Nahostreise:Gabriel und Netanjahu sprechen - diesmal ohne Zigarre

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  • Bei einem Treffen mit Israels Regierungschef Netanjahu plädiert Außenminister Gabriel für die Zwei-Staaten-Lösung und für Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt.
  • Netanjahu korrigiert Gabriel jedoch öffentlich in der Frage der Haltung Israels zu einer Zwei-Staaten-Lösung.
  • Deutlich harmonischer verläuft das Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah.

Von Nico Fried, Jerusalem

Soll das ein Witz sein? Benjamin Netanjahu steht im kleinen Saal des israelischen Sicherheitskabinetts. Abgerissene Plastikarmlehnen an den Stühlen lassen erahnen, dass von diesem Raum über die Jahre intensiv Gebrauch gemacht worden ist. Gerade heißt der Premierminister seinen Gast, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, in Jerusalem willkommen. Und sagt dabei, es sei "immer eine Freude", mit Vertretern der deutschen Regierung zu sprechen. Moment mal, Netanjahu und Gabriel, da war doch was?

Im April 2017 weigerte sich der israelische Premier, in Personalunion auch Außenminister, Gabriel während dessen Antrittsreise zu empfangen. Der neue Kollege aus Berlin, persönlich ein alter Bekannter Netanjahus, hatte sich dessen Drängen widersetzt, ein Treffen mit Vertretern regierungskritischer Organisationen abzusagen. Nachdem Gabriel unter anderem mit Breaking the Silence gesprochen hatte, einer Gruppe, die der israelischen Armee Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten vorwirft, nannte Netanjahu das Verhalten des deutschen Ministers "instinktlos" - und lud ihn aus.

Neun Monate später soll die Angelegenheit nun vergessen gemacht werden. Knapp 45 Minuten unterhalten sich die beiden Herren unter vier Augen. Gabriel erinnert noch mal an die Differenzen, so ist hinterher zu hören, Netanjahu sagt dazu angeblich nicht mehr viel, die Sache ist für ihn erledigt. Anders als bei früheren Treffen spendiert der Premier allerdings keine Zigarre. Das liegt aber offenbar nicht an atmosphärischen Defiziten, sondern daran, dass Netanjahu nicht mehr raucht - ob aus gesundheitlichen Gründen oder weil ihm vorgeworfen wird, von reichen Gönnern zu viele teure Zigarren geschenkt bekommen zu haben, bleibt offen.

Gabriel möchte keinen Vorwand für antisemitische Ressentiments liefern

Gabriel entschuldigt sich nicht. "Es gab nichts vom Tisch zu wischen", sagt er später. Der Außenminister hat stets auf ähnliche Treffen anderer deutscher Politiker verwiesen und bestritten, den Konflikt bewusst eskaliert zu haben. Doch die große Zustimmung, die er in Deutschland für sein Verhalten erhielt, stimmte ihn auch nachdenklich. Gabriel möchte keinen Vorwand für antiisraelische oder gar verkappte antisemitische Ressentiments liefern.

Auch Netanjahu braucht diesen Konflikt nicht. Sein Verhältnis mit Gabriels Noch-Chefin ist schwierig genug. Angela Merkel hat Anfang 2017 für den Frühsommer geplante Regierungskonsultationen abgesagt, angeblich aus Termingründen - ein Vorwand, wie niemand in Berlin ernsthaft bestreitet. Der wahre Grund war die Verärgerung der Kanzlerin über den ungebremsten Ausbau jüdischer Siedlungen in den palästinensischen Gebieten. Bis heute gibt es keinen neuen Termin. Aber auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos haben sich Merkel und Netanjahu vor einigen Tagen getroffen. "Exzellent" sei das Gespräch gewesen, sagt der Premier.

Die Wiederannäherung mit Gabriel begann im November 2017. Netanjahu bedankte sich am Telefon für dessen Unterstützung beim Verkauf von drei deutschen U-Booten an Israel. Das Kanzleramt hatte den Verkauf der Boote von Thyssenkrupp im Sommer 2017 wegen Korruptionsermittlungen in Israel monatelang aufgehalten. Gabriel vermittelte schließlich. Als er vor einiger Zeit die Einladung für eine Rede vor dem Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv erhielt, ließ er bei Netanjahu einen Gesprächstermin anfragen, der ihm umstandslos gewährt wurde. "Israel kann immer auf Deutschland als Partner für seine Sicherheit zählen", sagt Gabriel jetzt in Jerusalem.

Gabriels inszeniertes Scharmützel

Politisch aber bleiben viele Unterschiede, es werden eher mehr. Netanjahu freut sich über den proisraelischen Kurs des US-Präsidenten, sowohl was den Status Jerusalems angeht, als auch in der harten Haltung gegenüber Iran - beides für die Bundesregierung kein Anlass zur Begeisterung. Beim Thema Nahost-Friedensprozess inszeniert Gabriel vor der Presse denn auch ein kleines Scharmützel: Er freue sich, dass Netanjahu an der Zwei-Staaten-Lösung festhalte, wenn Israel die Kontrolle über die Grenzen behalte. Da fällt ihm der Premier prompt ins Wort und sagt, er wolle die volle militärische Kontrolle über die Palästinensergebiete behalten, und ob das dann ein Staat sei, werde man sehen.

Etwas später in Ramallah geht es bedeutend harmonischer zu. Präsident Mahmud Abbas würdigt die Rolle der Deutschen und dankt für ihre Unterstützung. Gabriel sagt, er habe "den Mut der Palästinenser, immer an den Friedensprozess zu glauben, immer bewundert". Ganz schön dick trägt der Außenminister da auf. Es wirkt, als wolle er dem jüngsten Druck der Amerikaner auf die Palästinenser besonders viel Freundlichkeit entgegensetzen, um sie am Verhandlungstisch zu halten.

Am Ende seines Kurzbesuchs wählt Gabriel gegenüber den Israelis hingegen - in aller Freundschaft - noch einmal die harte Tour. Was die Zwei-Staaten-Lösung angehe, erhalte man aus der israelischen Regierung "bestenfalls gemischte Signale", moniert er in seiner Rede vor dem INSS. In Europa wachse der Frust über das israelische Verhalten. In Deutschland verspürten gerade junge Leute immer weniger Neigung, eine Behandlung der Palästinenser zu akzeptieren, "die sie für unfair halten".

Er freue sich darauf, wenn auch Deutschland eines Tages seine Botschaft nach Jerusalem verlegen werde, sagt Gabriel - "allerdings in ein Jerusalem als Hauptstadt zweier Staaten".

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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