklärung am frühen Abend hieß es, die gegen Russland verhängten Sanktionen würden bei Bedarf ausgeweitet. So wollen die Staaten jede Transaktion mit Gold für Russland deutlich erschweren, wie ein hoher US-Regierungsvertreter ankündigte.

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:Stoltenberg lässt sich in die Pflicht nehmen

Eigentlich sollte der 30. September 2022 der letzte Arbeitstag des Nato-Generalsekretärs sein. Doch die 30 Staats- und Regierungschefs des Militärbündnisses haben ihn um eine Verlängerung gebeten. Das zeigt, wie ernst die aktuelle Lage und das aggressive Agieren Russlands eingeschätzt werden.

Von Matthias Kolb

Scharfe Kritik äußerten die G 7 an russischen Angriffen auf Anlagen wie das stillgelegte Atomkraftwerk in Tschernobyl. Die G 7 sagten auch zu, ihre Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern. Sie betonten, dass sich die Maßnahmen nicht gegen die russische Bevölkerung richteten. "Die Bevölkerung Russlands soll wissen, dass wir keinen Groll gegen sie hegen."

Bundeskanzler Scholz sagte nach dem Gipfel, Deutschland werde sein ganzes wirtschaftliches Gewicht dafür einsetzen, zu einem Kriegsende beizutragen. Russland rief er dazu auf, alle seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen und einen Waffenstillstand herbeizuführen. "Das ist notwendig, um eine tragfähige diplomatische Lösung des Konflikts zu ermöglichen." Eine Zahlung von russischem Gas und Öl in Rubel wies Scholz zurück. Die Verträge sähen eine Bezahlung in Euro oder Dollar vor. Die EU habe sich aber bewusst entschieden, derzeit kein Embargo gegen russische Energielieferungen zu verhängen.

US-Präsident Biden kündigte an, europäische Staaten, die Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, mit einer Milliarde Dollar zu unterstützen; auch würden die USA selbst 100 000 Menschen aufnehmen. Jetzt sehen sich die USA jedoch mit der Warnung aus Moskau vor einem Zusammenbruch der diplomatischen Beziehungen konfrontiert. "Der Russland erklärte Wirtschaftskrieg droht, die bilateralen Beziehungen vollständig zusammenbrechen zu lassen", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Agentur Interfax zufolge. Es gebe aber noch eine Chance, Einigungen zu erzielen. Die US-Regierung hatte neue Sanktionen gegen Hunderte Abgeordnete des russischen Parlaments und gegen weitere Mitglieder der russischen Elite verkündet.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij war in Brüssel dreimal per Video zugeschaltet. Sein Land sei in einer "Grauzone" zwischen dem Westen und Russland gefangen, sagte er laut Redemanuskript. Die Übermacht Russlands im Luftraum seines Landes verglich er mit der "Anwendung einer Massenvernichtungswaffe". Selenskij verlangte die Lieferung von Kampfjets, Panzern und anderem Großgerät, das die Nato-Staaten bislang nicht zur Verfügung stellen.

"Es gibt eine Grenze, die darin besteht, nicht Kriegspartei zu werden", sagte der französische Präsident Emmanuel Macron zu diesen Forderungen. Diese Grenze werde von allen Alliierten geteilt und deswegen liefere bislang niemand Panzer und Flugzeuge. Zur Verfügung gestellt würden dagegen weiter Boden-Luft-Raketen und Panzerabwehrwaffen. Bundeskanzler Scholz sagte, dass jeden Tag neu geprüft werde, welche Entscheidungen man bezüglich weiterer Waffen treffen wolle.

Die Allianz habe beschlossen, ihre Unterstützung für die Ukraine auszuweiten, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Das betreffe Hilfe bei der Verteidigung gegen russische Hackerangriffe. Auch solle die Ukraine Ausrüstung zum Schutz gegen biologische, chemische, radiologische und atomare Angriffe erhalten. Zudem soll die Ostflanke der Allianz mit 40 000 Soldaten verstärkt werden.

In Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn werden vier zusätzliche multinationale Gefechtsverbände der Nato eingerichtet. Zudem soll auch im Bündnis die Fähigkeit zur Abwehr von Cyberangriffen gestärkt werden. Die Nato macht auch klar, dass sie künftig entschiedener auf solche Angriffe reagieren will. Stoltenberg bekräftigte aber erneut, es werde keine Nato-Truppen in der Ukraine geben.

Unterdessen hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, die "eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten der Russischen Föderation gegen die Ukraine, insbesondere aller Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte" fordert. 140 der 193 vertretenen Länder schlossen sich an, nur fünf stimmten dagegen: Russland, Syrien, Belarus, Nordkorea und Eritrea.

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