Nahost:Rettungsaktion für den Jordan

Lesezeit: 2 min

An der Taufstelle Qasr el-Yahud tauchen Pilger gerne in den Jordan ein und lassen sich auch nicht davon abhalten, dass das Wasser dort eine schmutzige Brühe ist. (Foto: Abir Sultan/dpa)

Der für die Region bedeutsame Fluss ist verdreckt und zu einem Rinnsal verkommen. Ein Plan zur Rehabilitation der israelischen Regierung sieht vor, dass zumindest auf einem Teilstück weniger Wasser abgezweigt und die Verschmutzung reduziert wird.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Viel besungen ist der Jordan, ein nahöstlicher Schicksalsfluss. Wer über den Jordan geht, metaphorisch, wechselt vom Hier und Jetzt in die Ewigkeit. Fürs Judentum ist der Fluss bedeutsam, weil die Israeliten einst über den Jordan ins Gelobte Land kamen. Für die Christen, weil Jesus im Jordan getauft wurde. Der Mythos lebt - doch der Fluss liegt lange schon im Sterben. Auf weiten Strecken ist er zu einem erbärmlichen Rinnsal mit gelb-brauner Brühe verkommen. Doch das soll sich nun ändern.

Die israelische Regierung hat in dieser Woche einen Plan des Umweltministeriums abgesegnet zur Rehabilitation des Flusses - zumindest auf einem Teilstück von 37 Kilometern Länge zwischen dem See Genezareth und einer Halbinsel namens Naharayim. Danach wird der Jordan zu einem Grenzfluss zu Jordanien. Davor soll man wieder in ihm schwimmen können, an seinen Ufern soll der Tourismus gedeihen, und die Landwirte sollen auch noch etwas davon haben.

Es ist ein erster Schritt zur Umkehr, und er ist längst überfällig. Denn in den vergangenen Jahrzehnten war der Jordan samt seiner Zuflüsse von allen seinen Anrainern ausgebeutet worden. Israelis, Jordanier und Syrer zweigen das Wasser ab zur Trinkwasserversorgung oder zur Bewässerung von Feldern. Am Ende sind dem Fluss, der südlich des See Genezareth einst 1,3 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr führte, nur noch 20 bis 30 Millionen Kubikmeter geblieben. Und selbst davon kommt höchstens noch ein Drittel aus dem See ins Flussbett. Der Rest: Abwasser, Abfälle aus Fischteichen und ein Chemiecocktail aus Düngemitteln.

Auch das Tote Meer ist massiv betroffen

Die Folgen sind verheerend. Zum einen für den Fluss, der auch an der von Pilgern besuchten vermeintlichen Taufstelle in Qasr-el-Yahud in der Nähe von Jericho so verdreckt ist, dass beim rituellen Eintauchen Durchfall und Hautkrankheiten drohen. Zum anderen für den Zielpunkt des Jordan: Weil der einzige Zufluss praktisch versiegt ist, kann man dem Toten Meer beim Verschwinden zuschauen. Jährlich sinkt der Wasserpegel um durchschnittlich einen Meter. Um weit mehr als ein Drittel der früheren Fläche ist das Tote Meer schon geschrumpft. Wo sich das Wasser zurückgezogen hat, sackt die Erde ein, und in diesen sogenannten Sinklöchern verschwinden Autos und Häuser.

Mit dem nun gefassten Beschluss wird dem Jordan wieder mehr Wasser zugestanden. Mindestens 40, maximal 70 Millionen Kubikmeter soll er auf dem vorgesehenen Teilstück jährlich führen. Zudem soll den Abwassereinleitungen und sonstigen Verschmutzungen ein Riegel vorgeschoben werden. Allerdings wird das Wasser dann in Naharayim wieder abgezwackt zur landwirtschaftlichen Bewässerung. An der weiter flussabwärts gelegenen Taufstelle oder am Toten Meer wird sich also bis auf Weiteres nichts ändern.

Insgesamt also bleibt der Zustand des Flusses weit entfernt vom Ideal. Für eine vollständige Rehabilitation, so hatte es schon vor Jahren die Umweltorganisation Ecopeace in einem Masterplan für den Jordan errechnet, wird eine Wassermenge von mindestens 400 Millionen Kubikmetern jährlich gebraucht. Aber wenigstens ein Anfang ist nun gemacht für den Jordan, dem schon so vieles angedichtet und noch mehr angetan wurde.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: